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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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die drei Hauptgebrechen, welche die Visitatoren bei den damaligen Geistlichen
fanden. Die dann zu ihrer Beaufsichtigung eingesetzten Superintendenten
hatten schwere Arbeit und geraume Zeit wenig Erfolg. Die Klagen darüber
verstummen erst gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Noch lange nach
der Mitte desselben herrschte die Unsitte, daß die Landpfarrer in ihrem Hause
Bier ausschenkten. So schreibt der Kurfürst Moritz von Sachsen am 14. April
1549 an den Superintendenten Buchner zu Oschatz: "Würdiger, Lieber, An¬
dächtiger! Uns gelanget an, daß sich der Pfarrer zu Grödel Bier in der
Pfarren auszuschenken und öffentliche Tabern zu halten unterstehen soll, welches
nicht allein Uns an der Tranksteuer zu Abbruch, sondern auch dem Erb-
kretschmar (Ortsgastwirth) daselbst zu Nachtheil gereichen thut, zudem es auch
ärgerlich, daß Bier in Pfarren geschenkt und Gäste gesetzt werden sollen." --
"Derwegen unser Begehren, ihr wollet mit gemeldeten Pfarrer daraus reden
und ihm vermelden, daß er von solchem Schenken abstehe und sich deß ent¬
halte; denn ihr selbst zu erachten, was daraus erfolgen möchte." Und am
8. August 1649 schreiben die kurfürstlichen Räthe aus Torgau an das meißner
Consistorium, daß der Pfarrer zu Riesa in seinem Hause eine Bierschenke ein¬
gerichtet habe und sich auch sonst in seinem Wandel leichtfertig halten solle,
und ersuchen um Einschreiten gegen solchen Unfug. Noch die Generalartikel
vom 1. Januar 1580 kommen auf diese Ungebühr zurück, indem sie bestimmen:
"Es sollen auch die Pfarrer sich aller unehrlicher Handthierungen, wie auch
des Wein- und Bierschenkens, Kaufmannschaft, Verkaufs aus Wucher und
dergleichen Händel gänzlich enthalten"; ja noch ein Synodaldeeret vom 6. August
1624 weist die sächsischen Gerichtsherren an, zu sorgen, daß man an hohen
Festen nicht Getränke in die Kirche oder unter den Glockenthurm Schrote.
Die Geistlichen mögen an diesem Brauch damals keine Schuld mehr gehabt
haben, aber noch Selnecker, der 1592 starb, schildert seine Amtsbruder als
der Mehrzahl nach sehr unerbauliche Gesellen, "Der meiste Theil der Wächter,"
sagte er, "sind blind; sie gehen dahin wie eine blinde Kuh, wo sie ihres
Herzens Lust hintreibt, zur Hurerei, wie man an Papisten hat gesehen, zur
Vollere! und gutem Schlampamp, wie man an unsern Herrlein erfahret; denn
in den Sünden, die sie am meisten sollten strafen, Ehebruch, Sauferei und
andern Lastern, stecken sie bis an die Ohren. So ist das Leben gar fern von
der Lehre, daß man schier nicht mehr weiß, wo man einen feinen Mann,
Lehrer oder Pfarrherrn finden solle, der nicht große Laster auf sich hätte."

Nicht blos die niedere Geistlichkeit war in vielen ihrer Mitglieder dem
Trunke ergeben. Auch hochgestellten Predigern wurde übermäßiges Biertrinken
vorgeworfen. So dem bekannten Gegner der Flazianer, Osiander, welcher
^'ör an der Sebalduskirche in Nürnberg, dann in Königsberg angestellt war,
und der seine Leidenschaft für das Erzeugniß des Brauers selbst im Titel


die drei Hauptgebrechen, welche die Visitatoren bei den damaligen Geistlichen
fanden. Die dann zu ihrer Beaufsichtigung eingesetzten Superintendenten
hatten schwere Arbeit und geraume Zeit wenig Erfolg. Die Klagen darüber
verstummen erst gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Noch lange nach
der Mitte desselben herrschte die Unsitte, daß die Landpfarrer in ihrem Hause
Bier ausschenkten. So schreibt der Kurfürst Moritz von Sachsen am 14. April
1549 an den Superintendenten Buchner zu Oschatz: „Würdiger, Lieber, An¬
dächtiger! Uns gelanget an, daß sich der Pfarrer zu Grödel Bier in der
Pfarren auszuschenken und öffentliche Tabern zu halten unterstehen soll, welches
nicht allein Uns an der Tranksteuer zu Abbruch, sondern auch dem Erb-
kretschmar (Ortsgastwirth) daselbst zu Nachtheil gereichen thut, zudem es auch
ärgerlich, daß Bier in Pfarren geschenkt und Gäste gesetzt werden sollen." —
„Derwegen unser Begehren, ihr wollet mit gemeldeten Pfarrer daraus reden
und ihm vermelden, daß er von solchem Schenken abstehe und sich deß ent¬
halte; denn ihr selbst zu erachten, was daraus erfolgen möchte." Und am
8. August 1649 schreiben die kurfürstlichen Räthe aus Torgau an das meißner
Consistorium, daß der Pfarrer zu Riesa in seinem Hause eine Bierschenke ein¬
gerichtet habe und sich auch sonst in seinem Wandel leichtfertig halten solle,
und ersuchen um Einschreiten gegen solchen Unfug. Noch die Generalartikel
vom 1. Januar 1580 kommen auf diese Ungebühr zurück, indem sie bestimmen:
„Es sollen auch die Pfarrer sich aller unehrlicher Handthierungen, wie auch
des Wein- und Bierschenkens, Kaufmannschaft, Verkaufs aus Wucher und
dergleichen Händel gänzlich enthalten"; ja noch ein Synodaldeeret vom 6. August
1624 weist die sächsischen Gerichtsherren an, zu sorgen, daß man an hohen
Festen nicht Getränke in die Kirche oder unter den Glockenthurm Schrote.
Die Geistlichen mögen an diesem Brauch damals keine Schuld mehr gehabt
haben, aber noch Selnecker, der 1592 starb, schildert seine Amtsbruder als
der Mehrzahl nach sehr unerbauliche Gesellen, „Der meiste Theil der Wächter,"
sagte er, „sind blind; sie gehen dahin wie eine blinde Kuh, wo sie ihres
Herzens Lust hintreibt, zur Hurerei, wie man an Papisten hat gesehen, zur
Vollere! und gutem Schlampamp, wie man an unsern Herrlein erfahret; denn
in den Sünden, die sie am meisten sollten strafen, Ehebruch, Sauferei und
andern Lastern, stecken sie bis an die Ohren. So ist das Leben gar fern von
der Lehre, daß man schier nicht mehr weiß, wo man einen feinen Mann,
Lehrer oder Pfarrherrn finden solle, der nicht große Laster auf sich hätte."

Nicht blos die niedere Geistlichkeit war in vielen ihrer Mitglieder dem
Trunke ergeben. Auch hochgestellten Predigern wurde übermäßiges Biertrinken
vorgeworfen. So dem bekannten Gegner der Flazianer, Osiander, welcher
^'ör an der Sebalduskirche in Nürnberg, dann in Königsberg angestellt war,
und der seine Leidenschaft für das Erzeugniß des Brauers selbst im Titel


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[0383] die drei Hauptgebrechen, welche die Visitatoren bei den damaligen Geistlichen fanden. Die dann zu ihrer Beaufsichtigung eingesetzten Superintendenten hatten schwere Arbeit und geraume Zeit wenig Erfolg. Die Klagen darüber verstummen erst gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Noch lange nach der Mitte desselben herrschte die Unsitte, daß die Landpfarrer in ihrem Hause Bier ausschenkten. So schreibt der Kurfürst Moritz von Sachsen am 14. April 1549 an den Superintendenten Buchner zu Oschatz: „Würdiger, Lieber, An¬ dächtiger! Uns gelanget an, daß sich der Pfarrer zu Grödel Bier in der Pfarren auszuschenken und öffentliche Tabern zu halten unterstehen soll, welches nicht allein Uns an der Tranksteuer zu Abbruch, sondern auch dem Erb- kretschmar (Ortsgastwirth) daselbst zu Nachtheil gereichen thut, zudem es auch ärgerlich, daß Bier in Pfarren geschenkt und Gäste gesetzt werden sollen." — „Derwegen unser Begehren, ihr wollet mit gemeldeten Pfarrer daraus reden und ihm vermelden, daß er von solchem Schenken abstehe und sich deß ent¬ halte; denn ihr selbst zu erachten, was daraus erfolgen möchte." Und am 8. August 1649 schreiben die kurfürstlichen Räthe aus Torgau an das meißner Consistorium, daß der Pfarrer zu Riesa in seinem Hause eine Bierschenke ein¬ gerichtet habe und sich auch sonst in seinem Wandel leichtfertig halten solle, und ersuchen um Einschreiten gegen solchen Unfug. Noch die Generalartikel vom 1. Januar 1580 kommen auf diese Ungebühr zurück, indem sie bestimmen: „Es sollen auch die Pfarrer sich aller unehrlicher Handthierungen, wie auch des Wein- und Bierschenkens, Kaufmannschaft, Verkaufs aus Wucher und dergleichen Händel gänzlich enthalten"; ja noch ein Synodaldeeret vom 6. August 1624 weist die sächsischen Gerichtsherren an, zu sorgen, daß man an hohen Festen nicht Getränke in die Kirche oder unter den Glockenthurm Schrote. Die Geistlichen mögen an diesem Brauch damals keine Schuld mehr gehabt haben, aber noch Selnecker, der 1592 starb, schildert seine Amtsbruder als der Mehrzahl nach sehr unerbauliche Gesellen, „Der meiste Theil der Wächter," sagte er, „sind blind; sie gehen dahin wie eine blinde Kuh, wo sie ihres Herzens Lust hintreibt, zur Hurerei, wie man an Papisten hat gesehen, zur Vollere! und gutem Schlampamp, wie man an unsern Herrlein erfahret; denn in den Sünden, die sie am meisten sollten strafen, Ehebruch, Sauferei und andern Lastern, stecken sie bis an die Ohren. So ist das Leben gar fern von der Lehre, daß man schier nicht mehr weiß, wo man einen feinen Mann, Lehrer oder Pfarrherrn finden solle, der nicht große Laster auf sich hätte." Nicht blos die niedere Geistlichkeit war in vielen ihrer Mitglieder dem Trunke ergeben. Auch hochgestellten Predigern wurde übermäßiges Biertrinken vorgeworfen. So dem bekannten Gegner der Flazianer, Osiander, welcher ^'ör an der Sebalduskirche in Nürnberg, dann in Königsberg angestellt war, und der seine Leidenschaft für das Erzeugniß des Brauers selbst im Titel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/383>, abgerufen am 26.11.2024.