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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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mißt. Unter dem Schutze derselben sollten sich die aus dem Gefechte zurück¬
gezogenen Truppen sammeln, während am 24. viele Abtheilungen, ohne Re¬
serven, gelassen, und der feindlichen Verfolgung preisgegeben, gewöhnlich aus
große Entfernungen zurückgingen und vollkommen zersprengt wurden. --
3) Unsere zahlreiche Artillerie wurde nicht immer gehörig verwendet; man be¬
gnügte sich damit, einige Geschütze auf der Straße abprotzen zu lassen, wäh¬
rend auf entscheidenden Punkten ganze oder mehrere Batterien aufgeführt
werden sollten, um ein starkes Feuer zu entwickeln. -- 6) Die Aufbruchs¬
stunde war um 9 Uhr festgesetzt, dessen ungeachtet sind einige Truppenkörper
viel später aufgebrochen und überhaupt ist der Aufmarsch einiger Armeekorps
viel zu langsam vor sich gegangen. -- 8) Die Truppen haben größtentheils
ihre Schuldigkeit gethan, bet einigen Truppenführern vermisse ich aber Selb¬
ständigkeit, Dispositionsgabe und vor allem jene energische Activität, die so
sehr aus die Truppen einwirkt."

In der That war an den hier gerügten Umständen wesentlich der Erfolg
gescheitert. Die strategische Anlage der Schlacht war eine ganz richtige und
ebenso auch der oberste leitende Gedanke während derselben, aber ohne richtige
Ausführung im Detail blieben sie erfolglos. Die Franzosen dagegen legten
viel Energie an den Tag und zwei ihrer Korpsführer, Niet und Mac
Mahon zeigten einen richtigen Blick, den Mac Mahon freilich elf Jahre
später verloren zu haben schien. Niet hielt durch das mit großer Umsicht
und Ausnutzung der Kräfte geführte Gefecht in der Ebene die 1, Armee fest,
und Mac Mahon verstand abzuwarten, um den rechten Moment zum Vor¬
stoß mit seinem ganz intacter Korps zu benützen.

Nach der Schlacht von Solferino blieben die Oesterreicher nur wenige
Tage am linken Ufer des Mincio. Da die Armeekommandanten Zweifel
äußerten, ob die Truppen unter den obwaltenden Verhältnissen mit Erfolg
gegen einen nachhaltigen Angriff der Minciolinie ins Gefecht gebracht werden
könnten, ward schon am 27. Juni der Rückzug hinter die Etsch beschlossen.
Die Franzosen blieben, wie nach Magenta, so auch nach Solferino stehen
und hinderten die weiteren Bewegungen der Oesterreicher in keinerlei Weise.
Verpflegsschwierigkeiten sollen den Anlaß hierzu gegeben haben.

Der Bericht des Generalstabes schildert uns alle Maßnahme und Ent¬
würfe zur Fortführung des Krieges. Man wollte die Etschlinie halten und
hinter derselben Verstärkungen an sich ziehen. Die Hauptmacht ward im
verschanzten Lager von Verona vereinigt, weil man im Falle eines directen
feindlichen Angriffes ihm dort die Schlacht anbieten, im Falle eines Etsch-
überganges unterhalb Verona aber aus dem Lager vorbrechen wollte. Ehe
es aber zu weiteren Kämpfen kam, wurde der Waffenstillstand geschlossen.
Ueber die Motive, welche zum Abschlüsse desselben führten, gibt uns der vor-


mißt. Unter dem Schutze derselben sollten sich die aus dem Gefechte zurück¬
gezogenen Truppen sammeln, während am 24. viele Abtheilungen, ohne Re¬
serven, gelassen, und der feindlichen Verfolgung preisgegeben, gewöhnlich aus
große Entfernungen zurückgingen und vollkommen zersprengt wurden. —
3) Unsere zahlreiche Artillerie wurde nicht immer gehörig verwendet; man be¬
gnügte sich damit, einige Geschütze auf der Straße abprotzen zu lassen, wäh¬
rend auf entscheidenden Punkten ganze oder mehrere Batterien aufgeführt
werden sollten, um ein starkes Feuer zu entwickeln. — 6) Die Aufbruchs¬
stunde war um 9 Uhr festgesetzt, dessen ungeachtet sind einige Truppenkörper
viel später aufgebrochen und überhaupt ist der Aufmarsch einiger Armeekorps
viel zu langsam vor sich gegangen. — 8) Die Truppen haben größtentheils
ihre Schuldigkeit gethan, bet einigen Truppenführern vermisse ich aber Selb¬
ständigkeit, Dispositionsgabe und vor allem jene energische Activität, die so
sehr aus die Truppen einwirkt."

In der That war an den hier gerügten Umständen wesentlich der Erfolg
gescheitert. Die strategische Anlage der Schlacht war eine ganz richtige und
ebenso auch der oberste leitende Gedanke während derselben, aber ohne richtige
Ausführung im Detail blieben sie erfolglos. Die Franzosen dagegen legten
viel Energie an den Tag und zwei ihrer Korpsführer, Niet und Mac
Mahon zeigten einen richtigen Blick, den Mac Mahon freilich elf Jahre
später verloren zu haben schien. Niet hielt durch das mit großer Umsicht
und Ausnutzung der Kräfte geführte Gefecht in der Ebene die 1, Armee fest,
und Mac Mahon verstand abzuwarten, um den rechten Moment zum Vor¬
stoß mit seinem ganz intacter Korps zu benützen.

Nach der Schlacht von Solferino blieben die Oesterreicher nur wenige
Tage am linken Ufer des Mincio. Da die Armeekommandanten Zweifel
äußerten, ob die Truppen unter den obwaltenden Verhältnissen mit Erfolg
gegen einen nachhaltigen Angriff der Minciolinie ins Gefecht gebracht werden
könnten, ward schon am 27. Juni der Rückzug hinter die Etsch beschlossen.
Die Franzosen blieben, wie nach Magenta, so auch nach Solferino stehen
und hinderten die weiteren Bewegungen der Oesterreicher in keinerlei Weise.
Verpflegsschwierigkeiten sollen den Anlaß hierzu gegeben haben.

Der Bericht des Generalstabes schildert uns alle Maßnahme und Ent¬
würfe zur Fortführung des Krieges. Man wollte die Etschlinie halten und
hinter derselben Verstärkungen an sich ziehen. Die Hauptmacht ward im
verschanzten Lager von Verona vereinigt, weil man im Falle eines directen
feindlichen Angriffes ihm dort die Schlacht anbieten, im Falle eines Etsch-
überganges unterhalb Verona aber aus dem Lager vorbrechen wollte. Ehe
es aber zu weiteren Kämpfen kam, wurde der Waffenstillstand geschlossen.
Ueber die Motive, welche zum Abschlüsse desselben führten, gibt uns der vor-


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[0506] mißt. Unter dem Schutze derselben sollten sich die aus dem Gefechte zurück¬ gezogenen Truppen sammeln, während am 24. viele Abtheilungen, ohne Re¬ serven, gelassen, und der feindlichen Verfolgung preisgegeben, gewöhnlich aus große Entfernungen zurückgingen und vollkommen zersprengt wurden. — 3) Unsere zahlreiche Artillerie wurde nicht immer gehörig verwendet; man be¬ gnügte sich damit, einige Geschütze auf der Straße abprotzen zu lassen, wäh¬ rend auf entscheidenden Punkten ganze oder mehrere Batterien aufgeführt werden sollten, um ein starkes Feuer zu entwickeln. — 6) Die Aufbruchs¬ stunde war um 9 Uhr festgesetzt, dessen ungeachtet sind einige Truppenkörper viel später aufgebrochen und überhaupt ist der Aufmarsch einiger Armeekorps viel zu langsam vor sich gegangen. — 8) Die Truppen haben größtentheils ihre Schuldigkeit gethan, bet einigen Truppenführern vermisse ich aber Selb¬ ständigkeit, Dispositionsgabe und vor allem jene energische Activität, die so sehr aus die Truppen einwirkt." In der That war an den hier gerügten Umständen wesentlich der Erfolg gescheitert. Die strategische Anlage der Schlacht war eine ganz richtige und ebenso auch der oberste leitende Gedanke während derselben, aber ohne richtige Ausführung im Detail blieben sie erfolglos. Die Franzosen dagegen legten viel Energie an den Tag und zwei ihrer Korpsführer, Niet und Mac Mahon zeigten einen richtigen Blick, den Mac Mahon freilich elf Jahre später verloren zu haben schien. Niet hielt durch das mit großer Umsicht und Ausnutzung der Kräfte geführte Gefecht in der Ebene die 1, Armee fest, und Mac Mahon verstand abzuwarten, um den rechten Moment zum Vor¬ stoß mit seinem ganz intacter Korps zu benützen. Nach der Schlacht von Solferino blieben die Oesterreicher nur wenige Tage am linken Ufer des Mincio. Da die Armeekommandanten Zweifel äußerten, ob die Truppen unter den obwaltenden Verhältnissen mit Erfolg gegen einen nachhaltigen Angriff der Minciolinie ins Gefecht gebracht werden könnten, ward schon am 27. Juni der Rückzug hinter die Etsch beschlossen. Die Franzosen blieben, wie nach Magenta, so auch nach Solferino stehen und hinderten die weiteren Bewegungen der Oesterreicher in keinerlei Weise. Verpflegsschwierigkeiten sollen den Anlaß hierzu gegeben haben. Der Bericht des Generalstabes schildert uns alle Maßnahme und Ent¬ würfe zur Fortführung des Krieges. Man wollte die Etschlinie halten und hinter derselben Verstärkungen an sich ziehen. Die Hauptmacht ward im verschanzten Lager von Verona vereinigt, weil man im Falle eines directen feindlichen Angriffes ihm dort die Schlacht anbieten, im Falle eines Etsch- überganges unterhalb Verona aber aus dem Lager vorbrechen wollte. Ehe es aber zu weiteren Kämpfen kam, wurde der Waffenstillstand geschlossen. Ueber die Motive, welche zum Abschlüsse desselben führten, gibt uns der vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/506>, abgerufen am 27.07.2024.