Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

behäbiger, lustiger, angenehmer, immer lächelnder Mann in den besten Jahren.
Sein fettes Gesicht strahlte von Gutmüthigkeit und Behagen, seine Augen
waren klein, aber kohlschwarz und voll Glanz. Er hatte graue Haare und
einen Backenbart von derselben Farbe. Die Oberlippe und das Kinn waren
sauber rasirt. Wenn er lachte, zeigte er ein schönes Gebiß weiß wie Elfen¬
bein. Seine Schultern und Arme hätten einem Herkules keine Schande ge¬
macht. Seine dicken Finger waren bedeckt von einfachen goldenen Ringen.
Sein grellrothes Halstuch war in eine Schleife geknüpft, wie sie die Matrosen
tragen, und darauf steckte ein goldenes Herzogskrönchen, ein Andenken an
seinen letzten verstorbenen Herren, der ihm einen kleinen Jahrgehalt für treue
Dienste hinterlassen hatte.

Er war der Gebieter der ganzen Heerde von Domestiken, Köchen, Por¬
tiers und Lakaien, die in diesem Stadtviertel sich aufhielten, und es gab
keinen wichtigeren Mann in dem kleinen Kaffeehause um die Ecke und in dem
Hinterstübchen desselben, wo man Billard und Karte spielte. Er legte heute
seinen besten Rock an, setzte seinen neuen Hut auf, um bei der Gelegenheit
recht stattlich zu erscheinen, und bat, als er in das Haus des Marquis kam,
ihm bei demselben eine Privataudienz zu erwirken, die ihm auch sogleich ge-
währt wurde.

Ich werde die Unterredung, welche darauf zwischen den Beiden stattfand,
so übersetzen, daß ich die stcilische Redeweise, die fast orientalische Farbe hat,
anwende, um den Lesern eine charakteristische Vorstellung von der niedern
Klasse auf der Insel zu geben. Und ich muß noch vorausschicken, daß solche
Leute mit Einschluß der Mafiusi, obwohl sie unter Ihresgleichen gebieterisch und
anmaßend auftreten, sich gegen den hohen und niedern Adel ungemein respect¬
voll, höflich und ich möchte fast sagen ehrfurchtsvoll betragen. Ein über¬
liefertes Gefühl der Vasallenschaft, die, wie bemerkt, erst in den letzten Jahren
des achtzehnten Jahrhunderts aufhörte, lebt noch immer in ihnen fort und
veranlaßt sie, zu vornehmen Leuten wie zu höheren Wesen emporzublicken,
und wofern sie nicht auf Seiten der letzteren den Wunsch vermuthen, ihrer
watmseris, entgegenzutreten, sind sie sehr bescheiden und demüthig vor ihnen.

Coka beginnt: "Euer Excellenz (in Sicilien ist jedermann, der über der
Mittelklasse steht, eine Excellenz -- ein Rest der Sitten, die sich unter der
lang dauernden spanischen Herrschaft ausbildeten), ich habe mir die Freiheit
genommen, zu kommen, um Ihnen die Hand zu küssen und Ihrer Herrlich-
keit eine Bitte um eine Handlung der Barmherzigkeit zu Füßen zu legen."

Der Marquis: "Wenn es in meiner Gewalt steht, Coka, so werde
ich es mit großem Vergnügen thun."

Cota: "Euer Excellenz sind ein Edelmann, wie es deren nur wenige


behäbiger, lustiger, angenehmer, immer lächelnder Mann in den besten Jahren.
Sein fettes Gesicht strahlte von Gutmüthigkeit und Behagen, seine Augen
waren klein, aber kohlschwarz und voll Glanz. Er hatte graue Haare und
einen Backenbart von derselben Farbe. Die Oberlippe und das Kinn waren
sauber rasirt. Wenn er lachte, zeigte er ein schönes Gebiß weiß wie Elfen¬
bein. Seine Schultern und Arme hätten einem Herkules keine Schande ge¬
macht. Seine dicken Finger waren bedeckt von einfachen goldenen Ringen.
Sein grellrothes Halstuch war in eine Schleife geknüpft, wie sie die Matrosen
tragen, und darauf steckte ein goldenes Herzogskrönchen, ein Andenken an
seinen letzten verstorbenen Herren, der ihm einen kleinen Jahrgehalt für treue
Dienste hinterlassen hatte.

Er war der Gebieter der ganzen Heerde von Domestiken, Köchen, Por¬
tiers und Lakaien, die in diesem Stadtviertel sich aufhielten, und es gab
keinen wichtigeren Mann in dem kleinen Kaffeehause um die Ecke und in dem
Hinterstübchen desselben, wo man Billard und Karte spielte. Er legte heute
seinen besten Rock an, setzte seinen neuen Hut auf, um bei der Gelegenheit
recht stattlich zu erscheinen, und bat, als er in das Haus des Marquis kam,
ihm bei demselben eine Privataudienz zu erwirken, die ihm auch sogleich ge-
währt wurde.

Ich werde die Unterredung, welche darauf zwischen den Beiden stattfand,
so übersetzen, daß ich die stcilische Redeweise, die fast orientalische Farbe hat,
anwende, um den Lesern eine charakteristische Vorstellung von der niedern
Klasse auf der Insel zu geben. Und ich muß noch vorausschicken, daß solche
Leute mit Einschluß der Mafiusi, obwohl sie unter Ihresgleichen gebieterisch und
anmaßend auftreten, sich gegen den hohen und niedern Adel ungemein respect¬
voll, höflich und ich möchte fast sagen ehrfurchtsvoll betragen. Ein über¬
liefertes Gefühl der Vasallenschaft, die, wie bemerkt, erst in den letzten Jahren
des achtzehnten Jahrhunderts aufhörte, lebt noch immer in ihnen fort und
veranlaßt sie, zu vornehmen Leuten wie zu höheren Wesen emporzublicken,
und wofern sie nicht auf Seiten der letzteren den Wunsch vermuthen, ihrer
watmseris, entgegenzutreten, sind sie sehr bescheiden und demüthig vor ihnen.

Coka beginnt: „Euer Excellenz (in Sicilien ist jedermann, der über der
Mittelklasse steht, eine Excellenz — ein Rest der Sitten, die sich unter der
lang dauernden spanischen Herrschaft ausbildeten), ich habe mir die Freiheit
genommen, zu kommen, um Ihnen die Hand zu küssen und Ihrer Herrlich-
keit eine Bitte um eine Handlung der Barmherzigkeit zu Füßen zu legen."

Der Marquis: „Wenn es in meiner Gewalt steht, Coka, so werde
ich es mit großem Vergnügen thun."

Cota: „Euer Excellenz sind ein Edelmann, wie es deren nur wenige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135605"/>
          <p xml:id="ID_61" prev="#ID_60"> behäbiger, lustiger, angenehmer, immer lächelnder Mann in den besten Jahren.<lb/>
Sein fettes Gesicht strahlte von Gutmüthigkeit und Behagen, seine Augen<lb/>
waren klein, aber kohlschwarz und voll Glanz. Er hatte graue Haare und<lb/>
einen Backenbart von derselben Farbe. Die Oberlippe und das Kinn waren<lb/>
sauber rasirt. Wenn er lachte, zeigte er ein schönes Gebiß weiß wie Elfen¬<lb/>
bein. Seine Schultern und Arme hätten einem Herkules keine Schande ge¬<lb/>
macht. Seine dicken Finger waren bedeckt von einfachen goldenen Ringen.<lb/>
Sein grellrothes Halstuch war in eine Schleife geknüpft, wie sie die Matrosen<lb/>
tragen, und darauf steckte ein goldenes Herzogskrönchen, ein Andenken an<lb/>
seinen letzten verstorbenen Herren, der ihm einen kleinen Jahrgehalt für treue<lb/>
Dienste hinterlassen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62"> Er war der Gebieter der ganzen Heerde von Domestiken, Köchen, Por¬<lb/>
tiers und Lakaien, die in diesem Stadtviertel sich aufhielten, und es gab<lb/>
keinen wichtigeren Mann in dem kleinen Kaffeehause um die Ecke und in dem<lb/>
Hinterstübchen desselben, wo man Billard und Karte spielte. Er legte heute<lb/>
seinen besten Rock an, setzte seinen neuen Hut auf, um bei der Gelegenheit<lb/>
recht stattlich zu erscheinen, und bat, als er in das Haus des Marquis kam,<lb/>
ihm bei demselben eine Privataudienz zu erwirken, die ihm auch sogleich ge-<lb/>
währt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_63"> Ich werde die Unterredung, welche darauf zwischen den Beiden stattfand,<lb/>
so übersetzen, daß ich die stcilische Redeweise, die fast orientalische Farbe hat,<lb/>
anwende, um den Lesern eine charakteristische Vorstellung von der niedern<lb/>
Klasse auf der Insel zu geben. Und ich muß noch vorausschicken, daß solche<lb/>
Leute mit Einschluß der Mafiusi, obwohl sie unter Ihresgleichen gebieterisch und<lb/>
anmaßend auftreten, sich gegen den hohen und niedern Adel ungemein respect¬<lb/>
voll, höflich und ich möchte fast sagen ehrfurchtsvoll betragen. Ein über¬<lb/>
liefertes Gefühl der Vasallenschaft, die, wie bemerkt, erst in den letzten Jahren<lb/>
des achtzehnten Jahrhunderts aufhörte, lebt noch immer in ihnen fort und<lb/>
veranlaßt sie, zu vornehmen Leuten wie zu höheren Wesen emporzublicken,<lb/>
und wofern sie nicht auf Seiten der letzteren den Wunsch vermuthen, ihrer<lb/>
watmseris, entgegenzutreten, sind sie sehr bescheiden und demüthig vor ihnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_64"> Coka beginnt: &#x201E;Euer Excellenz (in Sicilien ist jedermann, der über der<lb/>
Mittelklasse steht, eine Excellenz &#x2014; ein Rest der Sitten, die sich unter der<lb/>
lang dauernden spanischen Herrschaft ausbildeten), ich habe mir die Freiheit<lb/>
genommen, zu kommen, um Ihnen die Hand zu küssen und Ihrer Herrlich-<lb/>
keit eine Bitte um eine Handlung der Barmherzigkeit zu Füßen zu legen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_65"> Der Marquis: &#x201E;Wenn es in meiner Gewalt steht, Coka, so werde<lb/>
ich es mit großem Vergnügen thun."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_66" next="#ID_67"> Cota: &#x201E;Euer Excellenz sind ein Edelmann, wie es deren nur wenige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] behäbiger, lustiger, angenehmer, immer lächelnder Mann in den besten Jahren. Sein fettes Gesicht strahlte von Gutmüthigkeit und Behagen, seine Augen waren klein, aber kohlschwarz und voll Glanz. Er hatte graue Haare und einen Backenbart von derselben Farbe. Die Oberlippe und das Kinn waren sauber rasirt. Wenn er lachte, zeigte er ein schönes Gebiß weiß wie Elfen¬ bein. Seine Schultern und Arme hätten einem Herkules keine Schande ge¬ macht. Seine dicken Finger waren bedeckt von einfachen goldenen Ringen. Sein grellrothes Halstuch war in eine Schleife geknüpft, wie sie die Matrosen tragen, und darauf steckte ein goldenes Herzogskrönchen, ein Andenken an seinen letzten verstorbenen Herren, der ihm einen kleinen Jahrgehalt für treue Dienste hinterlassen hatte. Er war der Gebieter der ganzen Heerde von Domestiken, Köchen, Por¬ tiers und Lakaien, die in diesem Stadtviertel sich aufhielten, und es gab keinen wichtigeren Mann in dem kleinen Kaffeehause um die Ecke und in dem Hinterstübchen desselben, wo man Billard und Karte spielte. Er legte heute seinen besten Rock an, setzte seinen neuen Hut auf, um bei der Gelegenheit recht stattlich zu erscheinen, und bat, als er in das Haus des Marquis kam, ihm bei demselben eine Privataudienz zu erwirken, die ihm auch sogleich ge- währt wurde. Ich werde die Unterredung, welche darauf zwischen den Beiden stattfand, so übersetzen, daß ich die stcilische Redeweise, die fast orientalische Farbe hat, anwende, um den Lesern eine charakteristische Vorstellung von der niedern Klasse auf der Insel zu geben. Und ich muß noch vorausschicken, daß solche Leute mit Einschluß der Mafiusi, obwohl sie unter Ihresgleichen gebieterisch und anmaßend auftreten, sich gegen den hohen und niedern Adel ungemein respect¬ voll, höflich und ich möchte fast sagen ehrfurchtsvoll betragen. Ein über¬ liefertes Gefühl der Vasallenschaft, die, wie bemerkt, erst in den letzten Jahren des achtzehnten Jahrhunderts aufhörte, lebt noch immer in ihnen fort und veranlaßt sie, zu vornehmen Leuten wie zu höheren Wesen emporzublicken, und wofern sie nicht auf Seiten der letzteren den Wunsch vermuthen, ihrer watmseris, entgegenzutreten, sind sie sehr bescheiden und demüthig vor ihnen. Coka beginnt: „Euer Excellenz (in Sicilien ist jedermann, der über der Mittelklasse steht, eine Excellenz — ein Rest der Sitten, die sich unter der lang dauernden spanischen Herrschaft ausbildeten), ich habe mir die Freiheit genommen, zu kommen, um Ihnen die Hand zu küssen und Ihrer Herrlich- keit eine Bitte um eine Handlung der Barmherzigkeit zu Füßen zu legen." Der Marquis: „Wenn es in meiner Gewalt steht, Coka, so werde ich es mit großem Vergnügen thun." Cota: „Euer Excellenz sind ein Edelmann, wie es deren nur wenige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/24
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/24>, abgerufen am 27.07.2024.