Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kürzlich an die deutsch-amerikanischen Wähler erließen, daran, daß nach diesem
Borgange zu erwarten steht, daß nach einem demokratischen Nationalsiege
die Kosten der vom Süden der Union begonnenen Rebellion in Form von
Entschädigungsansprüchen des Südens dem Norden aufgebürdet und so die
Steuerkasten ins Unendliche gesteigert werden. "Noch ist die vollziehende
Gewalt in den Händen der Republikaner", so heißt es in diesem Aufrufe,
"und trotzdem sind in dem Städtchen Hamburg in Süd-Carolina Greuel¬
thaten verübt worden, wie wir sie von Bulgarien und Bosnien lesen. Man
lasse die Demokraten in den Besitz der ganzen Regierung gelangen, man
überlasse ihnen die Controlle des öffentlichen Schatzes, den Oberbefehl über
die bewaffnete Macht, -- und wir werden Zustände erleben, wie sie vor dem
Nebellionskriege nicht schlimmer und verderblicher waren und wodurch alle
Errungenschaften dieses blutigen Krieges wieder in Frage gestellt würden."
Mit den beregten Ersatzansprüchen stimmen allerdings die von Tilden em¬
pfohlene "öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanz¬
wirthschaft" sehr schlecht zusammen. Und dabei ist es eine Thatsache, daß
die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Tilden und Hendricks,
während des Secessionskrieges stets zu den Freunden der Rebelli n gehörten,
während Hayes als Soldat der Unionsarmee tapfer für die Union kämpfte;
auch spielte der jüngst von den Demokraten im Staate New-Uork für das
Gouverneursamt aufgestellte Horatto Seymour beim Ausbruche des Bürger¬
krieges eine durchaus nicht unionsfreundltche Rolle.

In Anbetracht aller dieser Umstände dürfte Karl Schurz sich nicht im
Unrecht befinden, wenn er über die Eventualitäten der kommenden Präsidenten¬
wahl folgendes Prognostikon stellt: Im Falle des Sieges der Republikaner
ist nachstehendes Resultat zu erwarten: 1. Anwendung des ganzen verfassungs¬
mäßigen Einflusses der Executivgewalt zu Gunsten einer schleunigen Wieder¬
herstellung der Baarzahlungen und Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden
Mehrheit im Congresse; 2. Entfernung der schlechten Beamten aus dem
Staatsdienste und consequente Durchführung des von Hayes entworfenen,
vortrefflichen Civil-Dienstreform-Programms, so weit die constitutionelle Ge¬
walt des Präsidenten reicht; der öffentliche Dienst ist keine Partei-Agentur
mehr, das Beutesystem hört auf, Opposition gegen diese Reform seitens der
Beutepolitiker im ersten Congresse unter Hayes' Administration, aber Zu¬
sammenbrechen dieser Opposition bei den nächsten Congreßwahlen; 3. gewissen¬
hafte Ausführung der Gesetze, verbunden mit einer gerechten, versöhnlichen,
Eintracht und ehrliche Regierung befördernden Politik dem Süden der Union
gegenüber. Im Falle eines Sieges der demokratischen Partei ist da¬
gegen zu fürchten: 1. eine Papiergeldmajorität im Repräsentantenhause des
Congresses; Anstrengungen zu Gunsten einer Baarzahlungspolitik seitens


kürzlich an die deutsch-amerikanischen Wähler erließen, daran, daß nach diesem
Borgange zu erwarten steht, daß nach einem demokratischen Nationalsiege
die Kosten der vom Süden der Union begonnenen Rebellion in Form von
Entschädigungsansprüchen des Südens dem Norden aufgebürdet und so die
Steuerkasten ins Unendliche gesteigert werden. „Noch ist die vollziehende
Gewalt in den Händen der Republikaner", so heißt es in diesem Aufrufe,
„und trotzdem sind in dem Städtchen Hamburg in Süd-Carolina Greuel¬
thaten verübt worden, wie wir sie von Bulgarien und Bosnien lesen. Man
lasse die Demokraten in den Besitz der ganzen Regierung gelangen, man
überlasse ihnen die Controlle des öffentlichen Schatzes, den Oberbefehl über
die bewaffnete Macht, — und wir werden Zustände erleben, wie sie vor dem
Nebellionskriege nicht schlimmer und verderblicher waren und wodurch alle
Errungenschaften dieses blutigen Krieges wieder in Frage gestellt würden."
Mit den beregten Ersatzansprüchen stimmen allerdings die von Tilden em¬
pfohlene „öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanz¬
wirthschaft" sehr schlecht zusammen. Und dabei ist es eine Thatsache, daß
die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Tilden und Hendricks,
während des Secessionskrieges stets zu den Freunden der Rebelli n gehörten,
während Hayes als Soldat der Unionsarmee tapfer für die Union kämpfte;
auch spielte der jüngst von den Demokraten im Staate New-Uork für das
Gouverneursamt aufgestellte Horatto Seymour beim Ausbruche des Bürger¬
krieges eine durchaus nicht unionsfreundltche Rolle.

In Anbetracht aller dieser Umstände dürfte Karl Schurz sich nicht im
Unrecht befinden, wenn er über die Eventualitäten der kommenden Präsidenten¬
wahl folgendes Prognostikon stellt: Im Falle des Sieges der Republikaner
ist nachstehendes Resultat zu erwarten: 1. Anwendung des ganzen verfassungs¬
mäßigen Einflusses der Executivgewalt zu Gunsten einer schleunigen Wieder¬
herstellung der Baarzahlungen und Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden
Mehrheit im Congresse; 2. Entfernung der schlechten Beamten aus dem
Staatsdienste und consequente Durchführung des von Hayes entworfenen,
vortrefflichen Civil-Dienstreform-Programms, so weit die constitutionelle Ge¬
walt des Präsidenten reicht; der öffentliche Dienst ist keine Partei-Agentur
mehr, das Beutesystem hört auf, Opposition gegen diese Reform seitens der
Beutepolitiker im ersten Congresse unter Hayes' Administration, aber Zu¬
sammenbrechen dieser Opposition bei den nächsten Congreßwahlen; 3. gewissen¬
hafte Ausführung der Gesetze, verbunden mit einer gerechten, versöhnlichen,
Eintracht und ehrliche Regierung befördernden Politik dem Süden der Union
gegenüber. Im Falle eines Sieges der demokratischen Partei ist da¬
gegen zu fürchten: 1. eine Papiergeldmajorität im Repräsentantenhause des
Congresses; Anstrengungen zu Gunsten einer Baarzahlungspolitik seitens


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136679"/>
          <p xml:id="ID_94" prev="#ID_93"> kürzlich an die deutsch-amerikanischen Wähler erließen, daran, daß nach diesem<lb/>
Borgange zu erwarten steht, daß nach einem demokratischen Nationalsiege<lb/>
die Kosten der vom Süden der Union begonnenen Rebellion in Form von<lb/>
Entschädigungsansprüchen des Südens dem Norden aufgebürdet und so die<lb/>
Steuerkasten ins Unendliche gesteigert werden. &#x201E;Noch ist die vollziehende<lb/>
Gewalt in den Händen der Republikaner", so heißt es in diesem Aufrufe,<lb/>
&#x201E;und trotzdem sind in dem Städtchen Hamburg in Süd-Carolina Greuel¬<lb/>
thaten verübt worden, wie wir sie von Bulgarien und Bosnien lesen. Man<lb/>
lasse die Demokraten in den Besitz der ganzen Regierung gelangen, man<lb/>
überlasse ihnen die Controlle des öffentlichen Schatzes, den Oberbefehl über<lb/>
die bewaffnete Macht, &#x2014; und wir werden Zustände erleben, wie sie vor dem<lb/>
Nebellionskriege nicht schlimmer und verderblicher waren und wodurch alle<lb/>
Errungenschaften dieses blutigen Krieges wieder in Frage gestellt würden."<lb/>
Mit den beregten Ersatzansprüchen stimmen allerdings die von Tilden em¬<lb/>
pfohlene &#x201E;öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanz¬<lb/>
wirthschaft" sehr schlecht zusammen. Und dabei ist es eine Thatsache, daß<lb/>
die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Tilden und Hendricks,<lb/>
während des Secessionskrieges stets zu den Freunden der Rebelli n gehörten,<lb/>
während Hayes als Soldat der Unionsarmee tapfer für die Union kämpfte;<lb/>
auch spielte der jüngst von den Demokraten im Staate New-Uork für das<lb/>
Gouverneursamt aufgestellte Horatto Seymour beim Ausbruche des Bürger¬<lb/>
krieges eine durchaus nicht unionsfreundltche Rolle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_95" next="#ID_96"> In Anbetracht aller dieser Umstände dürfte Karl Schurz sich nicht im<lb/>
Unrecht befinden, wenn er über die Eventualitäten der kommenden Präsidenten¬<lb/>
wahl folgendes Prognostikon stellt: Im Falle des Sieges der Republikaner<lb/>
ist nachstehendes Resultat zu erwarten: 1. Anwendung des ganzen verfassungs¬<lb/>
mäßigen Einflusses der Executivgewalt zu Gunsten einer schleunigen Wieder¬<lb/>
herstellung der Baarzahlungen und Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden<lb/>
Mehrheit im Congresse; 2. Entfernung der schlechten Beamten aus dem<lb/>
Staatsdienste und consequente Durchführung des von Hayes entworfenen,<lb/>
vortrefflichen Civil-Dienstreform-Programms, so weit die constitutionelle Ge¬<lb/>
walt des Präsidenten reicht; der öffentliche Dienst ist keine Partei-Agentur<lb/>
mehr, das Beutesystem hört auf, Opposition gegen diese Reform seitens der<lb/>
Beutepolitiker im ersten Congresse unter Hayes' Administration, aber Zu¬<lb/>
sammenbrechen dieser Opposition bei den nächsten Congreßwahlen; 3. gewissen¬<lb/>
hafte Ausführung der Gesetze, verbunden mit einer gerechten, versöhnlichen,<lb/>
Eintracht und ehrliche Regierung befördernden Politik dem Süden der Union<lb/>
gegenüber. Im Falle eines Sieges der demokratischen Partei ist da¬<lb/>
gegen zu fürchten: 1. eine Papiergeldmajorität im Repräsentantenhause des<lb/>
Congresses; Anstrengungen zu Gunsten einer  Baarzahlungspolitik seitens</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] kürzlich an die deutsch-amerikanischen Wähler erließen, daran, daß nach diesem Borgange zu erwarten steht, daß nach einem demokratischen Nationalsiege die Kosten der vom Süden der Union begonnenen Rebellion in Form von Entschädigungsansprüchen des Südens dem Norden aufgebürdet und so die Steuerkasten ins Unendliche gesteigert werden. „Noch ist die vollziehende Gewalt in den Händen der Republikaner", so heißt es in diesem Aufrufe, „und trotzdem sind in dem Städtchen Hamburg in Süd-Carolina Greuel¬ thaten verübt worden, wie wir sie von Bulgarien und Bosnien lesen. Man lasse die Demokraten in den Besitz der ganzen Regierung gelangen, man überlasse ihnen die Controlle des öffentlichen Schatzes, den Oberbefehl über die bewaffnete Macht, — und wir werden Zustände erleben, wie sie vor dem Nebellionskriege nicht schlimmer und verderblicher waren und wodurch alle Errungenschaften dieses blutigen Krieges wieder in Frage gestellt würden." Mit den beregten Ersatzansprüchen stimmen allerdings die von Tilden em¬ pfohlene „öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanz¬ wirthschaft" sehr schlecht zusammen. Und dabei ist es eine Thatsache, daß die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Tilden und Hendricks, während des Secessionskrieges stets zu den Freunden der Rebelli n gehörten, während Hayes als Soldat der Unionsarmee tapfer für die Union kämpfte; auch spielte der jüngst von den Demokraten im Staate New-Uork für das Gouverneursamt aufgestellte Horatto Seymour beim Ausbruche des Bürger¬ krieges eine durchaus nicht unionsfreundltche Rolle. In Anbetracht aller dieser Umstände dürfte Karl Schurz sich nicht im Unrecht befinden, wenn er über die Eventualitäten der kommenden Präsidenten¬ wahl folgendes Prognostikon stellt: Im Falle des Sieges der Republikaner ist nachstehendes Resultat zu erwarten: 1. Anwendung des ganzen verfassungs¬ mäßigen Einflusses der Executivgewalt zu Gunsten einer schleunigen Wieder¬ herstellung der Baarzahlungen und Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Mehrheit im Congresse; 2. Entfernung der schlechten Beamten aus dem Staatsdienste und consequente Durchführung des von Hayes entworfenen, vortrefflichen Civil-Dienstreform-Programms, so weit die constitutionelle Ge¬ walt des Präsidenten reicht; der öffentliche Dienst ist keine Partei-Agentur mehr, das Beutesystem hört auf, Opposition gegen diese Reform seitens der Beutepolitiker im ersten Congresse unter Hayes' Administration, aber Zu¬ sammenbrechen dieser Opposition bei den nächsten Congreßwahlen; 3. gewissen¬ hafte Ausführung der Gesetze, verbunden mit einer gerechten, versöhnlichen, Eintracht und ehrliche Regierung befördernden Politik dem Süden der Union gegenüber. Im Falle eines Sieges der demokratischen Partei ist da¬ gegen zu fürchten: 1. eine Papiergeldmajorität im Repräsentantenhause des Congresses; Anstrengungen zu Gunsten einer Baarzahlungspolitik seitens

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/40>, abgerufen am 19.10.2024.