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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Erzherzog für den Augenblick als unthunlich. Das Anerbieten eines Waffen¬
stillstands kam daher keineswegs ungelegen. Daß man zunächst hierbei im
Auge hatte, die Armee während des Waffenstillstandes auf einen genügenden
Stand zu bringen, geht aus der Antwort des Kaisers auf den erwähnten
Bericht des Erzherzogs Albrecht hervor, welche Antwort wegen der durch die
inzwischen eingetretenen Friedens-Verhandlungen veränderten Sachlage nicht
abgesendet wurde. Der Erlaß ist vom 8. Juli datirt. In diesem Erlasse
kommt zunächst folgende für die politische Situation bezeichnende Stelle vor:

"Die gegenwärtige Sachlage in Deutschland scheint nicht darauf hinzu¬
deuten, als ob der Bund die Beistellung des österreichischen Contingentes in
nächster Zeit fordern, somit durch einen Krieg am Rhein jenen in Italien
für uns erleichtern werde, man scheint es vielmehr dabei bewenden lassen zu
wollen, daß der Krieg in Italien ein isolirter verbleibe; um so größer müssen
daher unsrerseits die Anstrengungen sein, denselben mit dem möglichst gün¬
stigen Erfolge zu Ende zu führen. Die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen
müssen also vorzugsweise den Rüstungen zur Fortsetzung des Krieges in
Italien und nur bedingungsweise jenen für einen Krieg am Rhein gelten."
In ersterer Beziehung befiehlt also der Kaiser nicht nur die Absendung der
Ersatzmannschaften und der noch immer bei den operirenden Armeen und
Corps zur vollen Kriegsausrüstung mangelnden Batterien, Trainkörper und
Anstalten, sondern auch von weiteren 20 Bataillonen; in letzterer Beziehung
dagegen sollen im Innern alle Organe, Batterie-Anstalten für drei Jnsanterie-
corps, abgesehen von der ohnehin zugleich vorhandenen Cavallerie zur even¬
tuellen Aufstellung des Bundes-Contingentes bereit gehalten werden. Die
complete Betheiligung dieser Corps mit Infanterie wird nicht als noth¬
wendig bezeichnet, da im Falle des Rheinkrieges die Franzosen ihre Streit¬
kräfte in Italien schwächen müßten und man daher österreichischerseits soviel?
Infanterie-Truppen in Italien entbehren und auf den nächsten Routen mit
Benutzung der Eisenbahn absenden könnte, als dann zur Ergänzung der
Bundescorps wesentlich sein würde; keinesfalls sollten dadurch die anbe¬
fohlenen Maßregeln zur Verstärkung der italienischen Armee beeinträchtigt
werden.

Man sieht aus diesem Erlasse, daß man freilich erst zu spät erkannte,
wie der Schwerpunkt des Krieges in Italien gelegen sei. Würde man vom
Anbeginn sich-dieser Erkenntniß nicht verschlossen haben und hätte man sich
nicht durch jene Combinationen beirren lassen, welche der vor dem Kriege und
im ersten Stadium desselben gemachten Elaboration zu Grunde lagen, in
denen immer der Krieg am Rhein bei allen strategischen Erwägungen und
bei den Dispositionen über die Streitkräfte eine große Rolle spielte, so wäre
der Gang der Ereignisse wol ein anderer gewesen, wenngleich es heute fest'


Erzherzog für den Augenblick als unthunlich. Das Anerbieten eines Waffen¬
stillstands kam daher keineswegs ungelegen. Daß man zunächst hierbei im
Auge hatte, die Armee während des Waffenstillstandes auf einen genügenden
Stand zu bringen, geht aus der Antwort des Kaisers auf den erwähnten
Bericht des Erzherzogs Albrecht hervor, welche Antwort wegen der durch die
inzwischen eingetretenen Friedens-Verhandlungen veränderten Sachlage nicht
abgesendet wurde. Der Erlaß ist vom 8. Juli datirt. In diesem Erlasse
kommt zunächst folgende für die politische Situation bezeichnende Stelle vor:

„Die gegenwärtige Sachlage in Deutschland scheint nicht darauf hinzu¬
deuten, als ob der Bund die Beistellung des österreichischen Contingentes in
nächster Zeit fordern, somit durch einen Krieg am Rhein jenen in Italien
für uns erleichtern werde, man scheint es vielmehr dabei bewenden lassen zu
wollen, daß der Krieg in Italien ein isolirter verbleibe; um so größer müssen
daher unsrerseits die Anstrengungen sein, denselben mit dem möglichst gün¬
stigen Erfolge zu Ende zu führen. Die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen
müssen also vorzugsweise den Rüstungen zur Fortsetzung des Krieges in
Italien und nur bedingungsweise jenen für einen Krieg am Rhein gelten."
In ersterer Beziehung befiehlt also der Kaiser nicht nur die Absendung der
Ersatzmannschaften und der noch immer bei den operirenden Armeen und
Corps zur vollen Kriegsausrüstung mangelnden Batterien, Trainkörper und
Anstalten, sondern auch von weiteren 20 Bataillonen; in letzterer Beziehung
dagegen sollen im Innern alle Organe, Batterie-Anstalten für drei Jnsanterie-
corps, abgesehen von der ohnehin zugleich vorhandenen Cavallerie zur even¬
tuellen Aufstellung des Bundes-Contingentes bereit gehalten werden. Die
complete Betheiligung dieser Corps mit Infanterie wird nicht als noth¬
wendig bezeichnet, da im Falle des Rheinkrieges die Franzosen ihre Streit¬
kräfte in Italien schwächen müßten und man daher österreichischerseits soviel?
Infanterie-Truppen in Italien entbehren und auf den nächsten Routen mit
Benutzung der Eisenbahn absenden könnte, als dann zur Ergänzung der
Bundescorps wesentlich sein würde; keinesfalls sollten dadurch die anbe¬
fohlenen Maßregeln zur Verstärkung der italienischen Armee beeinträchtigt
werden.

Man sieht aus diesem Erlasse, daß man freilich erst zu spät erkannte,
wie der Schwerpunkt des Krieges in Italien gelegen sei. Würde man vom
Anbeginn sich-dieser Erkenntniß nicht verschlossen haben und hätte man sich
nicht durch jene Combinationen beirren lassen, welche der vor dem Kriege und
im ersten Stadium desselben gemachten Elaboration zu Grunde lagen, in
denen immer der Krieg am Rhein bei allen strategischen Erwägungen und
bei den Dispositionen über die Streitkräfte eine große Rolle spielte, so wäre
der Gang der Ereignisse wol ein anderer gewesen, wenngleich es heute fest'


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[0508] Erzherzog für den Augenblick als unthunlich. Das Anerbieten eines Waffen¬ stillstands kam daher keineswegs ungelegen. Daß man zunächst hierbei im Auge hatte, die Armee während des Waffenstillstandes auf einen genügenden Stand zu bringen, geht aus der Antwort des Kaisers auf den erwähnten Bericht des Erzherzogs Albrecht hervor, welche Antwort wegen der durch die inzwischen eingetretenen Friedens-Verhandlungen veränderten Sachlage nicht abgesendet wurde. Der Erlaß ist vom 8. Juli datirt. In diesem Erlasse kommt zunächst folgende für die politische Situation bezeichnende Stelle vor: „Die gegenwärtige Sachlage in Deutschland scheint nicht darauf hinzu¬ deuten, als ob der Bund die Beistellung des österreichischen Contingentes in nächster Zeit fordern, somit durch einen Krieg am Rhein jenen in Italien für uns erleichtern werde, man scheint es vielmehr dabei bewenden lassen zu wollen, daß der Krieg in Italien ein isolirter verbleibe; um so größer müssen daher unsrerseits die Anstrengungen sein, denselben mit dem möglichst gün¬ stigen Erfolge zu Ende zu führen. Die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen müssen also vorzugsweise den Rüstungen zur Fortsetzung des Krieges in Italien und nur bedingungsweise jenen für einen Krieg am Rhein gelten." In ersterer Beziehung befiehlt also der Kaiser nicht nur die Absendung der Ersatzmannschaften und der noch immer bei den operirenden Armeen und Corps zur vollen Kriegsausrüstung mangelnden Batterien, Trainkörper und Anstalten, sondern auch von weiteren 20 Bataillonen; in letzterer Beziehung dagegen sollen im Innern alle Organe, Batterie-Anstalten für drei Jnsanterie- corps, abgesehen von der ohnehin zugleich vorhandenen Cavallerie zur even¬ tuellen Aufstellung des Bundes-Contingentes bereit gehalten werden. Die complete Betheiligung dieser Corps mit Infanterie wird nicht als noth¬ wendig bezeichnet, da im Falle des Rheinkrieges die Franzosen ihre Streit¬ kräfte in Italien schwächen müßten und man daher österreichischerseits soviel? Infanterie-Truppen in Italien entbehren und auf den nächsten Routen mit Benutzung der Eisenbahn absenden könnte, als dann zur Ergänzung der Bundescorps wesentlich sein würde; keinesfalls sollten dadurch die anbe¬ fohlenen Maßregeln zur Verstärkung der italienischen Armee beeinträchtigt werden. Man sieht aus diesem Erlasse, daß man freilich erst zu spät erkannte, wie der Schwerpunkt des Krieges in Italien gelegen sei. Würde man vom Anbeginn sich-dieser Erkenntniß nicht verschlossen haben und hätte man sich nicht durch jene Combinationen beirren lassen, welche der vor dem Kriege und im ersten Stadium desselben gemachten Elaboration zu Grunde lagen, in denen immer der Krieg am Rhein bei allen strategischen Erwägungen und bei den Dispositionen über die Streitkräfte eine große Rolle spielte, so wäre der Gang der Ereignisse wol ein anderer gewesen, wenngleich es heute fest'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/508>, abgerufen am 27.11.2024.