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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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diesen zwei Bänden ist eine gute Anzahl schmeichelhafter Zeugnisse für Schön
Zusammengedruckt worden; ja mit einigem Eifer ist zusammengeschleppt, was
sich nur in dieser Richtung wollte verwerthen lassen. Sind die anders lau¬
tenden Urtheile von Zeitgenossen dem Herausgeber unbekannt oder glaubt er
sie verdecken zu dürfen? So druckt er (Anlage I. 119 -- 133) die Schreiben
ab. die zu Schön's Verherrlichung dienen können; aber das scharfe Urtheil,
das gerade damals -- 1810 -- Friedrich Wilhelm III. über Schön gefällt,
bleibt ganz unberücksichtigt! Bei dieser Tendenz des Herausgebers erlaube ich
wir jetzt schon daran zu erinnern, daß auch König Friedrich Wilhelm IV.
1842 ein Charakterbild Schön's schriftlich aufgezeichnet hat. das zu übergehen
diese Sammlung sich nicht wird erlauben dürfen: wir rechnen darauf, daß
seiner Zeit es vollständig aufgenommen werden wird!

Immer wieder sieht sich der Historiker veranlaßt an diejenigen, welche
Schön's Papiere besitzen, die Bitte zu richten und zu erneuern, bei Fortsetzung
der Herausgabe die Absicht einer unbedingten Glorifieirung Schön's fallen
Zu lassen und einzig der Aufhellung der vaterländischen Geschichte dienen zu
wollen. Schön's historische Bedeutung ist und bleibt eine solche,
daß sie nicht künstlicher Beleuchtung, nicht tendenziöser Aus¬
schmückung bedarf. Gegenwärtig fügt dem Andenken Schön's die Selbst¬
verherrlichung des alten Mannes den größten Schaden zu. Diese Ueber¬
treibung allein ruft den Widerspruch der Historiker hervor.

Den Lesern dieser Blätter ist der Unterschied bekannt. der zwischen den
gleichzeitigen Beiträgen zur Geschichte Schön's und seinen eigenen viel später
aufgezeichneten Denkwürdigkeiten besteht. Die letztern erwiesen sich bei
einer kritischen Beleuchtung ihres Inhaltes als durchaus unzuverlässig, als
W bestimmter Tendenz gehaltene Verdrehung des historischen Sachver¬
haltes. An einer Reihe wichtiger Punkte habe ich vor Jahresfrist zuerst
diese Differenzen erörtert und festgestellt. Meine am 15. April 1873 zuerst in
einem Vortrage kundgegebene und dann in diesen Blättern abgedruckte kritische
Beleuchtung der Schön'schen Autobiographie ist vielfach besprochen und be¬
titelt worden; ich durfte alle diese Auslassungen unbeantwortet lassen, bis auf
die eine, von sehr sachkundiger Seite ausgehende und in rein wissenschaft¬
lichem Tone gehaltene Besprechung, die O. Nasemann ebenfalls in diesem
Blatte veröffentlicht hat. Ihr gegenüber habe ich meine kritischen Beobach¬
tungen nochmals Anfangs Juni v. I. aufgestellt und einzelne entscheidende
tunkte auch etwas detaillirter dargelegt. Mir ist von verschiedenen Seiten
darauf vielfache Zustimmung zu meiner Kritik zu Theil geworden; eine wissen¬
schaftliche Widerlegung derselben ist -- so weit meine Kenntniß reicht. --
gar nicht mehr versucht worden. Dagegen sind von anderer Seite seitdem
im Dezember) die von mir begonnenen Untersuchungen noch ein erhebliches


diesen zwei Bänden ist eine gute Anzahl schmeichelhafter Zeugnisse für Schön
Zusammengedruckt worden; ja mit einigem Eifer ist zusammengeschleppt, was
sich nur in dieser Richtung wollte verwerthen lassen. Sind die anders lau¬
tenden Urtheile von Zeitgenossen dem Herausgeber unbekannt oder glaubt er
sie verdecken zu dürfen? So druckt er (Anlage I. 119 — 133) die Schreiben
ab. die zu Schön's Verherrlichung dienen können; aber das scharfe Urtheil,
das gerade damals — 1810 — Friedrich Wilhelm III. über Schön gefällt,
bleibt ganz unberücksichtigt! Bei dieser Tendenz des Herausgebers erlaube ich
wir jetzt schon daran zu erinnern, daß auch König Friedrich Wilhelm IV.
1842 ein Charakterbild Schön's schriftlich aufgezeichnet hat. das zu übergehen
diese Sammlung sich nicht wird erlauben dürfen: wir rechnen darauf, daß
seiner Zeit es vollständig aufgenommen werden wird!

Immer wieder sieht sich der Historiker veranlaßt an diejenigen, welche
Schön's Papiere besitzen, die Bitte zu richten und zu erneuern, bei Fortsetzung
der Herausgabe die Absicht einer unbedingten Glorifieirung Schön's fallen
Zu lassen und einzig der Aufhellung der vaterländischen Geschichte dienen zu
wollen. Schön's historische Bedeutung ist und bleibt eine solche,
daß sie nicht künstlicher Beleuchtung, nicht tendenziöser Aus¬
schmückung bedarf. Gegenwärtig fügt dem Andenken Schön's die Selbst¬
verherrlichung des alten Mannes den größten Schaden zu. Diese Ueber¬
treibung allein ruft den Widerspruch der Historiker hervor.

Den Lesern dieser Blätter ist der Unterschied bekannt. der zwischen den
gleichzeitigen Beiträgen zur Geschichte Schön's und seinen eigenen viel später
aufgezeichneten Denkwürdigkeiten besteht. Die letztern erwiesen sich bei
einer kritischen Beleuchtung ihres Inhaltes als durchaus unzuverlässig, als
W bestimmter Tendenz gehaltene Verdrehung des historischen Sachver¬
haltes. An einer Reihe wichtiger Punkte habe ich vor Jahresfrist zuerst
diese Differenzen erörtert und festgestellt. Meine am 15. April 1873 zuerst in
einem Vortrage kundgegebene und dann in diesen Blättern abgedruckte kritische
Beleuchtung der Schön'schen Autobiographie ist vielfach besprochen und be¬
titelt worden; ich durfte alle diese Auslassungen unbeantwortet lassen, bis auf
die eine, von sehr sachkundiger Seite ausgehende und in rein wissenschaft¬
lichem Tone gehaltene Besprechung, die O. Nasemann ebenfalls in diesem
Blatte veröffentlicht hat. Ihr gegenüber habe ich meine kritischen Beobach¬
tungen nochmals Anfangs Juni v. I. aufgestellt und einzelne entscheidende
tunkte auch etwas detaillirter dargelegt. Mir ist von verschiedenen Seiten
darauf vielfache Zustimmung zu meiner Kritik zu Theil geworden; eine wissen¬
schaftliche Widerlegung derselben ist — so weit meine Kenntniß reicht. —
gar nicht mehr versucht worden. Dagegen sind von anderer Seite seitdem
im Dezember) die von mir begonnenen Untersuchungen noch ein erhebliches


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[0247] diesen zwei Bänden ist eine gute Anzahl schmeichelhafter Zeugnisse für Schön Zusammengedruckt worden; ja mit einigem Eifer ist zusammengeschleppt, was sich nur in dieser Richtung wollte verwerthen lassen. Sind die anders lau¬ tenden Urtheile von Zeitgenossen dem Herausgeber unbekannt oder glaubt er sie verdecken zu dürfen? So druckt er (Anlage I. 119 — 133) die Schreiben ab. die zu Schön's Verherrlichung dienen können; aber das scharfe Urtheil, das gerade damals — 1810 — Friedrich Wilhelm III. über Schön gefällt, bleibt ganz unberücksichtigt! Bei dieser Tendenz des Herausgebers erlaube ich wir jetzt schon daran zu erinnern, daß auch König Friedrich Wilhelm IV. 1842 ein Charakterbild Schön's schriftlich aufgezeichnet hat. das zu übergehen diese Sammlung sich nicht wird erlauben dürfen: wir rechnen darauf, daß seiner Zeit es vollständig aufgenommen werden wird! Immer wieder sieht sich der Historiker veranlaßt an diejenigen, welche Schön's Papiere besitzen, die Bitte zu richten und zu erneuern, bei Fortsetzung der Herausgabe die Absicht einer unbedingten Glorifieirung Schön's fallen Zu lassen und einzig der Aufhellung der vaterländischen Geschichte dienen zu wollen. Schön's historische Bedeutung ist und bleibt eine solche, daß sie nicht künstlicher Beleuchtung, nicht tendenziöser Aus¬ schmückung bedarf. Gegenwärtig fügt dem Andenken Schön's die Selbst¬ verherrlichung des alten Mannes den größten Schaden zu. Diese Ueber¬ treibung allein ruft den Widerspruch der Historiker hervor. Den Lesern dieser Blätter ist der Unterschied bekannt. der zwischen den gleichzeitigen Beiträgen zur Geschichte Schön's und seinen eigenen viel später aufgezeichneten Denkwürdigkeiten besteht. Die letztern erwiesen sich bei einer kritischen Beleuchtung ihres Inhaltes als durchaus unzuverlässig, als W bestimmter Tendenz gehaltene Verdrehung des historischen Sachver¬ haltes. An einer Reihe wichtiger Punkte habe ich vor Jahresfrist zuerst diese Differenzen erörtert und festgestellt. Meine am 15. April 1873 zuerst in einem Vortrage kundgegebene und dann in diesen Blättern abgedruckte kritische Beleuchtung der Schön'schen Autobiographie ist vielfach besprochen und be¬ titelt worden; ich durfte alle diese Auslassungen unbeantwortet lassen, bis auf die eine, von sehr sachkundiger Seite ausgehende und in rein wissenschaft¬ lichem Tone gehaltene Besprechung, die O. Nasemann ebenfalls in diesem Blatte veröffentlicht hat. Ihr gegenüber habe ich meine kritischen Beobach¬ tungen nochmals Anfangs Juni v. I. aufgestellt und einzelne entscheidende tunkte auch etwas detaillirter dargelegt. Mir ist von verschiedenen Seiten darauf vielfache Zustimmung zu meiner Kritik zu Theil geworden; eine wissen¬ schaftliche Widerlegung derselben ist — so weit meine Kenntniß reicht. — gar nicht mehr versucht worden. Dagegen sind von anderer Seite seitdem im Dezember) die von mir begonnenen Untersuchungen noch ein erhebliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/247>, abgerufen am 27.11.2024.