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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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andern Quellen in der Schlach t oder sonst plötzlich umgekommnen Juden
"Exodus 32, dreitausend, Numeri 14, sechshundert und drei tausend, fünf¬
hundertundfünfzig" u. s. f.) Summa aller derer Juden, denen ich gewaltthätig
habe das Leben genommen und sie ritterlich obgesieget. steigt nach klarer
Zeugniß der göttlichen Schrift auf die achtmalhundert und vierundfünfzigtau-
send mal tausend zweitausend und siebenundsechzig. Und ich soll euch Sol¬
daten fürchten? Nein, nein, nein, nein, das Gewehr ab. Ob zwar euer
Kriegshaupt Mars und ich, Mors, Namens halber etwas verwandt, so mag
ich doch dießfalls die Neutralität nicht lassen einschleichen, sondern erklär mich
euch zu einem ewigen Feind, und ist keiner befreit von meiner Botmäßigkeit.
Wer daran einen Zweifel fasset, der frage zu Wien die erste Schildwand."

Die zweite Stelle findet sich in der Sammlung "Wunderwürdiges, ganz
neu ausgehecktes Narrennest," wo Abraham a Sancta Clara gegen den Ge¬
brauch von Kaffee, Thee und Chocolade eifert. Es heißt da u. A. von der
letzteren, die dem Prediger beiläufig männlichen Geschlechts ist:

"Vor die Weiber gedunket er mich etwas zu hitzig zu sein; denn es ist
das Weibervolk jetziger Zeit ohnedem hitzig genug zur Fortpflanzung des
Menschlichen Geschlechts, und darf sich die Frau keines Chocolade-Ziegels
bedienen, dem Mann in das Register der unsterblichen Hanreyen einzuschreiben,
sondern vielmehr einer abkühlenden Frescade oder aber gefrornen Saftes,
deren sie sich in der Fastnacht nach allzugroßer Strapatzirung zu gebrauchen
Pflegen, indem dem Manne mehr daran gelegen ist, die Venus zu dämpfen,
als selbe zu erwecken." "Jhro gestrengen, die alte Frau von Krachbein und
Dörrnmüme. welche nunmehr mit der Hülfe Gottes das sechzigste Jahr und
in der zweiundfünfztgsten Wochen die zwölf Stunden erlebt, hat unlängst dem
Herrn Doctor bekennt, daß sie eine solche Hitz im Leibe und dabei einen solchen
Antrieb der Natur empfinde trutz einem Mägdlein von sechzehn Jahren, weilen
ste sich eine Zeithero gänzlich zu dem Chocolade gewohnet und allezeit eine
Schale voll austrinke, ehe und bevor sie in die Predigt gehet. So hat dann
auch nicht weniger dem Herrn Feuerfax, welcher in dem academischen Leben
allbereits sein Pulver und Blei verschossen, seine junge Frau alle Tag ein
halb Pfund Pistatzen und einen ganzen Chocolade-Ziegel verordnet, damit er
bie geschwächte Natur wieder zu rechtmäßiger Stärke bringe."

Es ist wohl überflüssig, derlei Dinge näher zu bezeichnen. Sie konnten
kaum einen andern Zweck haben, als die Predigt einem verdorbenen Geschmack
pikant zu machen. Aber in Wien war auch später, sehr viel später, wie das
bekannte Räthsel zeigt, welches Zacharias Werner in einer Predigt einem ge¬
wählten wiener Publicum aufgab und nach einer Pause voll Verlegenheit
unter seinen Zuhörern, die etwas ganz Anderes gefürchtet hatten, mit "Zunge"
löste, auf der Kanzel Aehnliches, vielleicht Schlimmeres möglich. Auch die


andern Quellen in der Schlach t oder sonst plötzlich umgekommnen Juden
„Exodus 32, dreitausend, Numeri 14, sechshundert und drei tausend, fünf¬
hundertundfünfzig" u. s. f.) Summa aller derer Juden, denen ich gewaltthätig
habe das Leben genommen und sie ritterlich obgesieget. steigt nach klarer
Zeugniß der göttlichen Schrift auf die achtmalhundert und vierundfünfzigtau-
send mal tausend zweitausend und siebenundsechzig. Und ich soll euch Sol¬
daten fürchten? Nein, nein, nein, nein, das Gewehr ab. Ob zwar euer
Kriegshaupt Mars und ich, Mors, Namens halber etwas verwandt, so mag
ich doch dießfalls die Neutralität nicht lassen einschleichen, sondern erklär mich
euch zu einem ewigen Feind, und ist keiner befreit von meiner Botmäßigkeit.
Wer daran einen Zweifel fasset, der frage zu Wien die erste Schildwand."

Die zweite Stelle findet sich in der Sammlung „Wunderwürdiges, ganz
neu ausgehecktes Narrennest," wo Abraham a Sancta Clara gegen den Ge¬
brauch von Kaffee, Thee und Chocolade eifert. Es heißt da u. A. von der
letzteren, die dem Prediger beiläufig männlichen Geschlechts ist:

„Vor die Weiber gedunket er mich etwas zu hitzig zu sein; denn es ist
das Weibervolk jetziger Zeit ohnedem hitzig genug zur Fortpflanzung des
Menschlichen Geschlechts, und darf sich die Frau keines Chocolade-Ziegels
bedienen, dem Mann in das Register der unsterblichen Hanreyen einzuschreiben,
sondern vielmehr einer abkühlenden Frescade oder aber gefrornen Saftes,
deren sie sich in der Fastnacht nach allzugroßer Strapatzirung zu gebrauchen
Pflegen, indem dem Manne mehr daran gelegen ist, die Venus zu dämpfen,
als selbe zu erwecken." „Jhro gestrengen, die alte Frau von Krachbein und
Dörrnmüme. welche nunmehr mit der Hülfe Gottes das sechzigste Jahr und
in der zweiundfünfztgsten Wochen die zwölf Stunden erlebt, hat unlängst dem
Herrn Doctor bekennt, daß sie eine solche Hitz im Leibe und dabei einen solchen
Antrieb der Natur empfinde trutz einem Mägdlein von sechzehn Jahren, weilen
ste sich eine Zeithero gänzlich zu dem Chocolade gewohnet und allezeit eine
Schale voll austrinke, ehe und bevor sie in die Predigt gehet. So hat dann
auch nicht weniger dem Herrn Feuerfax, welcher in dem academischen Leben
allbereits sein Pulver und Blei verschossen, seine junge Frau alle Tag ein
halb Pfund Pistatzen und einen ganzen Chocolade-Ziegel verordnet, damit er
bie geschwächte Natur wieder zu rechtmäßiger Stärke bringe."

Es ist wohl überflüssig, derlei Dinge näher zu bezeichnen. Sie konnten
kaum einen andern Zweck haben, als die Predigt einem verdorbenen Geschmack
pikant zu machen. Aber in Wien war auch später, sehr viel später, wie das
bekannte Räthsel zeigt, welches Zacharias Werner in einer Predigt einem ge¬
wählten wiener Publicum aufgab und nach einer Pause voll Verlegenheit
unter seinen Zuhörern, die etwas ganz Anderes gefürchtet hatten, mit „Zunge"
löste, auf der Kanzel Aehnliches, vielleicht Schlimmeres möglich. Auch die


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[0295] andern Quellen in der Schlach t oder sonst plötzlich umgekommnen Juden „Exodus 32, dreitausend, Numeri 14, sechshundert und drei tausend, fünf¬ hundertundfünfzig" u. s. f.) Summa aller derer Juden, denen ich gewaltthätig habe das Leben genommen und sie ritterlich obgesieget. steigt nach klarer Zeugniß der göttlichen Schrift auf die achtmalhundert und vierundfünfzigtau- send mal tausend zweitausend und siebenundsechzig. Und ich soll euch Sol¬ daten fürchten? Nein, nein, nein, nein, das Gewehr ab. Ob zwar euer Kriegshaupt Mars und ich, Mors, Namens halber etwas verwandt, so mag ich doch dießfalls die Neutralität nicht lassen einschleichen, sondern erklär mich euch zu einem ewigen Feind, und ist keiner befreit von meiner Botmäßigkeit. Wer daran einen Zweifel fasset, der frage zu Wien die erste Schildwand." Die zweite Stelle findet sich in der Sammlung „Wunderwürdiges, ganz neu ausgehecktes Narrennest," wo Abraham a Sancta Clara gegen den Ge¬ brauch von Kaffee, Thee und Chocolade eifert. Es heißt da u. A. von der letzteren, die dem Prediger beiläufig männlichen Geschlechts ist: „Vor die Weiber gedunket er mich etwas zu hitzig zu sein; denn es ist das Weibervolk jetziger Zeit ohnedem hitzig genug zur Fortpflanzung des Menschlichen Geschlechts, und darf sich die Frau keines Chocolade-Ziegels bedienen, dem Mann in das Register der unsterblichen Hanreyen einzuschreiben, sondern vielmehr einer abkühlenden Frescade oder aber gefrornen Saftes, deren sie sich in der Fastnacht nach allzugroßer Strapatzirung zu gebrauchen Pflegen, indem dem Manne mehr daran gelegen ist, die Venus zu dämpfen, als selbe zu erwecken." „Jhro gestrengen, die alte Frau von Krachbein und Dörrnmüme. welche nunmehr mit der Hülfe Gottes das sechzigste Jahr und in der zweiundfünfztgsten Wochen die zwölf Stunden erlebt, hat unlängst dem Herrn Doctor bekennt, daß sie eine solche Hitz im Leibe und dabei einen solchen Antrieb der Natur empfinde trutz einem Mägdlein von sechzehn Jahren, weilen ste sich eine Zeithero gänzlich zu dem Chocolade gewohnet und allezeit eine Schale voll austrinke, ehe und bevor sie in die Predigt gehet. So hat dann auch nicht weniger dem Herrn Feuerfax, welcher in dem academischen Leben allbereits sein Pulver und Blei verschossen, seine junge Frau alle Tag ein halb Pfund Pistatzen und einen ganzen Chocolade-Ziegel verordnet, damit er bie geschwächte Natur wieder zu rechtmäßiger Stärke bringe." Es ist wohl überflüssig, derlei Dinge näher zu bezeichnen. Sie konnten kaum einen andern Zweck haben, als die Predigt einem verdorbenen Geschmack pikant zu machen. Aber in Wien war auch später, sehr viel später, wie das bekannte Räthsel zeigt, welches Zacharias Werner in einer Predigt einem ge¬ wählten wiener Publicum aufgab und nach einer Pause voll Verlegenheit unter seinen Zuhörern, die etwas ganz Anderes gefürchtet hatten, mit „Zunge" löste, auf der Kanzel Aehnliches, vielleicht Schlimmeres möglich. Auch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/295>, abgerufen am 27.11.2024.