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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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"Mir hat", sagte der Dichter nach einigen Begrüßungsworten zu mir,
"viel von Ihnen ein junger amerikanischer Dichter erzählt, dessen Sie sich
vielleicht noch erinnern: Humphreys."

Ich erinnerte mich seiner recht wohl von einem längeren Aufenthalte in
Nürnberg im Winter 1861/62. Er kehrte im Frühjahr 1862, durch den
Krieg veranlaßt, nach Amerika zurück.

"Er trat", fuhr Freiligrath fort, "in die südstaatliche Armee ein, und
kam später mehrmals nach London, wo er mich wieder besuchte. Aber kaum
hätte ich ihn wieder erkannt, so entstellt sah er aus; er war von seiner
Truppe abseits geschickt worden, um Wasser zu holen und wurde durch beide
Backen geschossen. Sie wissen vielleicht, daß er bei Trübner in London eine
kleine Sammlung von Gedichten, wenn ich nicht irre, unter dem Titel "Eros"
herausgegeben hat."

Das war mir unbekannt, erwiderte ich, aber ich kann sie mir, da ich
Trübner persönlich kenne, leicht verschaffen. Vieles hat mir Humphreys da¬
mals vorgelesen, unter anderem auch aus einem größeren erzählenden Gedichte
im Stile von Byron's Child Harold, welches er als sein Hauptwerk zu be¬
trachten schien.

"Das hat er nicht in jene Sammlung aufgenommen. Uebrigens machte
es mir den Eindruck, als wenn er seine Bedeutung und Begabung sehr über¬
schätze."

Inzwischen war Freiligrath's Frau eingetreten, eine staatliche Erscheinung
und noch sehr gut aussehend, das Haar blond und kaum erst hin und wieder
ins Graue spielend.

"Da Sie länger in Nürnberg waren", nahm Freiligrath das Gespräch
wieder auf, "so kannten Sie wahrscheinlich auch den unglücklichen I. L. Hoff¬
mann, der im Jahre 186S mit seiner Frau in Spanien an der Cholera starb."

Ich erwiderte, daß beide zu meinen ältesten und vertrautesten Nürnberger
Freunden gezählt hätten.

Freiligrath erzählte, daß sie ihn mehrmals in London besucht hätten,
zuletzt 1862, als sie aus Irland zurückkamen, und er habe ihnen damals
zuerst die Trauernachricht von dem Tode Julius Hammer's, die sie noch nicht
wußten, mitgetheilt. Er erging sich in dem Lobe des begabten und vielseitigen
Mannes und seiner geistvollen Frau, und ich konnte nur aus vollem Herzen
allem beistimmen; denn auch ich verdankte dem Umgange mit ihnen manche
schöne und geistig angeregte Stunde, besonders in den Jahren 185S -- 58,
die ich als Beamter des Germanischen Museums in Nürnberg verlebte.

Bei diesem Anlaß erzählte Freiligrath von einem gleichen traurigen Falle,
der einen Maler Hartmann in Hamburg betroffen. Er kehrte mit seiner Frau
aus Norwegen zurück. Vom Sturme beim Hineinsahren in die Elbe genöthigt


„Mir hat", sagte der Dichter nach einigen Begrüßungsworten zu mir,
„viel von Ihnen ein junger amerikanischer Dichter erzählt, dessen Sie sich
vielleicht noch erinnern: Humphreys."

Ich erinnerte mich seiner recht wohl von einem längeren Aufenthalte in
Nürnberg im Winter 1861/62. Er kehrte im Frühjahr 1862, durch den
Krieg veranlaßt, nach Amerika zurück.

„Er trat", fuhr Freiligrath fort, „in die südstaatliche Armee ein, und
kam später mehrmals nach London, wo er mich wieder besuchte. Aber kaum
hätte ich ihn wieder erkannt, so entstellt sah er aus; er war von seiner
Truppe abseits geschickt worden, um Wasser zu holen und wurde durch beide
Backen geschossen. Sie wissen vielleicht, daß er bei Trübner in London eine
kleine Sammlung von Gedichten, wenn ich nicht irre, unter dem Titel „Eros"
herausgegeben hat."

Das war mir unbekannt, erwiderte ich, aber ich kann sie mir, da ich
Trübner persönlich kenne, leicht verschaffen. Vieles hat mir Humphreys da¬
mals vorgelesen, unter anderem auch aus einem größeren erzählenden Gedichte
im Stile von Byron's Child Harold, welches er als sein Hauptwerk zu be¬
trachten schien.

„Das hat er nicht in jene Sammlung aufgenommen. Uebrigens machte
es mir den Eindruck, als wenn er seine Bedeutung und Begabung sehr über¬
schätze."

Inzwischen war Freiligrath's Frau eingetreten, eine staatliche Erscheinung
und noch sehr gut aussehend, das Haar blond und kaum erst hin und wieder
ins Graue spielend.

„Da Sie länger in Nürnberg waren", nahm Freiligrath das Gespräch
wieder auf, „so kannten Sie wahrscheinlich auch den unglücklichen I. L. Hoff¬
mann, der im Jahre 186S mit seiner Frau in Spanien an der Cholera starb."

Ich erwiderte, daß beide zu meinen ältesten und vertrautesten Nürnberger
Freunden gezählt hätten.

Freiligrath erzählte, daß sie ihn mehrmals in London besucht hätten,
zuletzt 1862, als sie aus Irland zurückkamen, und er habe ihnen damals
zuerst die Trauernachricht von dem Tode Julius Hammer's, die sie noch nicht
wußten, mitgetheilt. Er erging sich in dem Lobe des begabten und vielseitigen
Mannes und seiner geistvollen Frau, und ich konnte nur aus vollem Herzen
allem beistimmen; denn auch ich verdankte dem Umgange mit ihnen manche
schöne und geistig angeregte Stunde, besonders in den Jahren 185S — 58,
die ich als Beamter des Germanischen Museums in Nürnberg verlebte.

Bei diesem Anlaß erzählte Freiligrath von einem gleichen traurigen Falle,
der einen Maler Hartmann in Hamburg betroffen. Er kehrte mit seiner Frau
aus Norwegen zurück. Vom Sturme beim Hineinsahren in die Elbe genöthigt


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[0274] „Mir hat", sagte der Dichter nach einigen Begrüßungsworten zu mir, „viel von Ihnen ein junger amerikanischer Dichter erzählt, dessen Sie sich vielleicht noch erinnern: Humphreys." Ich erinnerte mich seiner recht wohl von einem längeren Aufenthalte in Nürnberg im Winter 1861/62. Er kehrte im Frühjahr 1862, durch den Krieg veranlaßt, nach Amerika zurück. „Er trat", fuhr Freiligrath fort, „in die südstaatliche Armee ein, und kam später mehrmals nach London, wo er mich wieder besuchte. Aber kaum hätte ich ihn wieder erkannt, so entstellt sah er aus; er war von seiner Truppe abseits geschickt worden, um Wasser zu holen und wurde durch beide Backen geschossen. Sie wissen vielleicht, daß er bei Trübner in London eine kleine Sammlung von Gedichten, wenn ich nicht irre, unter dem Titel „Eros" herausgegeben hat." Das war mir unbekannt, erwiderte ich, aber ich kann sie mir, da ich Trübner persönlich kenne, leicht verschaffen. Vieles hat mir Humphreys da¬ mals vorgelesen, unter anderem auch aus einem größeren erzählenden Gedichte im Stile von Byron's Child Harold, welches er als sein Hauptwerk zu be¬ trachten schien. „Das hat er nicht in jene Sammlung aufgenommen. Uebrigens machte es mir den Eindruck, als wenn er seine Bedeutung und Begabung sehr über¬ schätze." Inzwischen war Freiligrath's Frau eingetreten, eine staatliche Erscheinung und noch sehr gut aussehend, das Haar blond und kaum erst hin und wieder ins Graue spielend. „Da Sie länger in Nürnberg waren", nahm Freiligrath das Gespräch wieder auf, „so kannten Sie wahrscheinlich auch den unglücklichen I. L. Hoff¬ mann, der im Jahre 186S mit seiner Frau in Spanien an der Cholera starb." Ich erwiderte, daß beide zu meinen ältesten und vertrautesten Nürnberger Freunden gezählt hätten. Freiligrath erzählte, daß sie ihn mehrmals in London besucht hätten, zuletzt 1862, als sie aus Irland zurückkamen, und er habe ihnen damals zuerst die Trauernachricht von dem Tode Julius Hammer's, die sie noch nicht wußten, mitgetheilt. Er erging sich in dem Lobe des begabten und vielseitigen Mannes und seiner geistvollen Frau, und ich konnte nur aus vollem Herzen allem beistimmen; denn auch ich verdankte dem Umgange mit ihnen manche schöne und geistig angeregte Stunde, besonders in den Jahren 185S — 58, die ich als Beamter des Germanischen Museums in Nürnberg verlebte. Bei diesem Anlaß erzählte Freiligrath von einem gleichen traurigen Falle, der einen Maler Hartmann in Hamburg betroffen. Er kehrte mit seiner Frau aus Norwegen zurück. Vom Sturme beim Hineinsahren in die Elbe genöthigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/274>, abgerufen am 27.11.2024.