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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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ichen Beamten in Amerika über den Legislaturen ständen und vom Könige
allein abhängig wären. Hiergegen machte die Generallegislatur von New-
Uork geltend, diese Bestimmungen schädigten die Rechtspflege und vernichteten
die Unabhängigkeit des Rechtes und der Gerechtigkeit. Lord Grenville. der
erste Lord der Admiralität, sah einzig auf den Vortheil Englands und schä¬
digte ohne Unterlaß den amerikanischen Handel, führte aufs rigoroseste die
Navigationsakte durch, ließ alle Kauffahrteischiffe durchsuchen -- kurz stellte
Amerika unter Seewache.

Obgleich die Minister einig waren, fiel Townshend, seine Bill wurde
am 29. März zurückgeschoben; Bude trat ab. Sein Vermächtniß an Amerika
aber war die Begründung eines dortigen stehenden Heeres durch Parlaments¬
akte ; überdies sollte sein Nachfolger sein dem Unterhause gegebenes Ver¬
sprechen erfüllen und nach Ablauf von 1763 die Colonien für dieses Heer
besteuern. Auch empfahl Bude selbst seinen Nachfolger, Georg Grenville,
und mit diesem leiteten die Exekutivgewalt als Triumvirn der ebenso un¬
wissende wie habgierige Egremont und der schwache Halifax, ehemals Chef
des amerikanischen Departements; so setzte das April-Cabinet die Politik des
entlassenen einfach fort. Anstatt des charakterlosen Bude lenkte der charakter¬
lose Grenville die Geschicke der Königreiche, ein Mensch ohne jede politische
Größe, habgierig und ohne Grundsätze, ein arbeitsamer Pedant, welcher die
Pläne seiner Vordermänner weiter spann. Er beabsichtigte, die Colonien zu
besteuern, die Quellen einer amerikanischen Revenue zu suchen, das Heer in
Amerika künftig auf amerikanische Kosten zu stellen, England und Amerika
so gleichmäßig zu belasten, daß die Auswanderung aus Großbritanien und
Irland sich vermindere, und setzte seine volle Hoffnung auf die Gunst des
Parlamentes. Trotz aller Einwendungen der Agenten der Colonien in
London schlug er die Stempeltaxe vor, verschob aber, nachdem das Parlament
am 10. März 1764 die Erhebung gewisser Stempelgefälle in den Colonien gut¬
geheißen, ihre Einführung. Auf die Navigationsakte wie auf ein Orakel
ohne Appellation vertrauend, wünschte er durchaus die Colonien einzig zum
Nutzen des Mutterlandes auszubeuten, jeder andern Nation sollte der Handel
dahin verboten werden, gegen Schmuggel gedachte der edle Lord energisch
vorzugehen und so hoffte er durch Ausschluß jedes Concurrenten den engli¬
schen Handel zum höchsten Flore zu bringen. Auch fand seine Stempeltaxe
überall in England Anklang, man schien nicht im mindesten an der Berech¬
tigung der Parlaments zu zweifeln, den Colonien beliebige Steuern auflegen
zu dürfen. Ganz anders jedoch war die Stimmung in Amerika; von allen
Orten erhob sich Widerspruch und Einrede. Häufig begegnet man zugleich
der Ansicht, das Vorgehen des Parlaments in der Steuerfrage müsse gerade
zum Gegentheil des Erstrebten, nämlich zum Heile und Nutzen der Colonien,


ichen Beamten in Amerika über den Legislaturen ständen und vom Könige
allein abhängig wären. Hiergegen machte die Generallegislatur von New-
Uork geltend, diese Bestimmungen schädigten die Rechtspflege und vernichteten
die Unabhängigkeit des Rechtes und der Gerechtigkeit. Lord Grenville. der
erste Lord der Admiralität, sah einzig auf den Vortheil Englands und schä¬
digte ohne Unterlaß den amerikanischen Handel, führte aufs rigoroseste die
Navigationsakte durch, ließ alle Kauffahrteischiffe durchsuchen — kurz stellte
Amerika unter Seewache.

Obgleich die Minister einig waren, fiel Townshend, seine Bill wurde
am 29. März zurückgeschoben; Bude trat ab. Sein Vermächtniß an Amerika
aber war die Begründung eines dortigen stehenden Heeres durch Parlaments¬
akte ; überdies sollte sein Nachfolger sein dem Unterhause gegebenes Ver¬
sprechen erfüllen und nach Ablauf von 1763 die Colonien für dieses Heer
besteuern. Auch empfahl Bude selbst seinen Nachfolger, Georg Grenville,
und mit diesem leiteten die Exekutivgewalt als Triumvirn der ebenso un¬
wissende wie habgierige Egremont und der schwache Halifax, ehemals Chef
des amerikanischen Departements; so setzte das April-Cabinet die Politik des
entlassenen einfach fort. Anstatt des charakterlosen Bude lenkte der charakter¬
lose Grenville die Geschicke der Königreiche, ein Mensch ohne jede politische
Größe, habgierig und ohne Grundsätze, ein arbeitsamer Pedant, welcher die
Pläne seiner Vordermänner weiter spann. Er beabsichtigte, die Colonien zu
besteuern, die Quellen einer amerikanischen Revenue zu suchen, das Heer in
Amerika künftig auf amerikanische Kosten zu stellen, England und Amerika
so gleichmäßig zu belasten, daß die Auswanderung aus Großbritanien und
Irland sich vermindere, und setzte seine volle Hoffnung auf die Gunst des
Parlamentes. Trotz aller Einwendungen der Agenten der Colonien in
London schlug er die Stempeltaxe vor, verschob aber, nachdem das Parlament
am 10. März 1764 die Erhebung gewisser Stempelgefälle in den Colonien gut¬
geheißen, ihre Einführung. Auf die Navigationsakte wie auf ein Orakel
ohne Appellation vertrauend, wünschte er durchaus die Colonien einzig zum
Nutzen des Mutterlandes auszubeuten, jeder andern Nation sollte der Handel
dahin verboten werden, gegen Schmuggel gedachte der edle Lord energisch
vorzugehen und so hoffte er durch Ausschluß jedes Concurrenten den engli¬
schen Handel zum höchsten Flore zu bringen. Auch fand seine Stempeltaxe
überall in England Anklang, man schien nicht im mindesten an der Berech¬
tigung der Parlaments zu zweifeln, den Colonien beliebige Steuern auflegen
zu dürfen. Ganz anders jedoch war die Stimmung in Amerika; von allen
Orten erhob sich Widerspruch und Einrede. Häufig begegnet man zugleich
der Ansicht, das Vorgehen des Parlaments in der Steuerfrage müsse gerade
zum Gegentheil des Erstrebten, nämlich zum Heile und Nutzen der Colonien,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/52>, abgerufen am 20.10.2024.