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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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mit einem Sozialisten, in dem anderen der Candidat der Nationalliberalen
mit einem Sozialisten in die engere Wahl kam. Außerdem ergab es sich, daß
die liberalen Parteien gleich stark seien und die Sozialisten es in beiden Wahl¬
kreiseil auf 8629 Stimmen (gegen 3703 im Jahre 1874) gebracht hatten. Bei
den Stichwahlen gingen die liberalen Parteien geeinigt vor und siegten, trotz¬
dem die Ultramontanen sich mit den Sozialdemokraten verbunden hatten. Im
Wahlkreise Reichenbach - Nenrvde hatten im Jahre 1874 erhalten: der
Candidat der nationalliberalen Partei 4645 Stimmen, der der ultra¬
montanen Partei 4685 Stimmen, der der Sozialdemokraten 4703
Stimmen. Es kam damals zur engeren Wahl zwischen Nationalliberalen und
Ultramontanen, die ersteren siegten. Bei der diesjährigen Wahl erhielten: der
liberale Candidat 4445, der ultramontane 4812, der sozialistische
5829, der conservative 1027 Stimmen. Es kam demnach zur engeren
Wahl zwischen Ultra mondänen und Sozialisten. Die liberale Partei
sah sich durch diese Thatsache veranlaßt, sich der Abstimmung bei der Stich¬
wahl zu enthalten, und der Candidat der Sozialdemokraten (Kapell-
Hamburg) trug den Sieg davon.

Im Regierungsbezirk Liegnitz veränderte sich der Besitzstand dadurch,
daß die Fortschrittspartei einen Sitz an die Nationalliberalen verlor, der
Wahlkreis wählte in Folge dessen 8 Nationalliberale, 1 Fortschrittsmann,
1 Conservativen. Der Wahlkreis Görlitz-Lauban war seit dem Jahre
1871 im Besitze der Fortschrittspartei, im Jahre 1874 hatte ihr Candidat mit
5017 Stimmen gegen 2656 nationalliberale Stimmen gesiegt, bei den dies¬
jährigen Wahlen erhielt der Fortschrittsmann nur noch 1899 Stimmen gegen
3768 nativnalliberale und 4971 freieonservative Stimmen. Zwischen den beiden
letzten Parteien kam es zur Stichwahl, vor welcher der freieonservative Candidat
sich ebenfalls als nationalliberal entpuppte, sodaß eine Stichwahl zwischen
zwei Nationalliberalen stattfand. Gewählt wurde Dr. Grvthe-Berlin (Schutz-
zöllner).

Die Betheiligung bei deu Wahlen war eine außergewöhnlich rege, be¬
sonders bei deu Stichwahleu. In einzelnen Wahlkreisen stimmten bis 85 "/<>,
in einzelnen Orten 100 <>/o der Wähler. Das Gesammtresnltat für Schlesien
ergiebt in 35 Wahlkreisen: 10 Nationalliberale, 2 Fortschrittler,
7 Mitglieder der deutschen Reichspartei, 13 Ultramontane, 2 Con¬
servative, 1 Sozialdemokrat.


Oskar Klaußmann.


mit einem Sozialisten, in dem anderen der Candidat der Nationalliberalen
mit einem Sozialisten in die engere Wahl kam. Außerdem ergab es sich, daß
die liberalen Parteien gleich stark seien und die Sozialisten es in beiden Wahl¬
kreiseil auf 8629 Stimmen (gegen 3703 im Jahre 1874) gebracht hatten. Bei
den Stichwahlen gingen die liberalen Parteien geeinigt vor und siegten, trotz¬
dem die Ultramontanen sich mit den Sozialdemokraten verbunden hatten. Im
Wahlkreise Reichenbach - Nenrvde hatten im Jahre 1874 erhalten: der
Candidat der nationalliberalen Partei 4645 Stimmen, der der ultra¬
montanen Partei 4685 Stimmen, der der Sozialdemokraten 4703
Stimmen. Es kam damals zur engeren Wahl zwischen Nationalliberalen und
Ultramontanen, die ersteren siegten. Bei der diesjährigen Wahl erhielten: der
liberale Candidat 4445, der ultramontane 4812, der sozialistische
5829, der conservative 1027 Stimmen. Es kam demnach zur engeren
Wahl zwischen Ultra mondänen und Sozialisten. Die liberale Partei
sah sich durch diese Thatsache veranlaßt, sich der Abstimmung bei der Stich¬
wahl zu enthalten, und der Candidat der Sozialdemokraten (Kapell-
Hamburg) trug den Sieg davon.

Im Regierungsbezirk Liegnitz veränderte sich der Besitzstand dadurch,
daß die Fortschrittspartei einen Sitz an die Nationalliberalen verlor, der
Wahlkreis wählte in Folge dessen 8 Nationalliberale, 1 Fortschrittsmann,
1 Conservativen. Der Wahlkreis Görlitz-Lauban war seit dem Jahre
1871 im Besitze der Fortschrittspartei, im Jahre 1874 hatte ihr Candidat mit
5017 Stimmen gegen 2656 nationalliberale Stimmen gesiegt, bei den dies¬
jährigen Wahlen erhielt der Fortschrittsmann nur noch 1899 Stimmen gegen
3768 nativnalliberale und 4971 freieonservative Stimmen. Zwischen den beiden
letzten Parteien kam es zur Stichwahl, vor welcher der freieonservative Candidat
sich ebenfalls als nationalliberal entpuppte, sodaß eine Stichwahl zwischen
zwei Nationalliberalen stattfand. Gewählt wurde Dr. Grvthe-Berlin (Schutz-
zöllner).

Die Betheiligung bei deu Wahlen war eine außergewöhnlich rege, be¬
sonders bei deu Stichwahleu. In einzelnen Wahlkreisen stimmten bis 85 "/<>,
in einzelnen Orten 100 <>/o der Wähler. Das Gesammtresnltat für Schlesien
ergiebt in 35 Wahlkreisen: 10 Nationalliberale, 2 Fortschrittler,
7 Mitglieder der deutschen Reichspartei, 13 Ultramontane, 2 Con¬
servative, 1 Sozialdemokrat.


Oskar Klaußmann.


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[0285] mit einem Sozialisten, in dem anderen der Candidat der Nationalliberalen mit einem Sozialisten in die engere Wahl kam. Außerdem ergab es sich, daß die liberalen Parteien gleich stark seien und die Sozialisten es in beiden Wahl¬ kreiseil auf 8629 Stimmen (gegen 3703 im Jahre 1874) gebracht hatten. Bei den Stichwahlen gingen die liberalen Parteien geeinigt vor und siegten, trotz¬ dem die Ultramontanen sich mit den Sozialdemokraten verbunden hatten. Im Wahlkreise Reichenbach - Nenrvde hatten im Jahre 1874 erhalten: der Candidat der nationalliberalen Partei 4645 Stimmen, der der ultra¬ montanen Partei 4685 Stimmen, der der Sozialdemokraten 4703 Stimmen. Es kam damals zur engeren Wahl zwischen Nationalliberalen und Ultramontanen, die ersteren siegten. Bei der diesjährigen Wahl erhielten: der liberale Candidat 4445, der ultramontane 4812, der sozialistische 5829, der conservative 1027 Stimmen. Es kam demnach zur engeren Wahl zwischen Ultra mondänen und Sozialisten. Die liberale Partei sah sich durch diese Thatsache veranlaßt, sich der Abstimmung bei der Stich¬ wahl zu enthalten, und der Candidat der Sozialdemokraten (Kapell- Hamburg) trug den Sieg davon. Im Regierungsbezirk Liegnitz veränderte sich der Besitzstand dadurch, daß die Fortschrittspartei einen Sitz an die Nationalliberalen verlor, der Wahlkreis wählte in Folge dessen 8 Nationalliberale, 1 Fortschrittsmann, 1 Conservativen. Der Wahlkreis Görlitz-Lauban war seit dem Jahre 1871 im Besitze der Fortschrittspartei, im Jahre 1874 hatte ihr Candidat mit 5017 Stimmen gegen 2656 nationalliberale Stimmen gesiegt, bei den dies¬ jährigen Wahlen erhielt der Fortschrittsmann nur noch 1899 Stimmen gegen 3768 nativnalliberale und 4971 freieonservative Stimmen. Zwischen den beiden letzten Parteien kam es zur Stichwahl, vor welcher der freieonservative Candidat sich ebenfalls als nationalliberal entpuppte, sodaß eine Stichwahl zwischen zwei Nationalliberalen stattfand. Gewählt wurde Dr. Grvthe-Berlin (Schutz- zöllner). Die Betheiligung bei deu Wahlen war eine außergewöhnlich rege, be¬ sonders bei deu Stichwahleu. In einzelnen Wahlkreisen stimmten bis 85 "/<>, in einzelnen Orten 100 <>/o der Wähler. Das Gesammtresnltat für Schlesien ergiebt in 35 Wahlkreisen: 10 Nationalliberale, 2 Fortschrittler, 7 Mitglieder der deutschen Reichspartei, 13 Ultramontane, 2 Con¬ servative, 1 Sozialdemokrat. Oskar Klaußmann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/285>, abgerufen am 21.06.2024.