Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jemand eine bessere Schmiede, welches einmal aus Sanct Nimmerstag ge¬
schehen wird."

Auch die Prediger, die nicht in diese Classe fallen, leiden oft an schweren
Gebrechen. Sie sind im erassesten Teufels- und Hexenglauben befangen, sie
geben in der Regel mehr auf das Dogma als aus die Moral, sie sind breit¬
spurig und unbeholfen, und sie schweifen unaufhörlich von ihrem Thema
ab. Viele ihrer Ausdrücke sind geschmacklos, viele ihrer Gleichnisse hinken,
häufig wird derselbe Gedanke ein halb Dutzend Mal wiederholt, ohne daß
er sich dabei klärte. Auch in der Logik ist man meist übel beschlagen. "Aecker,
Ochsen und Weiber sind Gottes Creatur", sagt in ungeschicktester Zusammen¬
stellung selbst ein sonst hervorragender Homilet wie Cyriacus Spangen¬
berg in einer seiner Predigten, und Christoph Fischer, der in dem letzten
Viertel des sechzehnten Jahrhunderts Generalsuperintendent in Celle war,
zieht gegen die Weltweisen, welche sich auf ihre Klugheit verlassen, mit folgen¬
den, damals freilich auch außer den Kirchen nicht ungewöhnlichen Grobheiten
los: "In die Kühe gehören nicht Muskaten, sondern Kleie und Treber, und
eine Sau mästet sich lieber im Koth als mit niedlicher Speise. Aber sie
werden die himmlische Mahlzeit in Ewigkeit nicht schmecken, sondern des
Teufels Hundssuppe (die er ihnen jetzt allbereit zugesetzet hat und am höllischen
Feuer kochet, dieselbe ihnen auch am jüngsten Tage anrichten will) in Ewig¬
keit fressen müssen; weil sie Christum verwerfen, so verwirft er sie wieder." --
"Es ist solchen Weisen und Verständigen eben wie einem vollen satten Bauch,
der sich so vollgefressen und gesoffen, daß er strotzet. Wenn man gleich dem¬
selben das edelste und beste Essen vorsetzt, so trägt er doch einen Grauen,
Ekel und Abscheu dafür, daß er's auch nicht riechen mag." Ferner: "Durchs
Evangelium werden wir verneuert, aus Sündern Gerechte, aus Feinden Got¬
tes Freunde, ja Kinder und Erben, aus des höllischen Feindes Cloaken des
heiligen Geistes Tempel, aus Höllenbränden Himmelsfürsten." -- "Laßt Gott
kochen und tragt ihm Wasser zu, seid und bleibt seine Schüler und nicht seine
Klügel." -- "Wir sollen Christum, den schweren Vogel, uns nicht aus den
Hals laden und die Finger an ihm nicht verbrennen; denn es kommt allen
übel, wie gar viel Exempel beweisen, daß ein Stück vom Hirnschädel da, das
andere dort hin ausgespritzt ist." In einer Predigt über den Gehorsam gegen
Christus heißt es: "Wenn einer verwirkt hätte, daß man ihn in vier Theile
theilen oder die Haut über die Ohren ziehen sollte, oder alle Adern aus seinem
Leib mit glühenden Zangen herauszerren sollte, wäre auch allbereit für das
Peinliche Gericht gestellet, das Urtheil wäre über ihn gefällt, er wäre auch
dem Henker am Strick übergeben und überantwortet, und Einer käme, hieb
ihn dem Henker vom Strick los, stellt ihn auf freie Füße, macht ihn zum
irdischen Fürsten, gäbe ihm Land, Leute, Geld und Gut genug und legt


Jemand eine bessere Schmiede, welches einmal aus Sanct Nimmerstag ge¬
schehen wird."

Auch die Prediger, die nicht in diese Classe fallen, leiden oft an schweren
Gebrechen. Sie sind im erassesten Teufels- und Hexenglauben befangen, sie
geben in der Regel mehr auf das Dogma als aus die Moral, sie sind breit¬
spurig und unbeholfen, und sie schweifen unaufhörlich von ihrem Thema
ab. Viele ihrer Ausdrücke sind geschmacklos, viele ihrer Gleichnisse hinken,
häufig wird derselbe Gedanke ein halb Dutzend Mal wiederholt, ohne daß
er sich dabei klärte. Auch in der Logik ist man meist übel beschlagen. „Aecker,
Ochsen und Weiber sind Gottes Creatur", sagt in ungeschicktester Zusammen¬
stellung selbst ein sonst hervorragender Homilet wie Cyriacus Spangen¬
berg in einer seiner Predigten, und Christoph Fischer, der in dem letzten
Viertel des sechzehnten Jahrhunderts Generalsuperintendent in Celle war,
zieht gegen die Weltweisen, welche sich auf ihre Klugheit verlassen, mit folgen¬
den, damals freilich auch außer den Kirchen nicht ungewöhnlichen Grobheiten
los: „In die Kühe gehören nicht Muskaten, sondern Kleie und Treber, und
eine Sau mästet sich lieber im Koth als mit niedlicher Speise. Aber sie
werden die himmlische Mahlzeit in Ewigkeit nicht schmecken, sondern des
Teufels Hundssuppe (die er ihnen jetzt allbereit zugesetzet hat und am höllischen
Feuer kochet, dieselbe ihnen auch am jüngsten Tage anrichten will) in Ewig¬
keit fressen müssen; weil sie Christum verwerfen, so verwirft er sie wieder." —
„Es ist solchen Weisen und Verständigen eben wie einem vollen satten Bauch,
der sich so vollgefressen und gesoffen, daß er strotzet. Wenn man gleich dem¬
selben das edelste und beste Essen vorsetzt, so trägt er doch einen Grauen,
Ekel und Abscheu dafür, daß er's auch nicht riechen mag." Ferner: „Durchs
Evangelium werden wir verneuert, aus Sündern Gerechte, aus Feinden Got¬
tes Freunde, ja Kinder und Erben, aus des höllischen Feindes Cloaken des
heiligen Geistes Tempel, aus Höllenbränden Himmelsfürsten." — „Laßt Gott
kochen und tragt ihm Wasser zu, seid und bleibt seine Schüler und nicht seine
Klügel." — „Wir sollen Christum, den schweren Vogel, uns nicht aus den
Hals laden und die Finger an ihm nicht verbrennen; denn es kommt allen
übel, wie gar viel Exempel beweisen, daß ein Stück vom Hirnschädel da, das
andere dort hin ausgespritzt ist." In einer Predigt über den Gehorsam gegen
Christus heißt es: „Wenn einer verwirkt hätte, daß man ihn in vier Theile
theilen oder die Haut über die Ohren ziehen sollte, oder alle Adern aus seinem
Leib mit glühenden Zangen herauszerren sollte, wäre auch allbereit für das
Peinliche Gericht gestellet, das Urtheil wäre über ihn gefällt, er wäre auch
dem Henker am Strick übergeben und überantwortet, und Einer käme, hieb
ihn dem Henker vom Strick los, stellt ihn auf freie Füße, macht ihn zum
irdischen Fürsten, gäbe ihm Land, Leute, Geld und Gut genug und legt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135920"/>
          <p xml:id="ID_1104" prev="#ID_1103"> Jemand eine bessere Schmiede, welches einmal aus Sanct Nimmerstag ge¬<lb/>
schehen wird."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1105" next="#ID_1106"> Auch die Prediger, die nicht in diese Classe fallen, leiden oft an schweren<lb/>
Gebrechen. Sie sind im erassesten Teufels- und Hexenglauben befangen, sie<lb/>
geben in der Regel mehr auf das Dogma als aus die Moral, sie sind breit¬<lb/>
spurig und unbeholfen, und sie schweifen unaufhörlich von ihrem Thema<lb/>
ab. Viele ihrer Ausdrücke sind geschmacklos, viele ihrer Gleichnisse hinken,<lb/>
häufig wird derselbe Gedanke ein halb Dutzend Mal wiederholt, ohne daß<lb/>
er sich dabei klärte. Auch in der Logik ist man meist übel beschlagen. &#x201E;Aecker,<lb/>
Ochsen und Weiber sind Gottes Creatur", sagt in ungeschicktester Zusammen¬<lb/>
stellung selbst ein sonst hervorragender Homilet wie Cyriacus Spangen¬<lb/>
berg in einer seiner Predigten, und Christoph Fischer, der in dem letzten<lb/>
Viertel des sechzehnten Jahrhunderts Generalsuperintendent in Celle war,<lb/>
zieht gegen die Weltweisen, welche sich auf ihre Klugheit verlassen, mit folgen¬<lb/>
den, damals freilich auch außer den Kirchen nicht ungewöhnlichen Grobheiten<lb/>
los: &#x201E;In die Kühe gehören nicht Muskaten, sondern Kleie und Treber, und<lb/>
eine Sau mästet sich lieber im Koth als mit niedlicher Speise. Aber sie<lb/>
werden die himmlische Mahlzeit in Ewigkeit nicht schmecken, sondern des<lb/>
Teufels Hundssuppe (die er ihnen jetzt allbereit zugesetzet hat und am höllischen<lb/>
Feuer kochet, dieselbe ihnen auch am jüngsten Tage anrichten will) in Ewig¬<lb/>
keit fressen müssen; weil sie Christum verwerfen, so verwirft er sie wieder." &#x2014;<lb/>
&#x201E;Es ist solchen Weisen und Verständigen eben wie einem vollen satten Bauch,<lb/>
der sich so vollgefressen und gesoffen, daß er strotzet. Wenn man gleich dem¬<lb/>
selben das edelste und beste Essen vorsetzt, so trägt er doch einen Grauen,<lb/>
Ekel und Abscheu dafür, daß er's auch nicht riechen mag." Ferner: &#x201E;Durchs<lb/>
Evangelium werden wir verneuert, aus Sündern Gerechte, aus Feinden Got¬<lb/>
tes Freunde, ja Kinder und Erben, aus des höllischen Feindes Cloaken des<lb/>
heiligen Geistes Tempel, aus Höllenbränden Himmelsfürsten." &#x2014; &#x201E;Laßt Gott<lb/>
kochen und tragt ihm Wasser zu, seid und bleibt seine Schüler und nicht seine<lb/>
Klügel." &#x2014; &#x201E;Wir sollen Christum, den schweren Vogel, uns nicht aus den<lb/>
Hals laden und die Finger an ihm nicht verbrennen; denn es kommt allen<lb/>
übel, wie gar viel Exempel beweisen, daß ein Stück vom Hirnschädel da, das<lb/>
andere dort hin ausgespritzt ist." In einer Predigt über den Gehorsam gegen<lb/>
Christus heißt es: &#x201E;Wenn einer verwirkt hätte, daß man ihn in vier Theile<lb/>
theilen oder die Haut über die Ohren ziehen sollte, oder alle Adern aus seinem<lb/>
Leib mit glühenden Zangen herauszerren sollte, wäre auch allbereit für das<lb/>
Peinliche Gericht gestellet, das Urtheil wäre über ihn gefällt, er wäre auch<lb/>
dem Henker am Strick übergeben und überantwortet, und Einer käme, hieb<lb/>
ihn dem Henker vom Strick los, stellt ihn auf freie Füße, macht ihn zum<lb/>
irdischen Fürsten, gäbe ihm Land, Leute, Geld und Gut genug und legt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] Jemand eine bessere Schmiede, welches einmal aus Sanct Nimmerstag ge¬ schehen wird." Auch die Prediger, die nicht in diese Classe fallen, leiden oft an schweren Gebrechen. Sie sind im erassesten Teufels- und Hexenglauben befangen, sie geben in der Regel mehr auf das Dogma als aus die Moral, sie sind breit¬ spurig und unbeholfen, und sie schweifen unaufhörlich von ihrem Thema ab. Viele ihrer Ausdrücke sind geschmacklos, viele ihrer Gleichnisse hinken, häufig wird derselbe Gedanke ein halb Dutzend Mal wiederholt, ohne daß er sich dabei klärte. Auch in der Logik ist man meist übel beschlagen. „Aecker, Ochsen und Weiber sind Gottes Creatur", sagt in ungeschicktester Zusammen¬ stellung selbst ein sonst hervorragender Homilet wie Cyriacus Spangen¬ berg in einer seiner Predigten, und Christoph Fischer, der in dem letzten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts Generalsuperintendent in Celle war, zieht gegen die Weltweisen, welche sich auf ihre Klugheit verlassen, mit folgen¬ den, damals freilich auch außer den Kirchen nicht ungewöhnlichen Grobheiten los: „In die Kühe gehören nicht Muskaten, sondern Kleie und Treber, und eine Sau mästet sich lieber im Koth als mit niedlicher Speise. Aber sie werden die himmlische Mahlzeit in Ewigkeit nicht schmecken, sondern des Teufels Hundssuppe (die er ihnen jetzt allbereit zugesetzet hat und am höllischen Feuer kochet, dieselbe ihnen auch am jüngsten Tage anrichten will) in Ewig¬ keit fressen müssen; weil sie Christum verwerfen, so verwirft er sie wieder." — „Es ist solchen Weisen und Verständigen eben wie einem vollen satten Bauch, der sich so vollgefressen und gesoffen, daß er strotzet. Wenn man gleich dem¬ selben das edelste und beste Essen vorsetzt, so trägt er doch einen Grauen, Ekel und Abscheu dafür, daß er's auch nicht riechen mag." Ferner: „Durchs Evangelium werden wir verneuert, aus Sündern Gerechte, aus Feinden Got¬ tes Freunde, ja Kinder und Erben, aus des höllischen Feindes Cloaken des heiligen Geistes Tempel, aus Höllenbränden Himmelsfürsten." — „Laßt Gott kochen und tragt ihm Wasser zu, seid und bleibt seine Schüler und nicht seine Klügel." — „Wir sollen Christum, den schweren Vogel, uns nicht aus den Hals laden und die Finger an ihm nicht verbrennen; denn es kommt allen übel, wie gar viel Exempel beweisen, daß ein Stück vom Hirnschädel da, das andere dort hin ausgespritzt ist." In einer Predigt über den Gehorsam gegen Christus heißt es: „Wenn einer verwirkt hätte, daß man ihn in vier Theile theilen oder die Haut über die Ohren ziehen sollte, oder alle Adern aus seinem Leib mit glühenden Zangen herauszerren sollte, wäre auch allbereit für das Peinliche Gericht gestellet, das Urtheil wäre über ihn gefällt, er wäre auch dem Henker am Strick übergeben und überantwortet, und Einer käme, hieb ihn dem Henker vom Strick los, stellt ihn auf freie Füße, macht ihn zum irdischen Fürsten, gäbe ihm Land, Leute, Geld und Gut genug und legt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/339>, abgerufen am 28.07.2024.