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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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dieser Kalamität herausführen können. Eile thut um so mehr Noth, als
diese gesetzlichen Vorbereitungen, auch wenn sie bereits getroffen sind, zu ihrer
Ausführung immer noch einen Zeitraum von mehreren Jahren erfordern.

Bei der Entscheidung über diese Frage werden die Regierungen von
Oesterreich und Ungarn vorerst darüber schlüssig werden müssen, in welcher
Währung sie in der gegenwärtigen Lage der Circulations-Verhältnisse in
Europa die Baarzahlungen wieder aufnehmen wollen.

Gegenwärtig herrscht, abgesehen vom Zwangscurs, welcher seit dem Jahre
1848 besteht, die Silberwährung, welche von Alters her in Geltung war und
bei der Einführung der neuen österreichischen Währung 1839 auch beibe¬
halten worden ist. Zwar werden auch Goldstücke im Betrage von 4 und 8
Gulden mit nahezu dem gleichen Goldgehalt wie die französischen Zehn- und
Zwanzig-Frankenstücke geprägt, allein die gesetzliche unbeschränkte Annahme
bei allen Zahlungen besteht nur für die groben Silbermünzen von 1 und
1^/2 Gulden. Die letzteren sind die Thaler oder Vereinsthaler, welche in
Folge des Münzvertrages mit Deutschland auf dem gleichen Fuße wie die
preußischen und deutschen Thaler geprägt worden sind. Niemand ist ver¬
pflichtet, Goldmünzen bei gesetzlichen Zahlungen anzunehmen, deshalb sind die
österreichischen Goldmünzen gegenwärtig nur eine Waare, welche den gewöhn¬
lichen Preisschwankungen anderer Waaren auch ausgesetzt ist. In Oesterreich-
Ungarn sind die österreichischen Goldstücke daher ungefähr denselben Curs-
schwankungen unterworfen wie die französischen.

Bevor wir nun die Frage untersuchen, ob es bei der Rückkehr zu den
Baarzahlungen für die Interessen der Bevölkerung und des Staates vortheil¬
hafter sein wird die Silberwährung beizubehalten oder zur Goldwährung
überzugehen, wie sie in England und den Vereinigten Staaten besteht und
künftig auch im deutschen Reiche bestehen wird, müssen wir erst einen Blick
auf den bestehenden Zustand, werfen. Wir haben soeben erwähnt, daß der
Zwangscurs seit dem Jahre 1848 besteht.

Seit dieser Zeit besteht das Circulations-Medium mit Ausnahme der
kleinen Scheidemünzen, aus Staatspapiergeld und Banknoten. Zweimal be¬
stand die Absicht zum harten Gelde zurückzukehren und zweimal -- 1859 und
1866 -- wurde dieselbe durch den ausbrechenden Krieg vereitelt. Der gegen¬
wärtige Zustand datirt vom Jahre 1866, wo der Ftnanzminister ermächtigt
wurde, zur Bestreitung der Kriegskosten Staatsnoten auszugeben, deren schon
im Mai 1866 für 120 Millionen ausgegeben wurden, eine Summe, welche
bis Ende desselben Jahres auf 224 Millionen stieg, im Mai 1873 den
Zenith mit 379 Millionen erreichte und gegenwärtig um 330 Millionen sich
bewegt. Im Februar 1866 war das Silber-Agio bis auf 1^/2 pCt. herab¬
gesunken, in Folge der Kriegsrüstungen war es bis im April wieder auf


dieser Kalamität herausführen können. Eile thut um so mehr Noth, als
diese gesetzlichen Vorbereitungen, auch wenn sie bereits getroffen sind, zu ihrer
Ausführung immer noch einen Zeitraum von mehreren Jahren erfordern.

Bei der Entscheidung über diese Frage werden die Regierungen von
Oesterreich und Ungarn vorerst darüber schlüssig werden müssen, in welcher
Währung sie in der gegenwärtigen Lage der Circulations-Verhältnisse in
Europa die Baarzahlungen wieder aufnehmen wollen.

Gegenwärtig herrscht, abgesehen vom Zwangscurs, welcher seit dem Jahre
1848 besteht, die Silberwährung, welche von Alters her in Geltung war und
bei der Einführung der neuen österreichischen Währung 1839 auch beibe¬
halten worden ist. Zwar werden auch Goldstücke im Betrage von 4 und 8
Gulden mit nahezu dem gleichen Goldgehalt wie die französischen Zehn- und
Zwanzig-Frankenstücke geprägt, allein die gesetzliche unbeschränkte Annahme
bei allen Zahlungen besteht nur für die groben Silbermünzen von 1 und
1^/2 Gulden. Die letzteren sind die Thaler oder Vereinsthaler, welche in
Folge des Münzvertrages mit Deutschland auf dem gleichen Fuße wie die
preußischen und deutschen Thaler geprägt worden sind. Niemand ist ver¬
pflichtet, Goldmünzen bei gesetzlichen Zahlungen anzunehmen, deshalb sind die
österreichischen Goldmünzen gegenwärtig nur eine Waare, welche den gewöhn¬
lichen Preisschwankungen anderer Waaren auch ausgesetzt ist. In Oesterreich-
Ungarn sind die österreichischen Goldstücke daher ungefähr denselben Curs-
schwankungen unterworfen wie die französischen.

Bevor wir nun die Frage untersuchen, ob es bei der Rückkehr zu den
Baarzahlungen für die Interessen der Bevölkerung und des Staates vortheil¬
hafter sein wird die Silberwährung beizubehalten oder zur Goldwährung
überzugehen, wie sie in England und den Vereinigten Staaten besteht und
künftig auch im deutschen Reiche bestehen wird, müssen wir erst einen Blick
auf den bestehenden Zustand, werfen. Wir haben soeben erwähnt, daß der
Zwangscurs seit dem Jahre 1848 besteht.

Seit dieser Zeit besteht das Circulations-Medium mit Ausnahme der
kleinen Scheidemünzen, aus Staatspapiergeld und Banknoten. Zweimal be¬
stand die Absicht zum harten Gelde zurückzukehren und zweimal — 1859 und
1866 — wurde dieselbe durch den ausbrechenden Krieg vereitelt. Der gegen¬
wärtige Zustand datirt vom Jahre 1866, wo der Ftnanzminister ermächtigt
wurde, zur Bestreitung der Kriegskosten Staatsnoten auszugeben, deren schon
im Mai 1866 für 120 Millionen ausgegeben wurden, eine Summe, welche
bis Ende desselben Jahres auf 224 Millionen stieg, im Mai 1873 den
Zenith mit 379 Millionen erreichte und gegenwärtig um 330 Millionen sich
bewegt. Im Februar 1866 war das Silber-Agio bis auf 1^/2 pCt. herab¬
gesunken, in Folge der Kriegsrüstungen war es bis im April wieder auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/12>, abgerufen am 19.10.2024.