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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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wird, steht im auffallendsten Contraste zu der Gediegenheit des sonstigen In¬
halts der Lepsius'scheu Zeitschrift. Da wird das eine Mal eine wilde ver¬
wegene Jagd unter den Schäfern von Urru und den Oberschäfern von Nippur
nach Nimrod angestellt, endlich wird er in dem Hammurabi der Inschriften
gefunden und mit ihn: zugleich Amraphel von Sinear, der Unterkönig des Kedor
Laomor; denn -- Amraphel ist ein AlloPhon von Nimrod, wie klärlich aus
dem Targum Jonathans bewiesen wird. Ein andres Mal wird Nabonassar,
der die Königsreihe des ptolemäischen Kanon eröffnet, deshalb, weil er auf den
Inschriften noch nicht wiedergefunden worden ist, 'einfach aus der Geschichte
gestrichen. Hier wieder wagt sich in einer Anmerkung die verschämte Vermuth¬
ung hervor, daß der Name des alten Tobias*) in einer Urkunde des Jahres
717 enthalten sein könne, und dort werden die Gull der assyrischen Inschriften
für -- die Gothen erklärt**), die damals in Armenien gewohnt hätten, sie,
welche die nordische Sage anch als Asen kennt, neben den am Wan-See hausen¬
den Banen, und so ist es kein Wunder, daß auch die akkadische Mythologie in
der Edda sich wiederfindet: Freia ist keine andere als Istar. Ein andrer Ge¬
lehrter läßt das Schwarze Meer im Jahre 715, also sechzig Jahre vor den
frühesten authentischen griechischen Colonialgründungen daselbst, "von dem zahl¬
reichen Kranze griechischer Colonien" von den Assyrern das griechische Meer
genannt werden, findet den Ambaridi der assyrischen Inschriften in dem Namen
des Colonialgründers Ambrontas, der längst richtig in ^5 verbessert
worden ist, und das Usnanis der Inschriften in dem angeblichen zweiten
Namen von Trapezunt <M^s wieder, der ebenfalls verdorben sein wird, in
dessen Amiant aber anch Anfänger im Griechischen eine abgeleitete Feminin¬
endung und etwas erkennen werden, was nicht zum Körper des Wortes gehört:
das inschriftliche tznrri endlich, welches Sargon erobert hat, versetzt er an den
Tyras und combinirt es mit "l^roh, eolonia. Mosnieium", die der Ignoranz
Ammians ihren Ursprung verdankt. Natürlich ist das griechische Tyras gemeint.
Man sieht, diesen Vorfechtern der Assyriologie ist, so rasch sie auch bei der
Hand sind, Herodot und ähnliche wirkliche Quellen zu größerer Ehre ihrer
neuen Wissenschaft unter das alte Eisen zu werfen, kein Zeugniß des Alter¬
thums spät oder schlecht genug, um nicht dem, was sie in die assyrischen In¬
schriften hineinlesen, als Stütze zu dienen."

Unsere Schrift führt noch einige erbauliche Beispiele solcher Faseleien an
und führt dann fort: "Bei einem Stande der Assyriologie, wo nach Schraders
eigenem Geständniß in den Syllabaren ein ungeheures Material noch brach liegt,




") Das Buch von ihm ist bekanntlich ein Roman.
") Ungefähr, wie Schelling die Ncphilim der Genesis für die NibelnnaM hielt.

wird, steht im auffallendsten Contraste zu der Gediegenheit des sonstigen In¬
halts der Lepsius'scheu Zeitschrift. Da wird das eine Mal eine wilde ver¬
wegene Jagd unter den Schäfern von Urru und den Oberschäfern von Nippur
nach Nimrod angestellt, endlich wird er in dem Hammurabi der Inschriften
gefunden und mit ihn: zugleich Amraphel von Sinear, der Unterkönig des Kedor
Laomor; denn — Amraphel ist ein AlloPhon von Nimrod, wie klärlich aus
dem Targum Jonathans bewiesen wird. Ein andres Mal wird Nabonassar,
der die Königsreihe des ptolemäischen Kanon eröffnet, deshalb, weil er auf den
Inschriften noch nicht wiedergefunden worden ist, 'einfach aus der Geschichte
gestrichen. Hier wieder wagt sich in einer Anmerkung die verschämte Vermuth¬
ung hervor, daß der Name des alten Tobias*) in einer Urkunde des Jahres
717 enthalten sein könne, und dort werden die Gull der assyrischen Inschriften
für — die Gothen erklärt**), die damals in Armenien gewohnt hätten, sie,
welche die nordische Sage anch als Asen kennt, neben den am Wan-See hausen¬
den Banen, und so ist es kein Wunder, daß auch die akkadische Mythologie in
der Edda sich wiederfindet: Freia ist keine andere als Istar. Ein andrer Ge¬
lehrter läßt das Schwarze Meer im Jahre 715, also sechzig Jahre vor den
frühesten authentischen griechischen Colonialgründungen daselbst, „von dem zahl¬
reichen Kranze griechischer Colonien" von den Assyrern das griechische Meer
genannt werden, findet den Ambaridi der assyrischen Inschriften in dem Namen
des Colonialgründers Ambrontas, der längst richtig in ^5 verbessert
worden ist, und das Usnanis der Inschriften in dem angeblichen zweiten
Namen von Trapezunt <M^s wieder, der ebenfalls verdorben sein wird, in
dessen Amiant aber anch Anfänger im Griechischen eine abgeleitete Feminin¬
endung und etwas erkennen werden, was nicht zum Körper des Wortes gehört:
das inschriftliche tznrri endlich, welches Sargon erobert hat, versetzt er an den
Tyras und combinirt es mit «l^roh, eolonia. Mosnieium», die der Ignoranz
Ammians ihren Ursprung verdankt. Natürlich ist das griechische Tyras gemeint.
Man sieht, diesen Vorfechtern der Assyriologie ist, so rasch sie auch bei der
Hand sind, Herodot und ähnliche wirkliche Quellen zu größerer Ehre ihrer
neuen Wissenschaft unter das alte Eisen zu werfen, kein Zeugniß des Alter¬
thums spät oder schlecht genug, um nicht dem, was sie in die assyrischen In¬
schriften hineinlesen, als Stütze zu dienen."

Unsere Schrift führt noch einige erbauliche Beispiele solcher Faseleien an
und führt dann fort: „Bei einem Stande der Assyriologie, wo nach Schraders
eigenem Geständniß in den Syllabaren ein ungeheures Material noch brach liegt,




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") Ungefähr, wie Schelling die Ncphilim der Genesis für die NibelnnaM hielt.
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[0143] wird, steht im auffallendsten Contraste zu der Gediegenheit des sonstigen In¬ halts der Lepsius'scheu Zeitschrift. Da wird das eine Mal eine wilde ver¬ wegene Jagd unter den Schäfern von Urru und den Oberschäfern von Nippur nach Nimrod angestellt, endlich wird er in dem Hammurabi der Inschriften gefunden und mit ihn: zugleich Amraphel von Sinear, der Unterkönig des Kedor Laomor; denn — Amraphel ist ein AlloPhon von Nimrod, wie klärlich aus dem Targum Jonathans bewiesen wird. Ein andres Mal wird Nabonassar, der die Königsreihe des ptolemäischen Kanon eröffnet, deshalb, weil er auf den Inschriften noch nicht wiedergefunden worden ist, 'einfach aus der Geschichte gestrichen. Hier wieder wagt sich in einer Anmerkung die verschämte Vermuth¬ ung hervor, daß der Name des alten Tobias*) in einer Urkunde des Jahres 717 enthalten sein könne, und dort werden die Gull der assyrischen Inschriften für — die Gothen erklärt**), die damals in Armenien gewohnt hätten, sie, welche die nordische Sage anch als Asen kennt, neben den am Wan-See hausen¬ den Banen, und so ist es kein Wunder, daß auch die akkadische Mythologie in der Edda sich wiederfindet: Freia ist keine andere als Istar. Ein andrer Ge¬ lehrter läßt das Schwarze Meer im Jahre 715, also sechzig Jahre vor den frühesten authentischen griechischen Colonialgründungen daselbst, „von dem zahl¬ reichen Kranze griechischer Colonien" von den Assyrern das griechische Meer genannt werden, findet den Ambaridi der assyrischen Inschriften in dem Namen des Colonialgründers Ambrontas, der längst richtig in ^5 verbessert worden ist, und das Usnanis der Inschriften in dem angeblichen zweiten Namen von Trapezunt <M^s wieder, der ebenfalls verdorben sein wird, in dessen Amiant aber anch Anfänger im Griechischen eine abgeleitete Feminin¬ endung und etwas erkennen werden, was nicht zum Körper des Wortes gehört: das inschriftliche tznrri endlich, welches Sargon erobert hat, versetzt er an den Tyras und combinirt es mit «l^roh, eolonia. Mosnieium», die der Ignoranz Ammians ihren Ursprung verdankt. Natürlich ist das griechische Tyras gemeint. Man sieht, diesen Vorfechtern der Assyriologie ist, so rasch sie auch bei der Hand sind, Herodot und ähnliche wirkliche Quellen zu größerer Ehre ihrer neuen Wissenschaft unter das alte Eisen zu werfen, kein Zeugniß des Alter¬ thums spät oder schlecht genug, um nicht dem, was sie in die assyrischen In¬ schriften hineinlesen, als Stütze zu dienen." Unsere Schrift führt noch einige erbauliche Beispiele solcher Faseleien an und führt dann fort: „Bei einem Stande der Assyriologie, wo nach Schraders eigenem Geständniß in den Syllabaren ein ungeheures Material noch brach liegt, ") Das Buch von ihm ist bekanntlich ein Roman. ") Ungefähr, wie Schelling die Ncphilim der Genesis für die NibelnnaM hielt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/143>, abgerufen am 23.07.2024.