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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Als Beitrag zur Charakteristik des zeitgenössischen Urtheils über den oft
verkannten Dalberg darf nicht fehlen, was Götter dann weiter schreibt:

"Beide Briefe, die ich indessen von Eurer Exellenz zu erhalten die Ehre
gehabt habe, sind so gütig, fast darf ich sagen so freundschaftlich, daß ich Ge¬
fahr liefe schwazhaft zu werden, wenn ich dem Drange meiner Erkenntlichkeit
nachgäbe. Der neueste insbesondere hat mir durch den Ton der gutmüthigsten
Laune das lebhafteste Vergnügen gemacht. Maler erkennen nur den Kenner
für zustehenden Richter, der selbst die Reißkohle zu führen weiß. Von einer
Kunst auf die andere trügt die Analogie selten. Schon in dieser Rücksicht
also ist es für dramatische Dichtkunst und Dichter gleich wichtig, daß Eure
Excellenz es nicht unter Ihrer Würde halten, sich unter sie zu mischen. Es
ist Zeit, daß durch Beispiele solcher Art die Großen Deutschlands vom Vor¬
urtheile bekehrt werden, die Schriftstellers! als Handwerk zu betrachten. Eine
Auswahl neuenglischer Stücke wird unsrer Bühne das angenehmste Ge>
schenk sein. Ich kenne Schröters Bearbeitungen nicht. Aber ich bin ganz
mit Eurer Excellenz einverstanden, daß die deutsche Jacke zu den brittischen
Originalen selten paßt, und weiß aus Erfahrung, wie viel Mühe eine solche
Verdeutschung kostet. Auf der andern Seite aber kann ich auch nicht umhin
zu bemerken, daß es gewisse Eigenheiten des Kostüme giebt, die uns -- das
heißt dem großen Haufen -- zu fremd und in der Hauptsache zu unwesentlich
sind, als daß der Uebersetzer, den Blöden zu Liebe nicht besser thäte, sie um¬
zuändern oder wegzulassen.

Auf den Erfolg desGötz von Berlichingen bin ich äußerst begierig.
Die Austheilung hat meinen Beifall."

Goethe's Dichtung im Februar 1786 zu Mannheim aufgeführt, blieb dort
ohne nachhaltigen Eindruck. Anfangs muß dies nicht so erschienen sein, denn
am 9. März bemerkt Götter, wie innig er sich freue "über den trefflichen,
alle Mühe und Kosten belohnender Erfolg" des Stückes.

Derselbe Brief enthält noch, in einem Gutachten über Dalberg's aus dem
Englischen übersetztes Drama "Dronooko", eine Bemerkung über die Theater¬
zustände in Weimar, welche es nur zu erklärlich macht, wenn dort bald die
Errichtung einer eignen Hofbühne beschlossen wurde. "Einen Kunstgriff." sagt
Götter von dem englischen Stücke, "um die Aufmerksamkeit des Zuschauers
zu fesseln, hat sich der Verfasser mit vielem Glücke erlaubt -- Pomp und
Spektakel. Aber eben dieser Umstand, der in Mannheim nicht wenig zum
besten Erfolge des Stücks beiwirken muß, steht dessen Aufführung bei andern
Theatern im Wege, wo es zu diesen Aufzügen, Gefechten, Prospecten :c. an
nichts weniger als -- Allem gebricht. Dies erinnert mich an eine Vor¬
stellung des Macbeth, die einer metner Freunde unlängst bei Bellomo
in Weimar gesehen hat. Das Gewand der erscheinenden Könige war nichts.


Als Beitrag zur Charakteristik des zeitgenössischen Urtheils über den oft
verkannten Dalberg darf nicht fehlen, was Götter dann weiter schreibt:

„Beide Briefe, die ich indessen von Eurer Exellenz zu erhalten die Ehre
gehabt habe, sind so gütig, fast darf ich sagen so freundschaftlich, daß ich Ge¬
fahr liefe schwazhaft zu werden, wenn ich dem Drange meiner Erkenntlichkeit
nachgäbe. Der neueste insbesondere hat mir durch den Ton der gutmüthigsten
Laune das lebhafteste Vergnügen gemacht. Maler erkennen nur den Kenner
für zustehenden Richter, der selbst die Reißkohle zu führen weiß. Von einer
Kunst auf die andere trügt die Analogie selten. Schon in dieser Rücksicht
also ist es für dramatische Dichtkunst und Dichter gleich wichtig, daß Eure
Excellenz es nicht unter Ihrer Würde halten, sich unter sie zu mischen. Es
ist Zeit, daß durch Beispiele solcher Art die Großen Deutschlands vom Vor¬
urtheile bekehrt werden, die Schriftstellers! als Handwerk zu betrachten. Eine
Auswahl neuenglischer Stücke wird unsrer Bühne das angenehmste Ge>
schenk sein. Ich kenne Schröters Bearbeitungen nicht. Aber ich bin ganz
mit Eurer Excellenz einverstanden, daß die deutsche Jacke zu den brittischen
Originalen selten paßt, und weiß aus Erfahrung, wie viel Mühe eine solche
Verdeutschung kostet. Auf der andern Seite aber kann ich auch nicht umhin
zu bemerken, daß es gewisse Eigenheiten des Kostüme giebt, die uns — das
heißt dem großen Haufen — zu fremd und in der Hauptsache zu unwesentlich
sind, als daß der Uebersetzer, den Blöden zu Liebe nicht besser thäte, sie um¬
zuändern oder wegzulassen.

Auf den Erfolg desGötz von Berlichingen bin ich äußerst begierig.
Die Austheilung hat meinen Beifall."

Goethe's Dichtung im Februar 1786 zu Mannheim aufgeführt, blieb dort
ohne nachhaltigen Eindruck. Anfangs muß dies nicht so erschienen sein, denn
am 9. März bemerkt Götter, wie innig er sich freue „über den trefflichen,
alle Mühe und Kosten belohnender Erfolg" des Stückes.

Derselbe Brief enthält noch, in einem Gutachten über Dalberg's aus dem
Englischen übersetztes Drama „Dronooko", eine Bemerkung über die Theater¬
zustände in Weimar, welche es nur zu erklärlich macht, wenn dort bald die
Errichtung einer eignen Hofbühne beschlossen wurde. „Einen Kunstgriff." sagt
Götter von dem englischen Stücke, „um die Aufmerksamkeit des Zuschauers
zu fesseln, hat sich der Verfasser mit vielem Glücke erlaubt — Pomp und
Spektakel. Aber eben dieser Umstand, der in Mannheim nicht wenig zum
besten Erfolge des Stücks beiwirken muß, steht dessen Aufführung bei andern
Theatern im Wege, wo es zu diesen Aufzügen, Gefechten, Prospecten :c. an
nichts weniger als — Allem gebricht. Dies erinnert mich an eine Vor¬
stellung des Macbeth, die einer metner Freunde unlängst bei Bellomo
in Weimar gesehen hat. Das Gewand der erscheinenden Könige war nichts.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/59>, abgerufen am 27.07.2024.