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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Der Fürst Pamfili erscheint zu Pferde mit Husaren zu Fuß; der Sohn des
Marquis von Prie mit einem Kapuzengewande in einem Kabriolet, das einen
Triumphwagen vorstellt; die Maskerade des Prie wiederum maskirt von Ber-
nardino Albaui; der Fürst Ruspvli zu Pferde in türkischem Kostüm mit Ge¬
folge" u. s. w. -- Am Abend wurden in Privathäusern, Seminarien und
Klöstern Komödie" aufgeführt. -- l7l9 war alltäglich ein Auszug des Triumph¬
wagens vom Hause Colonna mit Wechselnden Masken; 1721 "Maskerade deut¬
scher Ritter, welche die Germania in ihrem Herkules triumphirend
darstellte."

Spott und Satire suchten unter dem Maskenschutze sich auszubreiten, wurden
aber ziemlich streug überwacht. Welche Besorgnis? die geistlichen Würden¬
träger vor Allem, was ihr Privatleben dem Spotte aussetzen konnte, besaßen,
zeigt eine Exekution, mit welcher der Karneval 1720 eröffnet wurde. Der
Abade Gaetano Volpini aus Piperno hatte in Briefen an den Grafen Sizzen-
dvrf in Wien sich einige Bemerkungen über das stadtkundige Verhältniß des
heiligen Vaters (Clemens XI.) zu Clementine Sobieska erlaubt. Es wurde
ihm deshalb der Prozeß gemacht, das Todesurtheil wegen Verleumdung des
heiligen Vaters ausgesprochen und dasselbe wirklich auf dem Campo Vaccino
in Gegenwart einer ungeheuren Menschenmenge, aus der aber mich Stimmen
des Mißfallens gehört wurden, vollzogen. Ceeconi berichtet das Ereignis? mit
den Worten: "Am ersten Samstag des Karneval wurde auf dem Campo
Vaccino der Gaetano Volpini von Piperno geköpft, überführt des Verbrechens
verleumderischer und aufrührerischer (!) Korrespondenz." -- Ueber die Exekution
finden wir noch folgende interessante Nachricht: "Der Abade Volpini ward ans
dem Gange zum Richtplatz der Sitte gemäß von der Brüderschaft von S. Giovanni
d6 Fiorentini begleitet, und der gute Jesuitenpater Galluzzi leistete ihm tröstenden
Beistand. Während eine ungeheure Volksmenge das Ende des blutigen Schau¬
spiels erwartete, vernahm der päpstliche Resident (der Canonicus Niccolo
Verzoni), wie ein ihm unbekannter Abade zu einigen seiner Begleiter von dem
ans das Grab des Hingerichteten zu setzenden Grabsteine sprach und folgende
von ihm selbst verfaßte Grabschrift Verlautbarte: "Don Ccijetanus Vulpinius
ans Piperno, Freund der Wahrheit, unter der clementmischen Tyrannenherr¬
schaft hingerichtet, hat die Palme des Sieges erlangt. Beschluß des römischen
Volkes und Senats." Solchen Frevel hörend, erhob sich der Resident, welcher
merkte, daß hier die Luft nicht rein sei, und ging hinweg." -- Die ungemein
strenge Bulle, auf Grund deren muthmaßlich die Verurtheilung erfolgte, war
die von Pius V. speziell gegen die "Nachrichtenschreiber und Verfasser satirischer
Blätter" gerichtete.


Der Fürst Pamfili erscheint zu Pferde mit Husaren zu Fuß; der Sohn des
Marquis von Prie mit einem Kapuzengewande in einem Kabriolet, das einen
Triumphwagen vorstellt; die Maskerade des Prie wiederum maskirt von Ber-
nardino Albaui; der Fürst Ruspvli zu Pferde in türkischem Kostüm mit Ge¬
folge" u. s. w. — Am Abend wurden in Privathäusern, Seminarien und
Klöstern Komödie» aufgeführt. — l7l9 war alltäglich ein Auszug des Triumph¬
wagens vom Hause Colonna mit Wechselnden Masken; 1721 „Maskerade deut¬
scher Ritter, welche die Germania in ihrem Herkules triumphirend
darstellte."

Spott und Satire suchten unter dem Maskenschutze sich auszubreiten, wurden
aber ziemlich streug überwacht. Welche Besorgnis? die geistlichen Würden¬
träger vor Allem, was ihr Privatleben dem Spotte aussetzen konnte, besaßen,
zeigt eine Exekution, mit welcher der Karneval 1720 eröffnet wurde. Der
Abade Gaetano Volpini aus Piperno hatte in Briefen an den Grafen Sizzen-
dvrf in Wien sich einige Bemerkungen über das stadtkundige Verhältniß des
heiligen Vaters (Clemens XI.) zu Clementine Sobieska erlaubt. Es wurde
ihm deshalb der Prozeß gemacht, das Todesurtheil wegen Verleumdung des
heiligen Vaters ausgesprochen und dasselbe wirklich auf dem Campo Vaccino
in Gegenwart einer ungeheuren Menschenmenge, aus der aber mich Stimmen
des Mißfallens gehört wurden, vollzogen. Ceeconi berichtet das Ereignis? mit
den Worten: „Am ersten Samstag des Karneval wurde auf dem Campo
Vaccino der Gaetano Volpini von Piperno geköpft, überführt des Verbrechens
verleumderischer und aufrührerischer (!) Korrespondenz." — Ueber die Exekution
finden wir noch folgende interessante Nachricht: „Der Abade Volpini ward ans
dem Gange zum Richtplatz der Sitte gemäß von der Brüderschaft von S. Giovanni
d6 Fiorentini begleitet, und der gute Jesuitenpater Galluzzi leistete ihm tröstenden
Beistand. Während eine ungeheure Volksmenge das Ende des blutigen Schau¬
spiels erwartete, vernahm der päpstliche Resident (der Canonicus Niccolo
Verzoni), wie ein ihm unbekannter Abade zu einigen seiner Begleiter von dem
ans das Grab des Hingerichteten zu setzenden Grabsteine sprach und folgende
von ihm selbst verfaßte Grabschrift Verlautbarte: „Don Ccijetanus Vulpinius
ans Piperno, Freund der Wahrheit, unter der clementmischen Tyrannenherr¬
schaft hingerichtet, hat die Palme des Sieges erlangt. Beschluß des römischen
Volkes und Senats." Solchen Frevel hörend, erhob sich der Resident, welcher
merkte, daß hier die Luft nicht rein sei, und ging hinweg." — Die ungemein
strenge Bulle, auf Grund deren muthmaßlich die Verurtheilung erfolgte, war
die von Pius V. speziell gegen die „Nachrichtenschreiber und Verfasser satirischer
Blätter" gerichtete.


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[0470] Der Fürst Pamfili erscheint zu Pferde mit Husaren zu Fuß; der Sohn des Marquis von Prie mit einem Kapuzengewande in einem Kabriolet, das einen Triumphwagen vorstellt; die Maskerade des Prie wiederum maskirt von Ber- nardino Albaui; der Fürst Ruspvli zu Pferde in türkischem Kostüm mit Ge¬ folge" u. s. w. — Am Abend wurden in Privathäusern, Seminarien und Klöstern Komödie» aufgeführt. — l7l9 war alltäglich ein Auszug des Triumph¬ wagens vom Hause Colonna mit Wechselnden Masken; 1721 „Maskerade deut¬ scher Ritter, welche die Germania in ihrem Herkules triumphirend darstellte." Spott und Satire suchten unter dem Maskenschutze sich auszubreiten, wurden aber ziemlich streug überwacht. Welche Besorgnis? die geistlichen Würden¬ träger vor Allem, was ihr Privatleben dem Spotte aussetzen konnte, besaßen, zeigt eine Exekution, mit welcher der Karneval 1720 eröffnet wurde. Der Abade Gaetano Volpini aus Piperno hatte in Briefen an den Grafen Sizzen- dvrf in Wien sich einige Bemerkungen über das stadtkundige Verhältniß des heiligen Vaters (Clemens XI.) zu Clementine Sobieska erlaubt. Es wurde ihm deshalb der Prozeß gemacht, das Todesurtheil wegen Verleumdung des heiligen Vaters ausgesprochen und dasselbe wirklich auf dem Campo Vaccino in Gegenwart einer ungeheuren Menschenmenge, aus der aber mich Stimmen des Mißfallens gehört wurden, vollzogen. Ceeconi berichtet das Ereignis? mit den Worten: „Am ersten Samstag des Karneval wurde auf dem Campo Vaccino der Gaetano Volpini von Piperno geköpft, überführt des Verbrechens verleumderischer und aufrührerischer (!) Korrespondenz." — Ueber die Exekution finden wir noch folgende interessante Nachricht: „Der Abade Volpini ward ans dem Gange zum Richtplatz der Sitte gemäß von der Brüderschaft von S. Giovanni d6 Fiorentini begleitet, und der gute Jesuitenpater Galluzzi leistete ihm tröstenden Beistand. Während eine ungeheure Volksmenge das Ende des blutigen Schau¬ spiels erwartete, vernahm der päpstliche Resident (der Canonicus Niccolo Verzoni), wie ein ihm unbekannter Abade zu einigen seiner Begleiter von dem ans das Grab des Hingerichteten zu setzenden Grabsteine sprach und folgende von ihm selbst verfaßte Grabschrift Verlautbarte: „Don Ccijetanus Vulpinius ans Piperno, Freund der Wahrheit, unter der clementmischen Tyrannenherr¬ schaft hingerichtet, hat die Palme des Sieges erlangt. Beschluß des römischen Volkes und Senats." Solchen Frevel hörend, erhob sich der Resident, welcher merkte, daß hier die Luft nicht rein sei, und ging hinweg." — Die ungemein strenge Bulle, auf Grund deren muthmaßlich die Verurtheilung erfolgte, war die von Pius V. speziell gegen die „Nachrichtenschreiber und Verfasser satirischer Blätter" gerichtete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/470>, abgerufen am 23.07.2024.