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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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oder Vorwerkes sollte nur unter gewissen Bedingungen erlaubt sein. Für die
Domänen wurde diesem Gesetz entsprechend noch die besondere Kabinetsordre
vom 28. Oetober 1807 veröffentlicht, nach welcher für alle Einfassen derselben
im Umfange des ganzen Staates die Erbunterthätigkeit, Leibeigenschaft und
Eigenbehörigkeit am 1. Juli 1808 aufhören sollte. Das Mißverstehen dieser
Verordnungen führte zwar in Schlesien zu unruhigen Auftritten unter den
Bauern, dieselben wurden aber sofort energisch unterdrückt, und die Regierung
ließ sich dadurch nicht abhalten, auf dem von ihr eingeschlagenen Wege fortzu¬
schreiten.

Ein Edikt zur Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse
vom 14. September 1811 verordnete für den damaligen Umfang der preußi¬
schen Monarchie die Verwandelung aller nicht eigenthümlichen Höfe auch auf
Privatgütern in volles und freies Eigenthum gegen Entschädigung der Guts¬
herren, theils durch Landabtretung, theils durch Rente, unter Befreiung der
beiden Parteien von den aus dem gutsherrlichen und bäuerlichen Verhält¬
niß entspringenden gegenseitigen Leistungen und unter Befreiung der Gutsherren
von verschiedenen Verpflichtungen, z. B. der zur Unterstützung und Steuerver-
tretung, und Lossprechung der Bauern von Diensten, Abgaben und servi-
tutem, und zwar ohne Unterschied, ob die Höfe bisher erblich oder nur auf
Lebenszeit oder für bestimmte Jahre zeitpachtweise besessen worden, desgleichen
ohne Berücksichtigung ihrer Größe oder provinziellen Bezeichnung. Sich
gründend auf die Natur der Bauerngüter als selbständiger, der Verfügung des
Grundherrn entzogener Besitzungen, stellte das Edikt, abgesehen von einigen
andern Unterschieden in der Ablösungsart zwischen erblichen und nichterblichen
Wirthen, in der Hauptsache den Grundsatz auf, daß erbliche Wirthe ein Drittel
ihrer Ländereien oder des Werthes derselben, nicht erbliche aber die Hälfte an
den Gutsherrn abtreten müßten, um ihn für seine bisherigen Anrechte voll¬
ständig zu entschädigen. Nach vollzogener Auseinandersetzung sollte der Guts¬
herr von der Pflicht zur Conservation der Höfe völlig entbunden, auch zu
deren Einziehung zum Rittergute ermächtigt sein. Nur sollten die Bauerngüter
nicht über ein Viertel ihres Werthes mit Hypothekenschulden belastet werden
dürfen, wogegen sie aber bei Erbtheilungen dem gemeinen Erbrechte unter¬
lagen. Uebrigens konnte eine gewisse Zahl von Diensten als sogenannte
Hülfsdienste vorbehalten werden.

Wie bedeutend das Areal war, welches infolge dieses Gesetzes nach und
nach in freies Eigenthum verwandelt wurde, mag uns die Provinz Pommern
zeigen. Hier zählte man etwa 1300 adelige Güter, die zusammen ungefähr
200 Quadratmeilen einnahmen, und hiervon fielen circa 100 Quadratmeilen
auf die Bauernhöfe. Nach der soeben erwähnten Abtretung eines Theiles der


oder Vorwerkes sollte nur unter gewissen Bedingungen erlaubt sein. Für die
Domänen wurde diesem Gesetz entsprechend noch die besondere Kabinetsordre
vom 28. Oetober 1807 veröffentlicht, nach welcher für alle Einfassen derselben
im Umfange des ganzen Staates die Erbunterthätigkeit, Leibeigenschaft und
Eigenbehörigkeit am 1. Juli 1808 aufhören sollte. Das Mißverstehen dieser
Verordnungen führte zwar in Schlesien zu unruhigen Auftritten unter den
Bauern, dieselben wurden aber sofort energisch unterdrückt, und die Regierung
ließ sich dadurch nicht abhalten, auf dem von ihr eingeschlagenen Wege fortzu¬
schreiten.

Ein Edikt zur Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse
vom 14. September 1811 verordnete für den damaligen Umfang der preußi¬
schen Monarchie die Verwandelung aller nicht eigenthümlichen Höfe auch auf
Privatgütern in volles und freies Eigenthum gegen Entschädigung der Guts¬
herren, theils durch Landabtretung, theils durch Rente, unter Befreiung der
beiden Parteien von den aus dem gutsherrlichen und bäuerlichen Verhält¬
niß entspringenden gegenseitigen Leistungen und unter Befreiung der Gutsherren
von verschiedenen Verpflichtungen, z. B. der zur Unterstützung und Steuerver-
tretung, und Lossprechung der Bauern von Diensten, Abgaben und servi-
tutem, und zwar ohne Unterschied, ob die Höfe bisher erblich oder nur auf
Lebenszeit oder für bestimmte Jahre zeitpachtweise besessen worden, desgleichen
ohne Berücksichtigung ihrer Größe oder provinziellen Bezeichnung. Sich
gründend auf die Natur der Bauerngüter als selbständiger, der Verfügung des
Grundherrn entzogener Besitzungen, stellte das Edikt, abgesehen von einigen
andern Unterschieden in der Ablösungsart zwischen erblichen und nichterblichen
Wirthen, in der Hauptsache den Grundsatz auf, daß erbliche Wirthe ein Drittel
ihrer Ländereien oder des Werthes derselben, nicht erbliche aber die Hälfte an
den Gutsherrn abtreten müßten, um ihn für seine bisherigen Anrechte voll¬
ständig zu entschädigen. Nach vollzogener Auseinandersetzung sollte der Guts¬
herr von der Pflicht zur Conservation der Höfe völlig entbunden, auch zu
deren Einziehung zum Rittergute ermächtigt sein. Nur sollten die Bauerngüter
nicht über ein Viertel ihres Werthes mit Hypothekenschulden belastet werden
dürfen, wogegen sie aber bei Erbtheilungen dem gemeinen Erbrechte unter¬
lagen. Uebrigens konnte eine gewisse Zahl von Diensten als sogenannte
Hülfsdienste vorbehalten werden.

Wie bedeutend das Areal war, welches infolge dieses Gesetzes nach und
nach in freies Eigenthum verwandelt wurde, mag uns die Provinz Pommern
zeigen. Hier zählte man etwa 1300 adelige Güter, die zusammen ungefähr
200 Quadratmeilen einnahmen, und hiervon fielen circa 100 Quadratmeilen
auf die Bauernhöfe. Nach der soeben erwähnten Abtretung eines Theiles der


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[0376] oder Vorwerkes sollte nur unter gewissen Bedingungen erlaubt sein. Für die Domänen wurde diesem Gesetz entsprechend noch die besondere Kabinetsordre vom 28. Oetober 1807 veröffentlicht, nach welcher für alle Einfassen derselben im Umfange des ganzen Staates die Erbunterthätigkeit, Leibeigenschaft und Eigenbehörigkeit am 1. Juli 1808 aufhören sollte. Das Mißverstehen dieser Verordnungen führte zwar in Schlesien zu unruhigen Auftritten unter den Bauern, dieselben wurden aber sofort energisch unterdrückt, und die Regierung ließ sich dadurch nicht abhalten, auf dem von ihr eingeschlagenen Wege fortzu¬ schreiten. Ein Edikt zur Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse vom 14. September 1811 verordnete für den damaligen Umfang der preußi¬ schen Monarchie die Verwandelung aller nicht eigenthümlichen Höfe auch auf Privatgütern in volles und freies Eigenthum gegen Entschädigung der Guts¬ herren, theils durch Landabtretung, theils durch Rente, unter Befreiung der beiden Parteien von den aus dem gutsherrlichen und bäuerlichen Verhält¬ niß entspringenden gegenseitigen Leistungen und unter Befreiung der Gutsherren von verschiedenen Verpflichtungen, z. B. der zur Unterstützung und Steuerver- tretung, und Lossprechung der Bauern von Diensten, Abgaben und servi- tutem, und zwar ohne Unterschied, ob die Höfe bisher erblich oder nur auf Lebenszeit oder für bestimmte Jahre zeitpachtweise besessen worden, desgleichen ohne Berücksichtigung ihrer Größe oder provinziellen Bezeichnung. Sich gründend auf die Natur der Bauerngüter als selbständiger, der Verfügung des Grundherrn entzogener Besitzungen, stellte das Edikt, abgesehen von einigen andern Unterschieden in der Ablösungsart zwischen erblichen und nichterblichen Wirthen, in der Hauptsache den Grundsatz auf, daß erbliche Wirthe ein Drittel ihrer Ländereien oder des Werthes derselben, nicht erbliche aber die Hälfte an den Gutsherrn abtreten müßten, um ihn für seine bisherigen Anrechte voll¬ ständig zu entschädigen. Nach vollzogener Auseinandersetzung sollte der Guts¬ herr von der Pflicht zur Conservation der Höfe völlig entbunden, auch zu deren Einziehung zum Rittergute ermächtigt sein. Nur sollten die Bauerngüter nicht über ein Viertel ihres Werthes mit Hypothekenschulden belastet werden dürfen, wogegen sie aber bei Erbtheilungen dem gemeinen Erbrechte unter¬ lagen. Uebrigens konnte eine gewisse Zahl von Diensten als sogenannte Hülfsdienste vorbehalten werden. Wie bedeutend das Areal war, welches infolge dieses Gesetzes nach und nach in freies Eigenthum verwandelt wurde, mag uns die Provinz Pommern zeigen. Hier zählte man etwa 1300 adelige Güter, die zusammen ungefähr 200 Quadratmeilen einnahmen, und hiervon fielen circa 100 Quadratmeilen auf die Bauernhöfe. Nach der soeben erwähnten Abtretung eines Theiles der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/376>, abgerufen am 23.07.2024.