Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Gegner, und Ränke und Verleumdungen derselben bewirkten, daß er
1558 nach Goa zurückberufen wurde, um sich über seine Amtsführung zu ver¬
antworten. Auf der Reise dahin litt er an den Ufer des Mäkhaun in Cam-
bodja Schiffbruch, bei dem er nichrs rettete, als das Manuscript der bis
dahin vollendeten sechs ersten Gesänge seiner Lusiaden -- allerdings das
Höchste, was er besaß, seine Unsterblichkeit und das hohe Lied des portugiesi¬
schen Namens.

In Goa erwartete ihn das Gefängniß, die Nachricht, daß Catharina de
Athaide gestorben, und die Kunde, daß sein Vater verbannt worden sei. Im
Kerker suchte er Trost in der Poesie, und so entstanden hier zahlreiche kleine
Gedichte, von denen wir nur dessen, welches er auf die verstorbene Geliebte,
und dessen, welches er auf den inzwischen ebenfalls erfolgten Tod des Königs
Johann dichtete, erwähnen. Der neue Vicekönig Constantino de Brciganza
setzte Camoens in Freiheit, der nun den ihn hierzu beglückwünschenden Freun¬
den ein Bankett gab, bei welchem jeder Teller an Stelle eines Gerichts ein
Gedicht enthielt.

Von 1558 an lebte Camoens nun unter wechselnden Schicksalen zu Goa.
Der Nachfolger de Bragcmzas, der Graf de Redondo, war ihm günstig gesinnt,
verwendete ihn zu verschiedenen Geschäften und befreite ihn einmal aus dem
Schnldgefängniß, in das ihn ein harter Gläubiger, der Ritter Coutinho, hatte
setzen lassen. Geachtet und geehrt, wenn auch immer in ärmlichen Verhält¬
nissen, konnte der Dichter einer besseren Zukunft entgegen sehen, als der Vice¬
könig, sein Gönner, 1564 starb, und nun die dunkelste Periode im Leben des
Dichters begann. Er reiste zunächst nach Malacka und den Molucken und
kam dann nach Goa zurück, wo sich wieder Aussicht auf Verbesserung seiner
Lage zeigte, indem ihm der neue Statthalter die Factorei von Chani, die jähr¬
lich 100,000 Reis trug, versprach. Während er auf Erledigung dieses Postens
wartete, sammelte er eine Anzahl seiner Poesien unter dem Titel "Parnaso".
Als sich seine Anstellung verzögerte, erwachte in ihm die Sehnsucht nach der
Heimath, und als Pedro Bareto 1567 mit einem Schiffe dahin abging, schloß
er sich ihm an. Bald indeß verwandelte sich die Freundlichkeit Baretos in
heftigen Haß, der seine Ursache in gewissen Gedichten des allerdings oft un¬
vorsichtigen Poeten gehabt zu haben scheint, und so setzte jener Camoens in
Mozambique aus. Hier verlebte dieser zwei Jahre in der bittersten Noth, in
der ihn nur die Barmherzigkeit von Freunden vor dem Hungertode und gänz¬
licher Entblößung bewahrte, in welcher es ihm aber doch möglich wurde, seine
Lusiaden für den Druck zu vollenden. Jene Freunde ermöglichten ihm auch
endlich die Rückkehr in das Vaterland, wo er am 7. April 1570 nach siebzehn¬
jähriger Abwesenheit wieder eintraf.


seiner Gegner, und Ränke und Verleumdungen derselben bewirkten, daß er
1558 nach Goa zurückberufen wurde, um sich über seine Amtsführung zu ver¬
antworten. Auf der Reise dahin litt er an den Ufer des Mäkhaun in Cam-
bodja Schiffbruch, bei dem er nichrs rettete, als das Manuscript der bis
dahin vollendeten sechs ersten Gesänge seiner Lusiaden — allerdings das
Höchste, was er besaß, seine Unsterblichkeit und das hohe Lied des portugiesi¬
schen Namens.

In Goa erwartete ihn das Gefängniß, die Nachricht, daß Catharina de
Athaide gestorben, und die Kunde, daß sein Vater verbannt worden sei. Im
Kerker suchte er Trost in der Poesie, und so entstanden hier zahlreiche kleine
Gedichte, von denen wir nur dessen, welches er auf die verstorbene Geliebte,
und dessen, welches er auf den inzwischen ebenfalls erfolgten Tod des Königs
Johann dichtete, erwähnen. Der neue Vicekönig Constantino de Brciganza
setzte Camoens in Freiheit, der nun den ihn hierzu beglückwünschenden Freun¬
den ein Bankett gab, bei welchem jeder Teller an Stelle eines Gerichts ein
Gedicht enthielt.

Von 1558 an lebte Camoens nun unter wechselnden Schicksalen zu Goa.
Der Nachfolger de Bragcmzas, der Graf de Redondo, war ihm günstig gesinnt,
verwendete ihn zu verschiedenen Geschäften und befreite ihn einmal aus dem
Schnldgefängniß, in das ihn ein harter Gläubiger, der Ritter Coutinho, hatte
setzen lassen. Geachtet und geehrt, wenn auch immer in ärmlichen Verhält¬
nissen, konnte der Dichter einer besseren Zukunft entgegen sehen, als der Vice¬
könig, sein Gönner, 1564 starb, und nun die dunkelste Periode im Leben des
Dichters begann. Er reiste zunächst nach Malacka und den Molucken und
kam dann nach Goa zurück, wo sich wieder Aussicht auf Verbesserung seiner
Lage zeigte, indem ihm der neue Statthalter die Factorei von Chani, die jähr¬
lich 100,000 Reis trug, versprach. Während er auf Erledigung dieses Postens
wartete, sammelte er eine Anzahl seiner Poesien unter dem Titel „Parnaso".
Als sich seine Anstellung verzögerte, erwachte in ihm die Sehnsucht nach der
Heimath, und als Pedro Bareto 1567 mit einem Schiffe dahin abging, schloß
er sich ihm an. Bald indeß verwandelte sich die Freundlichkeit Baretos in
heftigen Haß, der seine Ursache in gewissen Gedichten des allerdings oft un¬
vorsichtigen Poeten gehabt zu haben scheint, und so setzte jener Camoens in
Mozambique aus. Hier verlebte dieser zwei Jahre in der bittersten Noth, in
der ihn nur die Barmherzigkeit von Freunden vor dem Hungertode und gänz¬
licher Entblößung bewahrte, in welcher es ihm aber doch möglich wurde, seine
Lusiaden für den Druck zu vollenden. Jene Freunde ermöglichten ihm auch
endlich die Rückkehr in das Vaterland, wo er am 7. April 1570 nach siebzehn¬
jähriger Abwesenheit wieder eintraf.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137355"/>
          <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624"> seiner Gegner, und Ränke und Verleumdungen derselben bewirkten, daß er<lb/>
1558 nach Goa zurückberufen wurde, um sich über seine Amtsführung zu ver¬<lb/>
antworten. Auf der Reise dahin litt er an den Ufer des Mäkhaun in Cam-<lb/>
bodja Schiffbruch, bei dem er nichrs rettete, als das Manuscript der bis<lb/>
dahin vollendeten sechs ersten Gesänge seiner Lusiaden &#x2014; allerdings das<lb/>
Höchste, was er besaß, seine Unsterblichkeit und das hohe Lied des portugiesi¬<lb/>
schen Namens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_626"> In Goa erwartete ihn das Gefängniß, die Nachricht, daß Catharina de<lb/>
Athaide gestorben, und die Kunde, daß sein Vater verbannt worden sei. Im<lb/>
Kerker suchte er Trost in der Poesie, und so entstanden hier zahlreiche kleine<lb/>
Gedichte, von denen wir nur dessen, welches er auf die verstorbene Geliebte,<lb/>
und dessen, welches er auf den inzwischen ebenfalls erfolgten Tod des Königs<lb/>
Johann dichtete, erwähnen. Der neue Vicekönig Constantino de Brciganza<lb/>
setzte Camoens in Freiheit, der nun den ihn hierzu beglückwünschenden Freun¬<lb/>
den ein Bankett gab, bei welchem jeder Teller an Stelle eines Gerichts ein<lb/>
Gedicht enthielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_627"> Von 1558 an lebte Camoens nun unter wechselnden Schicksalen zu Goa.<lb/>
Der Nachfolger de Bragcmzas, der Graf de Redondo, war ihm günstig gesinnt,<lb/>
verwendete ihn zu verschiedenen Geschäften und befreite ihn einmal aus dem<lb/>
Schnldgefängniß, in das ihn ein harter Gläubiger, der Ritter Coutinho, hatte<lb/>
setzen lassen. Geachtet und geehrt, wenn auch immer in ärmlichen Verhält¬<lb/>
nissen, konnte der Dichter einer besseren Zukunft entgegen sehen, als der Vice¬<lb/>
könig, sein Gönner, 1564 starb, und nun die dunkelste Periode im Leben des<lb/>
Dichters begann. Er reiste zunächst nach Malacka und den Molucken und<lb/>
kam dann nach Goa zurück, wo sich wieder Aussicht auf Verbesserung seiner<lb/>
Lage zeigte, indem ihm der neue Statthalter die Factorei von Chani, die jähr¬<lb/>
lich 100,000 Reis trug, versprach. Während er auf Erledigung dieses Postens<lb/>
wartete, sammelte er eine Anzahl seiner Poesien unter dem Titel &#x201E;Parnaso".<lb/>
Als sich seine Anstellung verzögerte, erwachte in ihm die Sehnsucht nach der<lb/>
Heimath, und als Pedro Bareto 1567 mit einem Schiffe dahin abging, schloß<lb/>
er sich ihm an. Bald indeß verwandelte sich die Freundlichkeit Baretos in<lb/>
heftigen Haß, der seine Ursache in gewissen Gedichten des allerdings oft un¬<lb/>
vorsichtigen Poeten gehabt zu haben scheint, und so setzte jener Camoens in<lb/>
Mozambique aus. Hier verlebte dieser zwei Jahre in der bittersten Noth, in<lb/>
der ihn nur die Barmherzigkeit von Freunden vor dem Hungertode und gänz¬<lb/>
licher Entblößung bewahrte, in welcher es ihm aber doch möglich wurde, seine<lb/>
Lusiaden für den Druck zu vollenden. Jene Freunde ermöglichten ihm auch<lb/>
endlich die Rückkehr in das Vaterland, wo er am 7. April 1570 nach siebzehn¬<lb/>
jähriger Abwesenheit wieder eintraf.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0182] seiner Gegner, und Ränke und Verleumdungen derselben bewirkten, daß er 1558 nach Goa zurückberufen wurde, um sich über seine Amtsführung zu ver¬ antworten. Auf der Reise dahin litt er an den Ufer des Mäkhaun in Cam- bodja Schiffbruch, bei dem er nichrs rettete, als das Manuscript der bis dahin vollendeten sechs ersten Gesänge seiner Lusiaden — allerdings das Höchste, was er besaß, seine Unsterblichkeit und das hohe Lied des portugiesi¬ schen Namens. In Goa erwartete ihn das Gefängniß, die Nachricht, daß Catharina de Athaide gestorben, und die Kunde, daß sein Vater verbannt worden sei. Im Kerker suchte er Trost in der Poesie, und so entstanden hier zahlreiche kleine Gedichte, von denen wir nur dessen, welches er auf die verstorbene Geliebte, und dessen, welches er auf den inzwischen ebenfalls erfolgten Tod des Königs Johann dichtete, erwähnen. Der neue Vicekönig Constantino de Brciganza setzte Camoens in Freiheit, der nun den ihn hierzu beglückwünschenden Freun¬ den ein Bankett gab, bei welchem jeder Teller an Stelle eines Gerichts ein Gedicht enthielt. Von 1558 an lebte Camoens nun unter wechselnden Schicksalen zu Goa. Der Nachfolger de Bragcmzas, der Graf de Redondo, war ihm günstig gesinnt, verwendete ihn zu verschiedenen Geschäften und befreite ihn einmal aus dem Schnldgefängniß, in das ihn ein harter Gläubiger, der Ritter Coutinho, hatte setzen lassen. Geachtet und geehrt, wenn auch immer in ärmlichen Verhält¬ nissen, konnte der Dichter einer besseren Zukunft entgegen sehen, als der Vice¬ könig, sein Gönner, 1564 starb, und nun die dunkelste Periode im Leben des Dichters begann. Er reiste zunächst nach Malacka und den Molucken und kam dann nach Goa zurück, wo sich wieder Aussicht auf Verbesserung seiner Lage zeigte, indem ihm der neue Statthalter die Factorei von Chani, die jähr¬ lich 100,000 Reis trug, versprach. Während er auf Erledigung dieses Postens wartete, sammelte er eine Anzahl seiner Poesien unter dem Titel „Parnaso". Als sich seine Anstellung verzögerte, erwachte in ihm die Sehnsucht nach der Heimath, und als Pedro Bareto 1567 mit einem Schiffe dahin abging, schloß er sich ihm an. Bald indeß verwandelte sich die Freundlichkeit Baretos in heftigen Haß, der seine Ursache in gewissen Gedichten des allerdings oft un¬ vorsichtigen Poeten gehabt zu haben scheint, und so setzte jener Camoens in Mozambique aus. Hier verlebte dieser zwei Jahre in der bittersten Noth, in der ihn nur die Barmherzigkeit von Freunden vor dem Hungertode und gänz¬ licher Entblößung bewahrte, in welcher es ihm aber doch möglich wurde, seine Lusiaden für den Druck zu vollenden. Jene Freunde ermöglichten ihm auch endlich die Rückkehr in das Vaterland, wo er am 7. April 1570 nach siebzehn¬ jähriger Abwesenheit wieder eintraf.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/182
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/182>, abgerufen am 23.07.2024.