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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Soldaten eigne derbe Witz brach dabei hervor, selbst zu geheimem oder ver-
rätherischen Verkehr wurden diese Geschosse bisweilen benutzt. Aber auch in
der offnen Feldschlacht wurden Schleuderer mit Vortheil verwendet, doch
waren sie meist geworbene Söldner und genossen nur geringe Achtung.

Die erste Stelle unter den Denkmälern der hier besprochnen Klasse
nehmen die Geschosse aus dem Bundesgenossenkriege ein, und zwar erstens
wegen ihrer verhältnißmäßtg großen Zahl, dann weil sie uns gewisse Ein¬
blicke in das Leben der italischen Stämme gewähren, die nach diesem letzten
Versuche, ihre Selbständigkeit zu bewahren, fortan in die einförmige römische
Civilisation aufgehen. In Asculum brach der Aufstand aus ; diese feste Stadt
war ein Hauptbollwerk der Jtaliker, und auch die umliegende Landschaft
Placunen leistete den Römern hartnäckigen Widerstand. Mit dem Falle As-
culums, welches lange Zeit von jenen belagert wurde, war der Krieg hier
zu Ende. Allein der Aufstand beschränkte sich keineswegs auf diese Gegend,
bald stand ein großer Theil Mittel- und Süditaliens in Flammen, zahlreiche
Schlachten wurden geliefert, viele Städte belagert, zur Verwendung von
Schleuderschützen bot sich überall Gelegenheit dar. Es war daher von vorn¬
herein zu bezweifeln, wenn Mommsen sämmtliche Schleudergeschosse. die wir
gefunden haben, auf die Belagerung von Asculum und die Kämpfe in Pl¬
acunen zurückführen wollte; man mußte vielmehr annehmen, daß auch ander¬
wärts der Boden Zeugnisse von jenem Kriege verberge, und diese Annahme
ist durch die von Bergl besprochne Sammlung bestätigt worden. Auf den
Inschriften der Geschosse derselben begegnen wir u. A. neben dem Namen
des Cil. Pompejus auch dem des C. Marius und denen der italischen Feld¬
herrn Paapius Mutilus, Pompaedius Silv und P. Ventidius. Marius
und Pompaedius Silv kämpften aber nicht wie Pompejus bei Asculum,
sondern im Marserlande, und von den Operationen im Süden legt zunächst
eine römische Marke Zeugniß ab, welche ihr Bleigeschoß mit den Worten
teri Nut. für keinen Geringeren als jenen Paapius Mutilus, den Ober¬
befehlshaber der südlichen Armee der Insurgenten, bestimmt.

Wir können die Enträthselungsversuche, die der Verfasser unsrer Schrift
mit den Inschriften der Bonner Schleudergeschosse anstellt, nicht im Einzelnen
verfolgen und geben nur das neue Resultat, zu dem er bei der Deutung des
bisher dunkeln ?ir oder ?ir gelangt, welches sich auf vielen der Geschosse
mit einem abgekürzten xets und einem meist gleichfalls abgekürzten Namen
verbunden findet. ?ir oder ?ir, das erstere römisch, das letztere italisch, ist
das alte Wort für Feuer, griechisch ?rS^>, und bedeutet in der Soldatensprache
den Blitz. Das Schleuderblei erinnert nicht nur durch seine Gestalt, die einer
zugespitzten Eichel oder eines Kens, an den Donnerkeil, sondern es zerschmettert
auch alles von ihm Betroffne wie der Blitz, und indem der Schleuderer,


Soldaten eigne derbe Witz brach dabei hervor, selbst zu geheimem oder ver-
rätherischen Verkehr wurden diese Geschosse bisweilen benutzt. Aber auch in
der offnen Feldschlacht wurden Schleuderer mit Vortheil verwendet, doch
waren sie meist geworbene Söldner und genossen nur geringe Achtung.

Die erste Stelle unter den Denkmälern der hier besprochnen Klasse
nehmen die Geschosse aus dem Bundesgenossenkriege ein, und zwar erstens
wegen ihrer verhältnißmäßtg großen Zahl, dann weil sie uns gewisse Ein¬
blicke in das Leben der italischen Stämme gewähren, die nach diesem letzten
Versuche, ihre Selbständigkeit zu bewahren, fortan in die einförmige römische
Civilisation aufgehen. In Asculum brach der Aufstand aus ; diese feste Stadt
war ein Hauptbollwerk der Jtaliker, und auch die umliegende Landschaft
Placunen leistete den Römern hartnäckigen Widerstand. Mit dem Falle As-
culums, welches lange Zeit von jenen belagert wurde, war der Krieg hier
zu Ende. Allein der Aufstand beschränkte sich keineswegs auf diese Gegend,
bald stand ein großer Theil Mittel- und Süditaliens in Flammen, zahlreiche
Schlachten wurden geliefert, viele Städte belagert, zur Verwendung von
Schleuderschützen bot sich überall Gelegenheit dar. Es war daher von vorn¬
herein zu bezweifeln, wenn Mommsen sämmtliche Schleudergeschosse. die wir
gefunden haben, auf die Belagerung von Asculum und die Kämpfe in Pl¬
acunen zurückführen wollte; man mußte vielmehr annehmen, daß auch ander¬
wärts der Boden Zeugnisse von jenem Kriege verberge, und diese Annahme
ist durch die von Bergl besprochne Sammlung bestätigt worden. Auf den
Inschriften der Geschosse derselben begegnen wir u. A. neben dem Namen
des Cil. Pompejus auch dem des C. Marius und denen der italischen Feld¬
herrn Paapius Mutilus, Pompaedius Silv und P. Ventidius. Marius
und Pompaedius Silv kämpften aber nicht wie Pompejus bei Asculum,
sondern im Marserlande, und von den Operationen im Süden legt zunächst
eine römische Marke Zeugniß ab, welche ihr Bleigeschoß mit den Worten
teri Nut. für keinen Geringeren als jenen Paapius Mutilus, den Ober¬
befehlshaber der südlichen Armee der Insurgenten, bestimmt.

Wir können die Enträthselungsversuche, die der Verfasser unsrer Schrift
mit den Inschriften der Bonner Schleudergeschosse anstellt, nicht im Einzelnen
verfolgen und geben nur das neue Resultat, zu dem er bei der Deutung des
bisher dunkeln ?ir oder ?ir gelangt, welches sich auf vielen der Geschosse
mit einem abgekürzten xets und einem meist gleichfalls abgekürzten Namen
verbunden findet. ?ir oder ?ir, das erstere römisch, das letztere italisch, ist
das alte Wort für Feuer, griechisch ?rS^>, und bedeutet in der Soldatensprache
den Blitz. Das Schleuderblei erinnert nicht nur durch seine Gestalt, die einer
zugespitzten Eichel oder eines Kens, an den Donnerkeil, sondern es zerschmettert
auch alles von ihm Betroffne wie der Blitz, und indem der Schleuderer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/333>, abgerufen am 20.10.2024.