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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Corps. Es sei hier bemerkt, daß der englische Soldat in Indien Z'/z Mal
soviel kostet, als der einheimische.

Zu einer richtigen Beurtheilung des englischen Machtverhältnisses ist es
nöthig, außer dem direct unterworfenen Territorium auch die darin einge¬
schlossenen Staaten unter eingebornen Fürsten in Betracht zu ziehen.
Diese, 148 an der Zahl mit 59 Millionen Einwohnern, nehmen etwa 2/5 d er
Gesammtfläche Indiens ein.

Eingebornen-Staaten^) sind innerhalb sämmtlicher britischer Ver-
waltungsbezirke vorhanden, theils verstreut, theils in großen Komplexen. Ein
solcher Staat ist im Nord-Westen Kaschmir, dann der Staaten-Complex
Radschpntana und daran unmittelbar südlich anschließend Central-In¬
dien.^) Die größten Staaten sind in der Mitte Indiens des Nisams
Reich oder Haidarabad, in der Größe Italiens, und im Süden Maisur,
von der Größe Bayerns. In allen Eingebornen-Staaten befinden sich eng¬
lische politische Agenten, die mehr oder weniger Einfluß auf die Verwal¬
tung ausüben. Ans Grund ihrer Berichte werden in den jährlichen Blau-
büchern den Fürsten geradezu Censuren über ihr Verhalten gegen die Regie¬
rung und ihre Kulturbestrebnngen ertheilt. Das 1876 erschienene Blaubuch
spricht sich in dieser Beziehung sehr günstig aus und constatirt überall Hebung
der geistigen und materiellen Kultur. Einige der Eingebornen-Staaten zahlen
Tribut, andere stellen, wie schon erwähnt, Truppen-Contingente, welche der Re¬
quisition der englischen Regierung Folge leisten müssen, noch andere haben
Land abgetreten. Als Gegenleistung hat England den Schutz dieser
Staaten uach Innen und Außen übernommen. Die englische Regierung
ergreift jede Gelegenheit, selbst die Verwaltung in die Hand zu nehmen.
Ueberall aber sucht sie die Staaten dadurch in ihr Interesse zu ziehen, daß sie
die eingebornen Fürsten zur Betheiligung an Eisenbahn-, Bewässerungs- und
anderen gemeinschaftlichen Anlagen veranlaßt. Der Staat Maisur wird
während der Minderjährigkeit des Fürsten, der unter englischer Aufsicht er¬
zogen wird, von einem otiiot Commission^ regiert und zur Zeit ganz als eng¬
lische Provinz betrachtet. Berar,früherznHaidarabadgehörig, kam wegen Schulden
unter englische Verwaltung. Haidarabad oder des Nisams Reich wird
während der Minderjährigkeit des Nisams allerdings von dem einheimischen
Premier-Minister Sir Salar Jung verwaltet; doch ist Sir Salar Jung,
wie schon bemerkt, ein ganz der englischen Krone ergebener Mann. England
weiß seine Verdienste sehr wohl anzuerkennen -- ein äußerst sympathischer Em-




2') Nittivv "tkttvs,
2S) Die größten dieser Staaten in Central-Indien sind Gwalior und Indore. Der
Größe und Bedeutung nach folgt Baroda auf Gwalior.

Corps. Es sei hier bemerkt, daß der englische Soldat in Indien Z'/z Mal
soviel kostet, als der einheimische.

Zu einer richtigen Beurtheilung des englischen Machtverhältnisses ist es
nöthig, außer dem direct unterworfenen Territorium auch die darin einge¬
schlossenen Staaten unter eingebornen Fürsten in Betracht zu ziehen.
Diese, 148 an der Zahl mit 59 Millionen Einwohnern, nehmen etwa 2/5 d er
Gesammtfläche Indiens ein.

Eingebornen-Staaten^) sind innerhalb sämmtlicher britischer Ver-
waltungsbezirke vorhanden, theils verstreut, theils in großen Komplexen. Ein
solcher Staat ist im Nord-Westen Kaschmir, dann der Staaten-Complex
Radschpntana und daran unmittelbar südlich anschließend Central-In¬
dien.^) Die größten Staaten sind in der Mitte Indiens des Nisams
Reich oder Haidarabad, in der Größe Italiens, und im Süden Maisur,
von der Größe Bayerns. In allen Eingebornen-Staaten befinden sich eng¬
lische politische Agenten, die mehr oder weniger Einfluß auf die Verwal¬
tung ausüben. Ans Grund ihrer Berichte werden in den jährlichen Blau-
büchern den Fürsten geradezu Censuren über ihr Verhalten gegen die Regie¬
rung und ihre Kulturbestrebnngen ertheilt. Das 1876 erschienene Blaubuch
spricht sich in dieser Beziehung sehr günstig aus und constatirt überall Hebung
der geistigen und materiellen Kultur. Einige der Eingebornen-Staaten zahlen
Tribut, andere stellen, wie schon erwähnt, Truppen-Contingente, welche der Re¬
quisition der englischen Regierung Folge leisten müssen, noch andere haben
Land abgetreten. Als Gegenleistung hat England den Schutz dieser
Staaten uach Innen und Außen übernommen. Die englische Regierung
ergreift jede Gelegenheit, selbst die Verwaltung in die Hand zu nehmen.
Ueberall aber sucht sie die Staaten dadurch in ihr Interesse zu ziehen, daß sie
die eingebornen Fürsten zur Betheiligung an Eisenbahn-, Bewässerungs- und
anderen gemeinschaftlichen Anlagen veranlaßt. Der Staat Maisur wird
während der Minderjährigkeit des Fürsten, der unter englischer Aufsicht er¬
zogen wird, von einem otiiot Commission^ regiert und zur Zeit ganz als eng¬
lische Provinz betrachtet. Berar,früherznHaidarabadgehörig, kam wegen Schulden
unter englische Verwaltung. Haidarabad oder des Nisams Reich wird
während der Minderjährigkeit des Nisams allerdings von dem einheimischen
Premier-Minister Sir Salar Jung verwaltet; doch ist Sir Salar Jung,
wie schon bemerkt, ein ganz der englischen Krone ergebener Mann. England
weiß seine Verdienste sehr wohl anzuerkennen — ein äußerst sympathischer Em-




2') Nittivv «tkttvs,
2S) Die größten dieser Staaten in Central-Indien sind Gwalior und Indore. Der
Größe und Bedeutung nach folgt Baroda auf Gwalior.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/252>, abgerufen am 23.07.2024.