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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Gründen ganz absehen und nur noch den Schlußpassus des ganzes Werkes
mittheilen. "Das könnten die Bedingungen eines dauerhaften Friedens sein,
wenn Europa auf die große Stimme der Vergangenheit, die die Lehren
der Geschichte offenbart, hören wollte. Von aufrichtigen Bundesgenossen, von
Italien, Spanien, Portugal umgeben, gegen den Norden Europas vertheidigt
durch die Neutralisation der Schweiz, gegen Preußen durch die Neutralisation
des rheinischen Frankreichs, sich im Norden auf Belgien, Holland und Däne¬
mark stützend, die genügend mächtig reconstituirt sind, um im Stande zu
sein, ihre Neutralität in Respect zu setzen, an Schweden einen alten Waffen¬
gefährten, einen naturgemäßen Freund findend, an Rußland einen natürlichen
Verbündeten, dessen ritterliche Sympathien seine Macht verdoppeln, hat Frank¬
reich weder Oestreich, noch England, noch Preußen zu fürchten, die die einzigen
Staaten sind, welche bei der gegenwärtigen Lage Europas irgend welchen
Vortheil aus seinem Ruine ziehen könnten. Seine Mäßigung vertheidigt es
gegen Koalitionen, seine Expansivkraft erlaubt ihm, in der Welt zu glänzen,
seine monarchischen Jnstincte, sein Bedürfniß nach Freiheit, sein katholischer
Glauben, sein Entdeckungsgeist, sein Geschmack für die Künste, die edel-
müthigen und anziehenden Eigenschaften seiner Kinder, die Fruchtbarkeit seines
Bodens, seine hinreißende Gewalt, seine Hülfsquellen und sogar seine Grillen
-- wieviel Gründe um nicht an der Zukunft zu verzweifeln. Gott rette
Frankreich!"

Ja, so mögen auch wir zum Schluß ausrufen: Gott rette Frankreich! --
vor dem Geist, der in diesem Buche waltet, denn es ist der Geist der Lüge,
der Geist des Jesuitismus, der sich in Frankreich mehr und mehr Bahn
bricht, und der trotz augenblicklichen materiellen Aufschwungs das ganze
Volksleben zu vergiften und dauernd zu ruiniren droht! Von einem eng¬
herzigen politischen Standpunkt aus könnten wir Deutsche derartige Symptome
mit einer gewissen Schadenfreude begrüßen ; denn es unterliegt keinem Zweifel,
daß ein Volk, welches sich in eitler Selbstverblendung krampfhaft sträubt
einen leidenschaftslosen Blick auf sich selbst und seine Umgebung -- ja selbst
auf seine Gegner zu werfen, nicht unschwer zu besiegen sein wird. Aber
von einem höheren Standpunkt aus, -- und wir sind überzeugt, daß der
größte Theil der gebildeten Deutschen denselben mit uns einnimmt, -- müssen
wir in Erinnerung an die großen Verdienste, die der französische Volksgeist
in seinen hervorragenden Vertretern sich um die Aufklärung und die Civili¬
sation erworben hat, dieselben aufrichtig bedauern. Denn wenn wir uns
auch darüber keinen Illusionen hingeben, daß uns ein zweiter Krieg unter
irgend welchen Umständen erspart werden könnte, so kämpfen wir doch lieber
im Bewußtsein unserer Stärke, im Vertrauen auf unsre gute Sache den


Gründen ganz absehen und nur noch den Schlußpassus des ganzes Werkes
mittheilen. „Das könnten die Bedingungen eines dauerhaften Friedens sein,
wenn Europa auf die große Stimme der Vergangenheit, die die Lehren
der Geschichte offenbart, hören wollte. Von aufrichtigen Bundesgenossen, von
Italien, Spanien, Portugal umgeben, gegen den Norden Europas vertheidigt
durch die Neutralisation der Schweiz, gegen Preußen durch die Neutralisation
des rheinischen Frankreichs, sich im Norden auf Belgien, Holland und Däne¬
mark stützend, die genügend mächtig reconstituirt sind, um im Stande zu
sein, ihre Neutralität in Respect zu setzen, an Schweden einen alten Waffen¬
gefährten, einen naturgemäßen Freund findend, an Rußland einen natürlichen
Verbündeten, dessen ritterliche Sympathien seine Macht verdoppeln, hat Frank¬
reich weder Oestreich, noch England, noch Preußen zu fürchten, die die einzigen
Staaten sind, welche bei der gegenwärtigen Lage Europas irgend welchen
Vortheil aus seinem Ruine ziehen könnten. Seine Mäßigung vertheidigt es
gegen Koalitionen, seine Expansivkraft erlaubt ihm, in der Welt zu glänzen,
seine monarchischen Jnstincte, sein Bedürfniß nach Freiheit, sein katholischer
Glauben, sein Entdeckungsgeist, sein Geschmack für die Künste, die edel-
müthigen und anziehenden Eigenschaften seiner Kinder, die Fruchtbarkeit seines
Bodens, seine hinreißende Gewalt, seine Hülfsquellen und sogar seine Grillen
— wieviel Gründe um nicht an der Zukunft zu verzweifeln. Gott rette
Frankreich!"

Ja, so mögen auch wir zum Schluß ausrufen: Gott rette Frankreich! —
vor dem Geist, der in diesem Buche waltet, denn es ist der Geist der Lüge,
der Geist des Jesuitismus, der sich in Frankreich mehr und mehr Bahn
bricht, und der trotz augenblicklichen materiellen Aufschwungs das ganze
Volksleben zu vergiften und dauernd zu ruiniren droht! Von einem eng¬
herzigen politischen Standpunkt aus könnten wir Deutsche derartige Symptome
mit einer gewissen Schadenfreude begrüßen ; denn es unterliegt keinem Zweifel,
daß ein Volk, welches sich in eitler Selbstverblendung krampfhaft sträubt
einen leidenschaftslosen Blick auf sich selbst und seine Umgebung — ja selbst
auf seine Gegner zu werfen, nicht unschwer zu besiegen sein wird. Aber
von einem höheren Standpunkt aus, — und wir sind überzeugt, daß der
größte Theil der gebildeten Deutschen denselben mit uns einnimmt, — müssen
wir in Erinnerung an die großen Verdienste, die der französische Volksgeist
in seinen hervorragenden Vertretern sich um die Aufklärung und die Civili¬
sation erworben hat, dieselben aufrichtig bedauern. Denn wenn wir uns
auch darüber keinen Illusionen hingeben, daß uns ein zweiter Krieg unter
irgend welchen Umständen erspart werden könnte, so kämpfen wir doch lieber
im Bewußtsein unserer Stärke, im Vertrauen auf unsre gute Sache den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/24>, abgerufen am 19.10.2024.