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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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obwohl der 1. Februar der Anfang der Festtage war, den seltsamsten Eindruck
zu machen, wenn mit den Tausenden von Blumen ans dem Corso Schnee¬
flocken niederfielen.

Das Loslassen der Pferde - bei der Unbändigkeit der laufbegierigeu
Thiere für die "Barbereschi" keine ungefährliche Sache -- fand früher zwischen
den beiden Kirchen am Nordansgang des Corso, seit 17l0 ans der Piazza del
Popolo selbst statt. Während jetzt die Karrvssen vor dein Beginn des Rennens
sich entfernen müssen, hielten sie früher in langer Reihe ans beiden Seiten der
Straße, und das Nennen fand in dein Mittelraume statt. Mit großer Strenge'
wurde darüber gewacht, daß den Rennpferden nicht in böser Absicht ein Schaden
zugefügt wurde. 1737 erhielt ein Pferd des Herzogs vou Carpineto eine Ver-
wundung. Der Thäter wurde entdeckt und zu zehnjähriger Galecrenstrafe
verurtheilt, auch zum Schimpf auf einem Esel den Corso entlang geführt. -

Um die Mittheilung einiger interessanter Einzelheiten, die zum großen
Theil einem unedirten Tagebuche des Franciscus Valerius entstammen, mit
dem Anfang des vorigen Jahrhunderts zu beginnen, so war der Karneval des
Jahres 1701 ausgezeichnet dnrch die Theilnahme der Königin Casimira von
Polen, welche sich auf dem Altan des Palazzo Chigi zwischen ihrem Vater,
dem Kardinal Arabien und dein Kardinal Delfini, und die der kaiserlichen und
der venetianischen Gesandtin, die sich ans dem Balkon des Palastes Manfroni
sehen ließen. Zahlreiche Masken belebten den Corso; dagegen werden von
größeren Auszügen nur ein Wagen in Schiffsform mit Matrosen, dargestellt
durch Kavaliere vou Bologna, und ein Mohr zu Pferde nebst "zwei Juden¬
wagen", ein Spott gegen die römischen Jsraeliten, erwähnt. -- Von einem
Ballfest bei der neapolitanischen Gesandtin hielten die römischen Damen sich
fern, weil sie fürchteten, wie bei einem früheren Feste, den Prinzen Constantin
von Polen in Gesellschaft "einer gewissen Freundin" dort zu treffen. -- 1702
fiel der Karneval wegen des Antrittsjnbilanms Clemens XI. ganz ans, und
zwar ward das Verbot der Faschingslustbarkeiten so streng befolgt, daß "auch
uicht Einer ans dein Volke, wie es Sitte ist, singend oder gar mnsizirend um¬
herging und auf Piazza Navona die Schenkbuden weder Marionettenspiele noch
Musik veranstalteten, noch anch die Possenreißer auftraten, wie sonst allzeit
geschieht."

In den nächsten Jahren hatte die ewige Stadt von Ueberschwemmungen,
Erdbeben und anderen Unglücksfällen so schwer zu leiden, daß die Lustbar¬
keiten sich von selbst verboten. Mit dein Jahre 1709 aber beginnt eine Reihe
von immer glänzenderen Karnevalsjahren. Die hohe Aristokratie nimmt Theil,
und es müssen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, zahlreiche "Carabinieri,
Dragoner und Kürassiere ans der Piazza del Popolo u. s. w. aufgestellt, auch


obwohl der 1. Februar der Anfang der Festtage war, den seltsamsten Eindruck
zu machen, wenn mit den Tausenden von Blumen ans dem Corso Schnee¬
flocken niederfielen.

Das Loslassen der Pferde - bei der Unbändigkeit der laufbegierigeu
Thiere für die „Barbereschi" keine ungefährliche Sache — fand früher zwischen
den beiden Kirchen am Nordansgang des Corso, seit 17l0 ans der Piazza del
Popolo selbst statt. Während jetzt die Karrvssen vor dein Beginn des Rennens
sich entfernen müssen, hielten sie früher in langer Reihe ans beiden Seiten der
Straße, und das Nennen fand in dein Mittelraume statt. Mit großer Strenge'
wurde darüber gewacht, daß den Rennpferden nicht in böser Absicht ein Schaden
zugefügt wurde. 1737 erhielt ein Pferd des Herzogs vou Carpineto eine Ver-
wundung. Der Thäter wurde entdeckt und zu zehnjähriger Galecrenstrafe
verurtheilt, auch zum Schimpf auf einem Esel den Corso entlang geführt. -

Um die Mittheilung einiger interessanter Einzelheiten, die zum großen
Theil einem unedirten Tagebuche des Franciscus Valerius entstammen, mit
dem Anfang des vorigen Jahrhunderts zu beginnen, so war der Karneval des
Jahres 1701 ausgezeichnet dnrch die Theilnahme der Königin Casimira von
Polen, welche sich auf dem Altan des Palazzo Chigi zwischen ihrem Vater,
dem Kardinal Arabien und dein Kardinal Delfini, und die der kaiserlichen und
der venetianischen Gesandtin, die sich ans dem Balkon des Palastes Manfroni
sehen ließen. Zahlreiche Masken belebten den Corso; dagegen werden von
größeren Auszügen nur ein Wagen in Schiffsform mit Matrosen, dargestellt
durch Kavaliere vou Bologna, und ein Mohr zu Pferde nebst „zwei Juden¬
wagen", ein Spott gegen die römischen Jsraeliten, erwähnt. — Von einem
Ballfest bei der neapolitanischen Gesandtin hielten die römischen Damen sich
fern, weil sie fürchteten, wie bei einem früheren Feste, den Prinzen Constantin
von Polen in Gesellschaft „einer gewissen Freundin" dort zu treffen. — 1702
fiel der Karneval wegen des Antrittsjnbilanms Clemens XI. ganz ans, und
zwar ward das Verbot der Faschingslustbarkeiten so streng befolgt, daß „auch
uicht Einer ans dein Volke, wie es Sitte ist, singend oder gar mnsizirend um¬
herging und auf Piazza Navona die Schenkbuden weder Marionettenspiele noch
Musik veranstalteten, noch anch die Possenreißer auftraten, wie sonst allzeit
geschieht."

In den nächsten Jahren hatte die ewige Stadt von Ueberschwemmungen,
Erdbeben und anderen Unglücksfällen so schwer zu leiden, daß die Lustbar¬
keiten sich von selbst verboten. Mit dein Jahre 1709 aber beginnt eine Reihe
von immer glänzenderen Karnevalsjahren. Die hohe Aristokratie nimmt Theil,
und es müssen, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, zahlreiche „Carabinieri,
Dragoner und Kürassiere ans der Piazza del Popolo u. s. w. aufgestellt, auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/468>, abgerufen am 23.07.2024.