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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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sein Angesicht vom Ruß und Schmutz so zugerichtet, daß er einer Copie des
Teufels ähnlich gesehen."

Recht charakteristisch ist die Predigt über das allmächtige Gebet, welche
wie folgender Klimax anfängt: "Alexander ist mächtig gewest, Hannibal ist
mächtig gewest, Pompejus ist mächtig gewest, Xerxes auch, Scipio auch, Lu- ^
cultus auch. Aber ein Ding ist mächtiger. Grad machen, was krumm ist,
Kescheidt machen, was plump ist, schön machen, was schlecht ist, link machen,
was recht ist, jung machen, was alt ist, warm machen, was kalt ist, schwer
wachen, was leicht ist. tief machen, was seicht ist, gelehrt machen, was stramm
ist, nit wahr machen, was Amen ist, hoch machen, was nieder ist, lieb machen,
was zuwider ist -- ist ja viel, und dieß alles kann das Geld, Geld ist das
Mächtigste in der Welt. Es sind vier Theil der Welt, einer heißt Asia. ein
andrer Afrika, einer Europa, und der vierte Theil heißt Amerika. Asia hat
43 Königreich und Länder. Afrika hat 23 Königreich und Länder, Europa
hat 30 Königreich und große Länder, Amerika hat 16 Königreich und Länder.
Alle diese haben unterschiedliche Herren und Herrscher, aber das Geld herrschet
über alle, peeuma" obeäiunt oinnss, Alles gehorsamst dem Gelde, das ist
Wahr gewest, und ist noch wahr, und wird vermuthlich wahr bleiben. Aber
^n Ding ist noch auf Erden, welches dem Gelde gleichet in seiner Macht, ja
solches ist weit mächtiger, dieses ist ein heiliges Gebet. Wie mächtig dieß
sei, erhellet ganz klar aus folgendem Abc." Der gläubige und vielbelesene
Varfüßermönch zählt dann in alphabetischer Revue eine Menge von Bei¬
spielen auf, indem er mit Augustinus, dem Patron seines Ordens beginnt,
der einen zu einem Kirchenbau zu kurzen Baum mit Gebet länger gemacht
hat. Die große Heilige, Brigitta hat damit Wasser in Bier, Fleisch in
Schlangen, Brennesseln in Butter verwandelt, der h. Eligius eine Armee in
die Flucht gejagt, Franziscus, der seraphische Vater, einen gebratnen Kapaun
einem Fisch werden lassen, Georgius Thaumaturgus einen Berg versetzt,
Honorius, der heilige Abt, "einen fallenden Felsen arrestirt, daß er noch auf
den heutigen Tag in der Luft hanget", Lydwina einen verfolgten Menschen
unsichtbar gemacht, Severinus mit dem Gebet Wachskerzen angezündet, Wilge-
fortis auf gleiche Weise ihr jungfräuliches Gesicht in ein bärtiges Männer¬
antlitz umgestaltet, die heilige Zita sich statt eines Regenschirmes des Gebetes
bedient, und was dergleichen Wunder mehr sind.

Die verstorbenen Wiener rufen im Fegfeuer: "Wir werden angezündet
Kie der Kalk im Ofen, wir werden zerschmettert wie das Eisen unter dem
Hammer, wir werden gezogen wie der Flachs durch die Hechel, wir werden
geängstigt wie der Hering in der Tonnen, wir werden zerquetschet wie die
Trauben unter der Presse, wir werden zerknirscht wie das Pfefferkörnel im
Mörser, wir werden zermartert wie die Lumpen in dem Stampf, wir werden


Grenzboten II. !87v. 37

sein Angesicht vom Ruß und Schmutz so zugerichtet, daß er einer Copie des
Teufels ähnlich gesehen."

Recht charakteristisch ist die Predigt über das allmächtige Gebet, welche
wie folgender Klimax anfängt: „Alexander ist mächtig gewest, Hannibal ist
mächtig gewest, Pompejus ist mächtig gewest, Xerxes auch, Scipio auch, Lu- ^
cultus auch. Aber ein Ding ist mächtiger. Grad machen, was krumm ist,
Kescheidt machen, was plump ist, schön machen, was schlecht ist, link machen,
was recht ist, jung machen, was alt ist, warm machen, was kalt ist, schwer
wachen, was leicht ist. tief machen, was seicht ist, gelehrt machen, was stramm
ist, nit wahr machen, was Amen ist, hoch machen, was nieder ist, lieb machen,
was zuwider ist — ist ja viel, und dieß alles kann das Geld, Geld ist das
Mächtigste in der Welt. Es sind vier Theil der Welt, einer heißt Asia. ein
andrer Afrika, einer Europa, und der vierte Theil heißt Amerika. Asia hat
43 Königreich und Länder. Afrika hat 23 Königreich und Länder, Europa
hat 30 Königreich und große Länder, Amerika hat 16 Königreich und Länder.
Alle diese haben unterschiedliche Herren und Herrscher, aber das Geld herrschet
über alle, peeuma« obeäiunt oinnss, Alles gehorsamst dem Gelde, das ist
Wahr gewest, und ist noch wahr, und wird vermuthlich wahr bleiben. Aber
^n Ding ist noch auf Erden, welches dem Gelde gleichet in seiner Macht, ja
solches ist weit mächtiger, dieses ist ein heiliges Gebet. Wie mächtig dieß
sei, erhellet ganz klar aus folgendem Abc." Der gläubige und vielbelesene
Varfüßermönch zählt dann in alphabetischer Revue eine Menge von Bei¬
spielen auf, indem er mit Augustinus, dem Patron seines Ordens beginnt,
der einen zu einem Kirchenbau zu kurzen Baum mit Gebet länger gemacht
hat. Die große Heilige, Brigitta hat damit Wasser in Bier, Fleisch in
Schlangen, Brennesseln in Butter verwandelt, der h. Eligius eine Armee in
die Flucht gejagt, Franziscus, der seraphische Vater, einen gebratnen Kapaun
einem Fisch werden lassen, Georgius Thaumaturgus einen Berg versetzt,
Honorius, der heilige Abt, „einen fallenden Felsen arrestirt, daß er noch auf
den heutigen Tag in der Luft hanget", Lydwina einen verfolgten Menschen
unsichtbar gemacht, Severinus mit dem Gebet Wachskerzen angezündet, Wilge-
fortis auf gleiche Weise ihr jungfräuliches Gesicht in ein bärtiges Männer¬
antlitz umgestaltet, die heilige Zita sich statt eines Regenschirmes des Gebetes
bedient, und was dergleichen Wunder mehr sind.

Die verstorbenen Wiener rufen im Fegfeuer: „Wir werden angezündet
Kie der Kalk im Ofen, wir werden zerschmettert wie das Eisen unter dem
Hammer, wir werden gezogen wie der Flachs durch die Hechel, wir werden
geängstigt wie der Hering in der Tonnen, wir werden zerquetschet wie die
Trauben unter der Presse, wir werden zerknirscht wie das Pfefferkörnel im
Mörser, wir werden zermartert wie die Lumpen in dem Stampf, wir werden


Grenzboten II. !87v. 37
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/293>, abgerufen am 28.07.2024.