Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedankengänge begleitet. Alle diese Gegenbemerkungen, wie weit sie greifen
mögen, berühren den Grundgedanken seines Buches nicht, die von uns aufs
innigste getheilte Ueberzeugung, daß kein Volk und Staat bestehen oder ge¬
deihen könne ohne höheres Lebensprincip, daß alle unsere politischen Erfolge
und empirisch-wissenschaftlichen Fortschritte uns nicht retten können, wenn der
sittlich-religiöse Lebensquell uns ausgeht, und daß allein das evangelische
Christenthum, in unserem Volke wieder zur Lebensnacht geworden, uns davor
behüten könne. in dem Höhepunkt unseres nationalen Daseins zugleich den
Anfangspunkt unseres Verfalls und Untergangs zu erleben. Diese Ueber¬
zeugung hat der Verfasser mit einer Fülle und Tiefe der Gedanken und einer
Macht der Gesinnung und der Rede begründet, daß wir wohl zu Anfang
sein Buch einem Prophetenbuche vergleichen durften. Auch das Weissagen der
alten Propheten war Stückwerk und nicht das Vollkommene; doch sind die
Geschlechter untergegangen, die nicht auf sie hörten. Möchte doch niemand
in unsrem Volke von den ernsten, schweren Gedanken dieses Buches sich damit
loskaufen wollen, daß er auch an ihm allerlei Stückwerk, allerlei Anhängsel
des Irrthums an der Wahrheit entdeckt!





Landesausschuß. -- Reformen. -- Industrieausstellung. -- Alsatia.

Der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen wird am 10. oder 11. Mai
zu seiner zweiten Session zusammentreten. Demselben sollen außer mehreren,
augenblicklich im Reichskanzleramte redacttonell beendigten Gesetzentwürfen
auch die Entschließungen der Regierung bezüglich der Reformen in der Central-
Verwaltung des Reichslandes. Bildung eines elsaß-lothringischen Ministeriums
u. A. zur Begutachtung vorgelegt werden. Die letztere Angelegenheit hat
hier viel Staub aufgewirbelt. Doch kann selbstverständlich das darüber Ge-
sagte und Gedachte, zur Zeit wenigstens noch nicht über den Bereich der
Vermuthungen und polittsirender Kannegießerei hinausgehen.

Dagegen erhalten die in der Ihnen bereits mitgetheilten Note enthaltenen
Reformvorschläge bez. der Erweiterung der Competenz des Landesausschusses
und dessen innern parlamentarischen Ausbau gerade jetzt ein zettgemäßes In¬
teresse. Der Landesausschuß bedarf in der That, soll er fernerhin Ersprie߬
liches für das Land und dessen Bewohner wirken, einer Erweiterung seiner
Befugnisse, einer Entwicklung seiner innern Structur. Er ist vorläufig erst


Gedankengänge begleitet. Alle diese Gegenbemerkungen, wie weit sie greifen
mögen, berühren den Grundgedanken seines Buches nicht, die von uns aufs
innigste getheilte Ueberzeugung, daß kein Volk und Staat bestehen oder ge¬
deihen könne ohne höheres Lebensprincip, daß alle unsere politischen Erfolge
und empirisch-wissenschaftlichen Fortschritte uns nicht retten können, wenn der
sittlich-religiöse Lebensquell uns ausgeht, und daß allein das evangelische
Christenthum, in unserem Volke wieder zur Lebensnacht geworden, uns davor
behüten könne. in dem Höhepunkt unseres nationalen Daseins zugleich den
Anfangspunkt unseres Verfalls und Untergangs zu erleben. Diese Ueber¬
zeugung hat der Verfasser mit einer Fülle und Tiefe der Gedanken und einer
Macht der Gesinnung und der Rede begründet, daß wir wohl zu Anfang
sein Buch einem Prophetenbuche vergleichen durften. Auch das Weissagen der
alten Propheten war Stückwerk und nicht das Vollkommene; doch sind die
Geschlechter untergegangen, die nicht auf sie hörten. Möchte doch niemand
in unsrem Volke von den ernsten, schweren Gedanken dieses Buches sich damit
loskaufen wollen, daß er auch an ihm allerlei Stückwerk, allerlei Anhängsel
des Irrthums an der Wahrheit entdeckt!





Landesausschuß. — Reformen. — Industrieausstellung. — Alsatia.

Der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen wird am 10. oder 11. Mai
zu seiner zweiten Session zusammentreten. Demselben sollen außer mehreren,
augenblicklich im Reichskanzleramte redacttonell beendigten Gesetzentwürfen
auch die Entschließungen der Regierung bezüglich der Reformen in der Central-
Verwaltung des Reichslandes. Bildung eines elsaß-lothringischen Ministeriums
u. A. zur Begutachtung vorgelegt werden. Die letztere Angelegenheit hat
hier viel Staub aufgewirbelt. Doch kann selbstverständlich das darüber Ge-
sagte und Gedachte, zur Zeit wenigstens noch nicht über den Bereich der
Vermuthungen und polittsirender Kannegießerei hinausgehen.

Dagegen erhalten die in der Ihnen bereits mitgetheilten Note enthaltenen
Reformvorschläge bez. der Erweiterung der Competenz des Landesausschusses
und dessen innern parlamentarischen Ausbau gerade jetzt ein zettgemäßes In¬
teresse. Der Landesausschuß bedarf in der That, soll er fernerhin Ersprie߬
liches für das Land und dessen Bewohner wirken, einer Erweiterung seiner
Befugnisse, einer Entwicklung seiner innern Structur. Er ist vorläufig erst


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135848"/>
          <p xml:id="ID_831" prev="#ID_830"> Gedankengänge begleitet. Alle diese Gegenbemerkungen, wie weit sie greifen<lb/>
mögen, berühren den Grundgedanken seines Buches nicht, die von uns aufs<lb/>
innigste getheilte Ueberzeugung, daß kein Volk und Staat bestehen oder ge¬<lb/>
deihen könne ohne höheres Lebensprincip, daß alle unsere politischen Erfolge<lb/>
und empirisch-wissenschaftlichen Fortschritte uns nicht retten können, wenn der<lb/>
sittlich-religiöse Lebensquell uns ausgeht, und daß allein das evangelische<lb/>
Christenthum, in unserem Volke wieder zur Lebensnacht geworden, uns davor<lb/>
behüten könne. in dem Höhepunkt unseres nationalen Daseins zugleich den<lb/>
Anfangspunkt unseres Verfalls und Untergangs zu erleben. Diese Ueber¬<lb/>
zeugung hat der Verfasser mit einer Fülle und Tiefe der Gedanken und einer<lb/>
Macht der Gesinnung und der Rede begründet, daß wir wohl zu Anfang<lb/>
sein Buch einem Prophetenbuche vergleichen durften. Auch das Weissagen der<lb/>
alten Propheten war Stückwerk und nicht das Vollkommene; doch sind die<lb/>
Geschlechter untergegangen, die nicht auf sie hörten. Möchte doch niemand<lb/>
in unsrem Volke von den ernsten, schweren Gedanken dieses Buches sich damit<lb/>
loskaufen wollen, daß er auch an ihm allerlei Stückwerk, allerlei Anhängsel<lb/>
des Irrthums an der Wahrheit entdeckt!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> </head><lb/>
          <note type="argument"> Landesausschuß. &#x2014; Reformen. &#x2014; Industrieausstellung. &#x2014; Alsatia.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_832"> Der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen wird am 10. oder 11. Mai<lb/>
zu seiner zweiten Session zusammentreten. Demselben sollen außer mehreren,<lb/>
augenblicklich im Reichskanzleramte redacttonell beendigten Gesetzentwürfen<lb/>
auch die Entschließungen der Regierung bezüglich der Reformen in der Central-<lb/>
Verwaltung des Reichslandes. Bildung eines elsaß-lothringischen Ministeriums<lb/>
u. A. zur Begutachtung vorgelegt werden. Die letztere Angelegenheit hat<lb/>
hier viel Staub aufgewirbelt. Doch kann selbstverständlich das darüber Ge-<lb/>
sagte und Gedachte, zur Zeit wenigstens noch nicht über den Bereich der<lb/>
Vermuthungen und polittsirender Kannegießerei hinausgehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_833" next="#ID_834"> Dagegen erhalten die in der Ihnen bereits mitgetheilten Note enthaltenen<lb/>
Reformvorschläge bez. der Erweiterung der Competenz des Landesausschusses<lb/>
und dessen innern parlamentarischen Ausbau gerade jetzt ein zettgemäßes In¬<lb/>
teresse. Der Landesausschuß bedarf in der That, soll er fernerhin Ersprie߬<lb/>
liches für das Land und dessen Bewohner wirken, einer Erweiterung seiner<lb/>
Befugnisse, einer Entwicklung seiner innern Structur.  Er ist vorläufig erst</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] Gedankengänge begleitet. Alle diese Gegenbemerkungen, wie weit sie greifen mögen, berühren den Grundgedanken seines Buches nicht, die von uns aufs innigste getheilte Ueberzeugung, daß kein Volk und Staat bestehen oder ge¬ deihen könne ohne höheres Lebensprincip, daß alle unsere politischen Erfolge und empirisch-wissenschaftlichen Fortschritte uns nicht retten können, wenn der sittlich-religiöse Lebensquell uns ausgeht, und daß allein das evangelische Christenthum, in unserem Volke wieder zur Lebensnacht geworden, uns davor behüten könne. in dem Höhepunkt unseres nationalen Daseins zugleich den Anfangspunkt unseres Verfalls und Untergangs zu erleben. Diese Ueber¬ zeugung hat der Verfasser mit einer Fülle und Tiefe der Gedanken und einer Macht der Gesinnung und der Rede begründet, daß wir wohl zu Anfang sein Buch einem Prophetenbuche vergleichen durften. Auch das Weissagen der alten Propheten war Stückwerk und nicht das Vollkommene; doch sind die Geschlechter untergegangen, die nicht auf sie hörten. Möchte doch niemand in unsrem Volke von den ernsten, schweren Gedanken dieses Buches sich damit loskaufen wollen, daß er auch an ihm allerlei Stückwerk, allerlei Anhängsel des Irrthums an der Wahrheit entdeckt! Landesausschuß. — Reformen. — Industrieausstellung. — Alsatia. Der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen wird am 10. oder 11. Mai zu seiner zweiten Session zusammentreten. Demselben sollen außer mehreren, augenblicklich im Reichskanzleramte redacttonell beendigten Gesetzentwürfen auch die Entschließungen der Regierung bezüglich der Reformen in der Central- Verwaltung des Reichslandes. Bildung eines elsaß-lothringischen Ministeriums u. A. zur Begutachtung vorgelegt werden. Die letztere Angelegenheit hat hier viel Staub aufgewirbelt. Doch kann selbstverständlich das darüber Ge- sagte und Gedachte, zur Zeit wenigstens noch nicht über den Bereich der Vermuthungen und polittsirender Kannegießerei hinausgehen. Dagegen erhalten die in der Ihnen bereits mitgetheilten Note enthaltenen Reformvorschläge bez. der Erweiterung der Competenz des Landesausschusses und dessen innern parlamentarischen Ausbau gerade jetzt ein zettgemäßes In¬ teresse. Der Landesausschuß bedarf in der That, soll er fernerhin Ersprie߬ liches für das Land und dessen Bewohner wirken, einer Erweiterung seiner Befugnisse, einer Entwicklung seiner innern Structur. Er ist vorläufig erst

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/267>, abgerufen am 27.11.2024.