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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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zuziehen und, nach dem von Demokraten erfundenen Grundsatz, daß den
Siegern die Beute gehört, Besitz von den fetten Bundesämtern zu nehmen,
die so lange von den Republikanern verwaltet wurden. -- diese verlockende
Aussicht hat an vielen Orten des Südens die Demokraten verführt, die ihnen
angerathene Vorsicht zu vergessen, die Maske des Friedens abzuwerfen und
das alte beliebte Mobregiment, wie es in den Zeiten der Sklaveret im
Schwunge war, von Neuem einzuführen. Amerikanische Blätter bringen fast
täglich ausführliche Berichte über gesetzwidrige Einschüchterungen und Gewalt¬
thaten, womit die südlichen Demokraten die Freiheit der Rede und das freie
Stimmrecht gefährden.

Unterdessen haben die Staatswahlen in den Einzelstaaten Jndiana
und Ohio stattgefunden, welche für die kommende National Wahl von
höchster Bedeutung sind. In Jndiana trugen die Demokraten, in Ohio die
Republikaner den Sieg davon; so meldete der Telegraph. Ausführlichere
Nachrichten liegen über diese Wahlen noch nicht vor. Sehr gespannt darf
man auf den Ausfall der demnächst bevorstehenden Staatswahl in New-Nork.
dem bevölkertsten Staate der Union, sein. Die Partei, welche in New-Nork
die Majorität erlangt, hat unter den obwaltenden Umständen alle Chancen
des Sieges in der Nationalwahl für sich. Der erfolgreiche Präsidentschafts¬
kandidat muß 185 Elektoralstimmen für sich haben. Die 16 Südstaaten
(West-Virginien mit eingeschlossen) haben 138 dieser Stimmen. Wenn nun
die Demokraten den ganzen Süden für sich gewonnen, so bedürften sie, um
in der Präsidentenwahl zu siegen, im Norden der Union nur in so vielen
Staaten des Sieges, daß sie 47 Stimmen zu den genannten 138 hinzuge¬
wönnen. Und nach dem oben erwähnten Rundschreiben hoffen sie in der
That, in den drei Pacific-Staaten die Majorität zu erringen und damit die
6 Stimmen von Californien und die je 3 Stimmen in Nevada und Oregon
zu erhalten. Im Osten der Union aber rechnen sie auf Connecticut mit 6,
auf New-Jersey mit 9 und auf New-Nork mit 35 Stimmen, so daß sie in
den südlichen, in den östlichen und in den Pacific-Staaten zusammen 200
Stimmen, mithin 15 Stimmen mehr, als zur Wahl nothwendig sind, erhalten.
Es fragt sich nun aber sehr, ob diese Rechnung richtig ist. Zunächst darf
bezweifelt werden, daß sie im ganzen Süden der Union siegreich sein werden;
sehr wahrscheinlich stimmen Süd-Carolina und Florida, vielleicht auch Louisiana,
für die republikanischen Präsidentschaftskandidaten Hayes und Wheeler.
New-Nork und Californien sind mindestens sehr zweifelhaft; die republikanische
Partei hat in beiden Staaten oft genug den Sieg davon getragen.*)

Sehr komisch ist es, wenn konservative Blätter in Deutschland die Par¬
tei der Nationalliberalen mit der republikanischen Partei in den Vereinigten



*) Inzwischen ist die Wahl vollzogen. Bis zum Schlüsse unsres Heftes machen sich jedoch
D. Red. noch beide Parteien den Sieg streitig.

zuziehen und, nach dem von Demokraten erfundenen Grundsatz, daß den
Siegern die Beute gehört, Besitz von den fetten Bundesämtern zu nehmen,
die so lange von den Republikanern verwaltet wurden. — diese verlockende
Aussicht hat an vielen Orten des Südens die Demokraten verführt, die ihnen
angerathene Vorsicht zu vergessen, die Maske des Friedens abzuwerfen und
das alte beliebte Mobregiment, wie es in den Zeiten der Sklaveret im
Schwunge war, von Neuem einzuführen. Amerikanische Blätter bringen fast
täglich ausführliche Berichte über gesetzwidrige Einschüchterungen und Gewalt¬
thaten, womit die südlichen Demokraten die Freiheit der Rede und das freie
Stimmrecht gefährden.

Unterdessen haben die Staatswahlen in den Einzelstaaten Jndiana
und Ohio stattgefunden, welche für die kommende National Wahl von
höchster Bedeutung sind. In Jndiana trugen die Demokraten, in Ohio die
Republikaner den Sieg davon; so meldete der Telegraph. Ausführlichere
Nachrichten liegen über diese Wahlen noch nicht vor. Sehr gespannt darf
man auf den Ausfall der demnächst bevorstehenden Staatswahl in New-Nork.
dem bevölkertsten Staate der Union, sein. Die Partei, welche in New-Nork
die Majorität erlangt, hat unter den obwaltenden Umständen alle Chancen
des Sieges in der Nationalwahl für sich. Der erfolgreiche Präsidentschafts¬
kandidat muß 185 Elektoralstimmen für sich haben. Die 16 Südstaaten
(West-Virginien mit eingeschlossen) haben 138 dieser Stimmen. Wenn nun
die Demokraten den ganzen Süden für sich gewonnen, so bedürften sie, um
in der Präsidentenwahl zu siegen, im Norden der Union nur in so vielen
Staaten des Sieges, daß sie 47 Stimmen zu den genannten 138 hinzuge¬
wönnen. Und nach dem oben erwähnten Rundschreiben hoffen sie in der
That, in den drei Pacific-Staaten die Majorität zu erringen und damit die
6 Stimmen von Californien und die je 3 Stimmen in Nevada und Oregon
zu erhalten. Im Osten der Union aber rechnen sie auf Connecticut mit 6,
auf New-Jersey mit 9 und auf New-Nork mit 35 Stimmen, so daß sie in
den südlichen, in den östlichen und in den Pacific-Staaten zusammen 200
Stimmen, mithin 15 Stimmen mehr, als zur Wahl nothwendig sind, erhalten.
Es fragt sich nun aber sehr, ob diese Rechnung richtig ist. Zunächst darf
bezweifelt werden, daß sie im ganzen Süden der Union siegreich sein werden;
sehr wahrscheinlich stimmen Süd-Carolina und Florida, vielleicht auch Louisiana,
für die republikanischen Präsidentschaftskandidaten Hayes und Wheeler.
New-Nork und Californien sind mindestens sehr zweifelhaft; die republikanische
Partei hat in beiden Staaten oft genug den Sieg davon getragen.*)

Sehr komisch ist es, wenn konservative Blätter in Deutschland die Par¬
tei der Nationalliberalen mit der republikanischen Partei in den Vereinigten



*) Inzwischen ist die Wahl vollzogen. Bis zum Schlüsse unsres Heftes machen sich jedoch
D. Red. noch beide Parteien den Sieg streitig.
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[0316] zuziehen und, nach dem von Demokraten erfundenen Grundsatz, daß den Siegern die Beute gehört, Besitz von den fetten Bundesämtern zu nehmen, die so lange von den Republikanern verwaltet wurden. — diese verlockende Aussicht hat an vielen Orten des Südens die Demokraten verführt, die ihnen angerathene Vorsicht zu vergessen, die Maske des Friedens abzuwerfen und das alte beliebte Mobregiment, wie es in den Zeiten der Sklaveret im Schwunge war, von Neuem einzuführen. Amerikanische Blätter bringen fast täglich ausführliche Berichte über gesetzwidrige Einschüchterungen und Gewalt¬ thaten, womit die südlichen Demokraten die Freiheit der Rede und das freie Stimmrecht gefährden. Unterdessen haben die Staatswahlen in den Einzelstaaten Jndiana und Ohio stattgefunden, welche für die kommende National Wahl von höchster Bedeutung sind. In Jndiana trugen die Demokraten, in Ohio die Republikaner den Sieg davon; so meldete der Telegraph. Ausführlichere Nachrichten liegen über diese Wahlen noch nicht vor. Sehr gespannt darf man auf den Ausfall der demnächst bevorstehenden Staatswahl in New-Nork. dem bevölkertsten Staate der Union, sein. Die Partei, welche in New-Nork die Majorität erlangt, hat unter den obwaltenden Umständen alle Chancen des Sieges in der Nationalwahl für sich. Der erfolgreiche Präsidentschafts¬ kandidat muß 185 Elektoralstimmen für sich haben. Die 16 Südstaaten (West-Virginien mit eingeschlossen) haben 138 dieser Stimmen. Wenn nun die Demokraten den ganzen Süden für sich gewonnen, so bedürften sie, um in der Präsidentenwahl zu siegen, im Norden der Union nur in so vielen Staaten des Sieges, daß sie 47 Stimmen zu den genannten 138 hinzuge¬ wönnen. Und nach dem oben erwähnten Rundschreiben hoffen sie in der That, in den drei Pacific-Staaten die Majorität zu erringen und damit die 6 Stimmen von Californien und die je 3 Stimmen in Nevada und Oregon zu erhalten. Im Osten der Union aber rechnen sie auf Connecticut mit 6, auf New-Jersey mit 9 und auf New-Nork mit 35 Stimmen, so daß sie in den südlichen, in den östlichen und in den Pacific-Staaten zusammen 200 Stimmen, mithin 15 Stimmen mehr, als zur Wahl nothwendig sind, erhalten. Es fragt sich nun aber sehr, ob diese Rechnung richtig ist. Zunächst darf bezweifelt werden, daß sie im ganzen Süden der Union siegreich sein werden; sehr wahrscheinlich stimmen Süd-Carolina und Florida, vielleicht auch Louisiana, für die republikanischen Präsidentschaftskandidaten Hayes und Wheeler. New-Nork und Californien sind mindestens sehr zweifelhaft; die republikanische Partei hat in beiden Staaten oft genug den Sieg davon getragen.*) Sehr komisch ist es, wenn konservative Blätter in Deutschland die Par¬ tei der Nationalliberalen mit der republikanischen Partei in den Vereinigten *) Inzwischen ist die Wahl vollzogen. Bis zum Schlüsse unsres Heftes machen sich jedoch D. Red. noch beide Parteien den Sieg streitig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/316>, abgerufen am 19.10.2024.