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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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vielleicht, aber nichts desto weniger Thatsache ist, daß das von beiden Kam¬
mern genehmigte Gesetz einige Wochen im Kabinet des Fürsten lag, ohne die
Sanction zu erhalten. Zwei Tage, nachdem ihm diese geworden, erhielt
Staatsminister Jolly die Entlassung. Hier hätten wir den Einzelvorgang,
indem sich ganz von selbst die Vermuthung nahe legt, daß der Großherzog,
von dem leitenden Minister zur Sanctionirung des mehrerwähnten Gesetzes
gedrängt, diese auf eine Weise gewährt habe, die es letzterem zur Gewißheit
machte, daß die Principien der von ihm vertretenen Politik nicht durchweg
die Billigung des Fürsten besäßen und daß in Folge dessen eine fernere er¬
folgreiche Bethätigung im Amte nicht mehr möglich sei. Sind vielleicht noch,
was wir keineswegs unbedingt in Abrede stellen wollen, speziell persönliche
Fragen mit in's Spiel gekommen, so war der äußere Anlaß zu dem innerlich
längst vorbereiteten Ereigniß gegeben.

Dr. Juli u s Jo lip,*) Badenser von Geburt, trat zum erstenmal in die
größere Oeffentlichkeit, als er, damals a. o. Professor an der Universität
Heidelberg, sich an den kirchenpolitischen Kämpfen der Jahre 1839 und 1860
betheiligte, insbesondere auch als Redner auf den protestantischen Durlacher
Conferenzen. Lamey berief ihn in das Ministerium des Innern, in welches
er am 2. April 1861 eintrat. Im Jahr 1866, als Baden in die unselige
Position gegen Preußen hineingedrängt wurde. gerieth er in seiner Eigen¬
schaft als Mitglied der ersten Kammer, in welche ihn die Universität Heidelberg
gesandt hatte, dadurch daß er die von Edelsheim geleitete antipreußische Politik
mißbilligte, in scharfen Conflict mit der Regierung. Er schied in Folge
dessen aus dem Ministerium und wurde unterm 26. Juni dem Verwal¬
tungsgerichtshof als Rath beigegeben. Nach Beendigung des Krieges wurde
er unterm 27. Juli 1866 von Mathy, der damals an die Spitze der Geschäfte
getreten war, als Lamey's Nachfolger zum Präsidenten des Ministeriums des
Innern berufen. Dieses Ressortministertum beibehaltend, übernahm er nach
Mathy's Tode am 12. Februar 1868 als Präsident des Staatsministerium
die Leitung der Geschäfte, die er denn auch betbehielt, bis der 21. September
1876 ihn von seinem hohen Posten abberief.

Der gleichzeitig mit Jolly abgetretene Präsident des Ministeriums des
Großh. Hauses, der Justiz und des Auswärtigen, v. Freydorf, hatte,
damals Rath im Justizministerium, im Jahr 1866 Jolly im Ministerium
ersetzt. Den Posten als Präsident des Ministeriums des Großh. Hauses
des Aeußeren hatte er seit dem 27. Juli 1866 inne. Später war er, wie
bereits erwähnt, noch mit der Leitung des Justizministeriums betraut worden.

Jolly's hohe Verdienste sind unbestritten. Es war bedeutungsvoll, daß
er, der unermüdete Vorkämpfer des nationalen Gedankens, sofort nachdem



') Vgl. die eingehendere Biographie über Jolly, Grenzboten 1873, Ur. 16, Bd. II. S. 81.

vielleicht, aber nichts desto weniger Thatsache ist, daß das von beiden Kam¬
mern genehmigte Gesetz einige Wochen im Kabinet des Fürsten lag, ohne die
Sanction zu erhalten. Zwei Tage, nachdem ihm diese geworden, erhielt
Staatsminister Jolly die Entlassung. Hier hätten wir den Einzelvorgang,
indem sich ganz von selbst die Vermuthung nahe legt, daß der Großherzog,
von dem leitenden Minister zur Sanctionirung des mehrerwähnten Gesetzes
gedrängt, diese auf eine Weise gewährt habe, die es letzterem zur Gewißheit
machte, daß die Principien der von ihm vertretenen Politik nicht durchweg
die Billigung des Fürsten besäßen und daß in Folge dessen eine fernere er¬
folgreiche Bethätigung im Amte nicht mehr möglich sei. Sind vielleicht noch,
was wir keineswegs unbedingt in Abrede stellen wollen, speziell persönliche
Fragen mit in's Spiel gekommen, so war der äußere Anlaß zu dem innerlich
längst vorbereiteten Ereigniß gegeben.

Dr. Juli u s Jo lip,*) Badenser von Geburt, trat zum erstenmal in die
größere Oeffentlichkeit, als er, damals a. o. Professor an der Universität
Heidelberg, sich an den kirchenpolitischen Kämpfen der Jahre 1839 und 1860
betheiligte, insbesondere auch als Redner auf den protestantischen Durlacher
Conferenzen. Lamey berief ihn in das Ministerium des Innern, in welches
er am 2. April 1861 eintrat. Im Jahr 1866, als Baden in die unselige
Position gegen Preußen hineingedrängt wurde. gerieth er in seiner Eigen¬
schaft als Mitglied der ersten Kammer, in welche ihn die Universität Heidelberg
gesandt hatte, dadurch daß er die von Edelsheim geleitete antipreußische Politik
mißbilligte, in scharfen Conflict mit der Regierung. Er schied in Folge
dessen aus dem Ministerium und wurde unterm 26. Juni dem Verwal¬
tungsgerichtshof als Rath beigegeben. Nach Beendigung des Krieges wurde
er unterm 27. Juli 1866 von Mathy, der damals an die Spitze der Geschäfte
getreten war, als Lamey's Nachfolger zum Präsidenten des Ministeriums des
Innern berufen. Dieses Ressortministertum beibehaltend, übernahm er nach
Mathy's Tode am 12. Februar 1868 als Präsident des Staatsministerium
die Leitung der Geschäfte, die er denn auch betbehielt, bis der 21. September
1876 ihn von seinem hohen Posten abberief.

Der gleichzeitig mit Jolly abgetretene Präsident des Ministeriums des
Großh. Hauses, der Justiz und des Auswärtigen, v. Freydorf, hatte,
damals Rath im Justizministerium, im Jahr 1866 Jolly im Ministerium
ersetzt. Den Posten als Präsident des Ministeriums des Großh. Hauses
des Aeußeren hatte er seit dem 27. Juli 1866 inne. Später war er, wie
bereits erwähnt, noch mit der Leitung des Justizministeriums betraut worden.

Jolly's hohe Verdienste sind unbestritten. Es war bedeutungsvoll, daß
er, der unermüdete Vorkämpfer des nationalen Gedankens, sofort nachdem



') Vgl. die eingehendere Biographie über Jolly, Grenzboten 1873, Ur. 16, Bd. II. S. 81.
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[0154] vielleicht, aber nichts desto weniger Thatsache ist, daß das von beiden Kam¬ mern genehmigte Gesetz einige Wochen im Kabinet des Fürsten lag, ohne die Sanction zu erhalten. Zwei Tage, nachdem ihm diese geworden, erhielt Staatsminister Jolly die Entlassung. Hier hätten wir den Einzelvorgang, indem sich ganz von selbst die Vermuthung nahe legt, daß der Großherzog, von dem leitenden Minister zur Sanctionirung des mehrerwähnten Gesetzes gedrängt, diese auf eine Weise gewährt habe, die es letzterem zur Gewißheit machte, daß die Principien der von ihm vertretenen Politik nicht durchweg die Billigung des Fürsten besäßen und daß in Folge dessen eine fernere er¬ folgreiche Bethätigung im Amte nicht mehr möglich sei. Sind vielleicht noch, was wir keineswegs unbedingt in Abrede stellen wollen, speziell persönliche Fragen mit in's Spiel gekommen, so war der äußere Anlaß zu dem innerlich längst vorbereiteten Ereigniß gegeben. Dr. Juli u s Jo lip,*) Badenser von Geburt, trat zum erstenmal in die größere Oeffentlichkeit, als er, damals a. o. Professor an der Universität Heidelberg, sich an den kirchenpolitischen Kämpfen der Jahre 1839 und 1860 betheiligte, insbesondere auch als Redner auf den protestantischen Durlacher Conferenzen. Lamey berief ihn in das Ministerium des Innern, in welches er am 2. April 1861 eintrat. Im Jahr 1866, als Baden in die unselige Position gegen Preußen hineingedrängt wurde. gerieth er in seiner Eigen¬ schaft als Mitglied der ersten Kammer, in welche ihn die Universität Heidelberg gesandt hatte, dadurch daß er die von Edelsheim geleitete antipreußische Politik mißbilligte, in scharfen Conflict mit der Regierung. Er schied in Folge dessen aus dem Ministerium und wurde unterm 26. Juni dem Verwal¬ tungsgerichtshof als Rath beigegeben. Nach Beendigung des Krieges wurde er unterm 27. Juli 1866 von Mathy, der damals an die Spitze der Geschäfte getreten war, als Lamey's Nachfolger zum Präsidenten des Ministeriums des Innern berufen. Dieses Ressortministertum beibehaltend, übernahm er nach Mathy's Tode am 12. Februar 1868 als Präsident des Staatsministerium die Leitung der Geschäfte, die er denn auch betbehielt, bis der 21. September 1876 ihn von seinem hohen Posten abberief. Der gleichzeitig mit Jolly abgetretene Präsident des Ministeriums des Großh. Hauses, der Justiz und des Auswärtigen, v. Freydorf, hatte, damals Rath im Justizministerium, im Jahr 1866 Jolly im Ministerium ersetzt. Den Posten als Präsident des Ministeriums des Großh. Hauses des Aeußeren hatte er seit dem 27. Juli 1866 inne. Später war er, wie bereits erwähnt, noch mit der Leitung des Justizministeriums betraut worden. Jolly's hohe Verdienste sind unbestritten. Es war bedeutungsvoll, daß er, der unermüdete Vorkämpfer des nationalen Gedankens, sofort nachdem ') Vgl. die eingehendere Biographie über Jolly, Grenzboten 1873, Ur. 16, Bd. II. S. 81.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/154>, abgerufen am 26.09.2024.