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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Mann geht seiner würdig ab" II. 63); so aber auch in seinem Schreiben an
Hardenberg vom 14. Juni 1810, in welchem er seinen eigenen Rücktritt von
dem Zusammenwirken mit Altenstein und Dohna nach Stein's Scheiden in
folgender Weise motivirte: "ich konnte es nicht ertragen den Stein'schen Grund-
Plan in Beziehung aufs Volk durchaus unbeachtet und verworfen zu sehen;
ich konnte nicht dabei stehen wenn ich das was Stein seinen Freunden in
seinem Testament ans Herz gelegt und mit dem Hochverrath gegen unseren
König für den, der davon abwich, besiegelt hatte, als nichtig und werthlos
verworfen sah." Mit Recht fragt M. Lehmann, dem wir diese Stelle ver¬
danken (S. 121): "kann man unumwundener jemandes Anrecht an ein litte¬
rarisches Werk anerkennen, als hier mit Bezug auf Stein und sein soge¬
nanntes politisches Testament geschieht?"

Aus welchen Motiven Schön's spätere Verstimmung gegen Stein, der
Umschwung in seinem Urtheile über Stein's Wirken und Wesen entsprungen,
aus welchen Motiven auch die den alten Schön immer ausschließlicher und
immer heftiger erfüllende Forderung, selbst als der Kopf der Reformgesetz¬
gebung von 1807--1813 angesehen zu werden, entstanden ist -- ich meine
der Inhalt des hier angezeigten dritten Bandes hat zur Beantwortung dieser
Fragen schon deutliche Fingerzeige gegeben und schon recht erhebliche Bei¬
träge ans Licht des Tages gefördert. Doch darüber bei späterer Gelegen¬
heit mehr.


W. Maurenbrecher.


Die Kanzel in der guten alten Zeit.
in.

Unter einem Pfarrer stellt man sich jetzt einen würdigen, maßvollen
Herrn vor, der, wenn er ganz dem Ideale entspricht, einen schwarzen Rock
bis zur halben Wade und ein blüthenweißes Halstuch als Jnterimsuniform
trägt. Kleider von hellen Farben untersagt ihm die Sitte, den Bollbart
duldet das Consistorium nicht, es ist schön, wenn er nicht lacht, sondern nur
lächelt. Ihn ein Glas über den Durst trinken, ihn tanzen zu sehen, wäre
ein Greuel. Sein Leben soll durchaus ohne Makel, seine Haltung ehrbar
f^n, und in der großen Mehrzahl entsprechen unsere Geistlichen diesen An¬
forderungen.

In einer Periode der guten alten Zeit, in den Tagen Luther's war dem


Grenzboten II. 187"i. 48

Mann geht seiner würdig ab" II. 63); so aber auch in seinem Schreiben an
Hardenberg vom 14. Juni 1810, in welchem er seinen eigenen Rücktritt von
dem Zusammenwirken mit Altenstein und Dohna nach Stein's Scheiden in
folgender Weise motivirte: „ich konnte es nicht ertragen den Stein'schen Grund-
Plan in Beziehung aufs Volk durchaus unbeachtet und verworfen zu sehen;
ich konnte nicht dabei stehen wenn ich das was Stein seinen Freunden in
seinem Testament ans Herz gelegt und mit dem Hochverrath gegen unseren
König für den, der davon abwich, besiegelt hatte, als nichtig und werthlos
verworfen sah." Mit Recht fragt M. Lehmann, dem wir diese Stelle ver¬
danken (S. 121): „kann man unumwundener jemandes Anrecht an ein litte¬
rarisches Werk anerkennen, als hier mit Bezug auf Stein und sein soge¬
nanntes politisches Testament geschieht?"

Aus welchen Motiven Schön's spätere Verstimmung gegen Stein, der
Umschwung in seinem Urtheile über Stein's Wirken und Wesen entsprungen,
aus welchen Motiven auch die den alten Schön immer ausschließlicher und
immer heftiger erfüllende Forderung, selbst als der Kopf der Reformgesetz¬
gebung von 1807—1813 angesehen zu werden, entstanden ist — ich meine
der Inhalt des hier angezeigten dritten Bandes hat zur Beantwortung dieser
Fragen schon deutliche Fingerzeige gegeben und schon recht erhebliche Bei¬
träge ans Licht des Tages gefördert. Doch darüber bei späterer Gelegen¬
heit mehr.


W. Maurenbrecher.


Die Kanzel in der guten alten Zeit.
in.

Unter einem Pfarrer stellt man sich jetzt einen würdigen, maßvollen
Herrn vor, der, wenn er ganz dem Ideale entspricht, einen schwarzen Rock
bis zur halben Wade und ein blüthenweißes Halstuch als Jnterimsuniform
trägt. Kleider von hellen Farben untersagt ihm die Sitte, den Bollbart
duldet das Consistorium nicht, es ist schön, wenn er nicht lacht, sondern nur
lächelt. Ihn ein Glas über den Durst trinken, ihn tanzen zu sehen, wäre
ein Greuel. Sein Leben soll durchaus ohne Makel, seine Haltung ehrbar
f^n, und in der großen Mehrzahl entsprechen unsere Geistlichen diesen An¬
forderungen.

In einer Periode der guten alten Zeit, in den Tagen Luther's war dem


Grenzboten II. 187«i. 48
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[0381] Mann geht seiner würdig ab" II. 63); so aber auch in seinem Schreiben an Hardenberg vom 14. Juni 1810, in welchem er seinen eigenen Rücktritt von dem Zusammenwirken mit Altenstein und Dohna nach Stein's Scheiden in folgender Weise motivirte: „ich konnte es nicht ertragen den Stein'schen Grund- Plan in Beziehung aufs Volk durchaus unbeachtet und verworfen zu sehen; ich konnte nicht dabei stehen wenn ich das was Stein seinen Freunden in seinem Testament ans Herz gelegt und mit dem Hochverrath gegen unseren König für den, der davon abwich, besiegelt hatte, als nichtig und werthlos verworfen sah." Mit Recht fragt M. Lehmann, dem wir diese Stelle ver¬ danken (S. 121): „kann man unumwundener jemandes Anrecht an ein litte¬ rarisches Werk anerkennen, als hier mit Bezug auf Stein und sein soge¬ nanntes politisches Testament geschieht?" Aus welchen Motiven Schön's spätere Verstimmung gegen Stein, der Umschwung in seinem Urtheile über Stein's Wirken und Wesen entsprungen, aus welchen Motiven auch die den alten Schön immer ausschließlicher und immer heftiger erfüllende Forderung, selbst als der Kopf der Reformgesetz¬ gebung von 1807—1813 angesehen zu werden, entstanden ist — ich meine der Inhalt des hier angezeigten dritten Bandes hat zur Beantwortung dieser Fragen schon deutliche Fingerzeige gegeben und schon recht erhebliche Bei¬ träge ans Licht des Tages gefördert. Doch darüber bei späterer Gelegen¬ heit mehr. W. Maurenbrecher. Die Kanzel in der guten alten Zeit. in. Unter einem Pfarrer stellt man sich jetzt einen würdigen, maßvollen Herrn vor, der, wenn er ganz dem Ideale entspricht, einen schwarzen Rock bis zur halben Wade und ein blüthenweißes Halstuch als Jnterimsuniform trägt. Kleider von hellen Farben untersagt ihm die Sitte, den Bollbart duldet das Consistorium nicht, es ist schön, wenn er nicht lacht, sondern nur lächelt. Ihn ein Glas über den Durst trinken, ihn tanzen zu sehen, wäre ein Greuel. Sein Leben soll durchaus ohne Makel, seine Haltung ehrbar f^n, und in der großen Mehrzahl entsprechen unsere Geistlichen diesen An¬ forderungen. In einer Periode der guten alten Zeit, in den Tagen Luther's war dem Grenzboten II. 187«i. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/381>, abgerufen am 27.11.2024.