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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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2 Meil von Kulmbach" geworden. Ein dritter älterer Bruder Georgs,
Michael, studirte eine Zeit lang, mußte es aber aufgeben, denn "der Brüder
warn pill und das Closter war arm", diente dann in Königsberg, später
in Prag am kaiserlichen Hofe als "Schreiber", kehrte nach siebenjähriger
Abwesenheit nach der Heimat zurück und verheirathete sich dort "zu einer
allem witib, die war ser alte und nit schön", und "wiewol er sie nur auff 1 Jar
nam", d. h. wiewohl er hoffte, daß er sie nach Ablauf eines Jahres beerben
würde, mußte er eine lange Reihe von Jahren an ihrer Seite aushalten. Ein
jüngerer Bruder Georgs, Wilhelm, erlernte das Bäckerhandwerk, "möcht es
aber nit treiben", sondern wurde ebenfalls Kriegsmann, blieb "6 Jar zu
Caschä (Caschau) uff dem grentzhauß in Ungarn, deß . . Jars zog er mit
Herzog Maxmilliano in Boln, war sein Leibschutz, im selben Krig er und
andre mitt Ellendsheutten bezaltt worden, deß 89 Jars segelt er auß Ham¬
burg mitt nach Lissabon, dazu ich im dan mitt gelte und andern behülfflich
war; wie ers wider vergelten Wirt, das gibt Zeit zu erfarn." Caschau lag
damals an der Grenze von Ungarn und Siebenbürgen und wurde lange von
dem bekannten kaiserlichen Söldnerführer Lazarus Schwendi behauptet, unter
dessen deutschen Söldnern sich also wahrscheinlich Wilhelm Planck befand. Der
genannte Herzog Maximilian war der Bruder Kaiser Rudolf's II., der sich
1S86 nach dem Tode Stephan Bathory's um die Krone Polens bewarb,
aber im November 1587 vor Krakau im Kampfe gegen seinen Mitbewerber
Sigismund von Schweden unterlag.*)

Mit gutem Humor berichtet Planck auch über die Schicksale einer älteren
Schwester, Maria, die ohne Vorwissen der Mutter und der übrigen Ver¬
wandten sich mit einem Pfarrer, einem Wittwer mit zwei Kindern, verhei-
rathet hatte und dies gar sehr zu bereuen hatte; denn "ire Ehe war nit
gutt, Sündern wen sie essen wollten, schlugen sie vor aneinander, wie dan in
irer Ehe Mutter und freunde vilmals zu tätigen (dadern, schmähen, zanken)
hatten, sunderlich wen sie mit blawer farb angestrichen war, so kam sie ge-
lauffen und klaget ir Anligen". Der Bruder knüpft hieran die Lehre:
"Darumb sol ein ides Kind solche fachen ohne der Eitlem oder freund Wissen
nit anfangen, den wen darnach Klagen furfaln, so werden solche und von
hertzen angehört, Sündern lautem die Antwort: wer dir vorhin hat Rath und
kath geben, dem klag itz diß Anligen auch."

Aus seinem eignen Leben erzählt der Verfasser des Familienbuches fol¬
gendes. Er war das siebente Kind seiner Eltern, war 1657 geboren, wurde
mit vierzehn Jahren nach Nürnberg geschickt, um dort noch ein Jahr lang die
Schule zu besuchen, kam dann 1571 bei einem Kaufmann in die Lehre, wo
er die ersten acht Jahre zusammen 100 Gulden, das neunte Jahr 50 Gulden



") Fehler, Ungarische Geschichte. Bd. 7. S. 213.

2 Meil von Kulmbach" geworden. Ein dritter älterer Bruder Georgs,
Michael, studirte eine Zeit lang, mußte es aber aufgeben, denn „der Brüder
warn pill und das Closter war arm", diente dann in Königsberg, später
in Prag am kaiserlichen Hofe als „Schreiber", kehrte nach siebenjähriger
Abwesenheit nach der Heimat zurück und verheirathete sich dort „zu einer
allem witib, die war ser alte und nit schön", und „wiewol er sie nur auff 1 Jar
nam", d. h. wiewohl er hoffte, daß er sie nach Ablauf eines Jahres beerben
würde, mußte er eine lange Reihe von Jahren an ihrer Seite aushalten. Ein
jüngerer Bruder Georgs, Wilhelm, erlernte das Bäckerhandwerk, „möcht es
aber nit treiben", sondern wurde ebenfalls Kriegsmann, blieb „6 Jar zu
Caschä (Caschau) uff dem grentzhauß in Ungarn, deß . . Jars zog er mit
Herzog Maxmilliano in Boln, war sein Leibschutz, im selben Krig er und
andre mitt Ellendsheutten bezaltt worden, deß 89 Jars segelt er auß Ham¬
burg mitt nach Lissabon, dazu ich im dan mitt gelte und andern behülfflich
war; wie ers wider vergelten Wirt, das gibt Zeit zu erfarn." Caschau lag
damals an der Grenze von Ungarn und Siebenbürgen und wurde lange von
dem bekannten kaiserlichen Söldnerführer Lazarus Schwendi behauptet, unter
dessen deutschen Söldnern sich also wahrscheinlich Wilhelm Planck befand. Der
genannte Herzog Maximilian war der Bruder Kaiser Rudolf's II., der sich
1S86 nach dem Tode Stephan Bathory's um die Krone Polens bewarb,
aber im November 1587 vor Krakau im Kampfe gegen seinen Mitbewerber
Sigismund von Schweden unterlag.*)

Mit gutem Humor berichtet Planck auch über die Schicksale einer älteren
Schwester, Maria, die ohne Vorwissen der Mutter und der übrigen Ver¬
wandten sich mit einem Pfarrer, einem Wittwer mit zwei Kindern, verhei-
rathet hatte und dies gar sehr zu bereuen hatte; denn „ire Ehe war nit
gutt, Sündern wen sie essen wollten, schlugen sie vor aneinander, wie dan in
irer Ehe Mutter und freunde vilmals zu tätigen (dadern, schmähen, zanken)
hatten, sunderlich wen sie mit blawer farb angestrichen war, so kam sie ge-
lauffen und klaget ir Anligen". Der Bruder knüpft hieran die Lehre:
„Darumb sol ein ides Kind solche fachen ohne der Eitlem oder freund Wissen
nit anfangen, den wen darnach Klagen furfaln, so werden solche und von
hertzen angehört, Sündern lautem die Antwort: wer dir vorhin hat Rath und
kath geben, dem klag itz diß Anligen auch."

Aus seinem eignen Leben erzählt der Verfasser des Familienbuches fol¬
gendes. Er war das siebente Kind seiner Eltern, war 1657 geboren, wurde
mit vierzehn Jahren nach Nürnberg geschickt, um dort noch ein Jahr lang die
Schule zu besuchen, kam dann 1571 bei einem Kaufmann in die Lehre, wo
er die ersten acht Jahre zusammen 100 Gulden, das neunte Jahr 50 Gulden



") Fehler, Ungarische Geschichte. Bd. 7. S. 213.
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[0219] 2 Meil von Kulmbach" geworden. Ein dritter älterer Bruder Georgs, Michael, studirte eine Zeit lang, mußte es aber aufgeben, denn „der Brüder warn pill und das Closter war arm", diente dann in Königsberg, später in Prag am kaiserlichen Hofe als „Schreiber", kehrte nach siebenjähriger Abwesenheit nach der Heimat zurück und verheirathete sich dort „zu einer allem witib, die war ser alte und nit schön", und „wiewol er sie nur auff 1 Jar nam", d. h. wiewohl er hoffte, daß er sie nach Ablauf eines Jahres beerben würde, mußte er eine lange Reihe von Jahren an ihrer Seite aushalten. Ein jüngerer Bruder Georgs, Wilhelm, erlernte das Bäckerhandwerk, „möcht es aber nit treiben", sondern wurde ebenfalls Kriegsmann, blieb „6 Jar zu Caschä (Caschau) uff dem grentzhauß in Ungarn, deß . . Jars zog er mit Herzog Maxmilliano in Boln, war sein Leibschutz, im selben Krig er und andre mitt Ellendsheutten bezaltt worden, deß 89 Jars segelt er auß Ham¬ burg mitt nach Lissabon, dazu ich im dan mitt gelte und andern behülfflich war; wie ers wider vergelten Wirt, das gibt Zeit zu erfarn." Caschau lag damals an der Grenze von Ungarn und Siebenbürgen und wurde lange von dem bekannten kaiserlichen Söldnerführer Lazarus Schwendi behauptet, unter dessen deutschen Söldnern sich also wahrscheinlich Wilhelm Planck befand. Der genannte Herzog Maximilian war der Bruder Kaiser Rudolf's II., der sich 1S86 nach dem Tode Stephan Bathory's um die Krone Polens bewarb, aber im November 1587 vor Krakau im Kampfe gegen seinen Mitbewerber Sigismund von Schweden unterlag.*) Mit gutem Humor berichtet Planck auch über die Schicksale einer älteren Schwester, Maria, die ohne Vorwissen der Mutter und der übrigen Ver¬ wandten sich mit einem Pfarrer, einem Wittwer mit zwei Kindern, verhei- rathet hatte und dies gar sehr zu bereuen hatte; denn „ire Ehe war nit gutt, Sündern wen sie essen wollten, schlugen sie vor aneinander, wie dan in irer Ehe Mutter und freunde vilmals zu tätigen (dadern, schmähen, zanken) hatten, sunderlich wen sie mit blawer farb angestrichen war, so kam sie ge- lauffen und klaget ir Anligen". Der Bruder knüpft hieran die Lehre: „Darumb sol ein ides Kind solche fachen ohne der Eitlem oder freund Wissen nit anfangen, den wen darnach Klagen furfaln, so werden solche und von hertzen angehört, Sündern lautem die Antwort: wer dir vorhin hat Rath und kath geben, dem klag itz diß Anligen auch." Aus seinem eignen Leben erzählt der Verfasser des Familienbuches fol¬ gendes. Er war das siebente Kind seiner Eltern, war 1657 geboren, wurde mit vierzehn Jahren nach Nürnberg geschickt, um dort noch ein Jahr lang die Schule zu besuchen, kam dann 1571 bei einem Kaufmann in die Lehre, wo er die ersten acht Jahre zusammen 100 Gulden, das neunte Jahr 50 Gulden ") Fehler, Ungarische Geschichte. Bd. 7. S. 213.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/219>, abgerufen am 01.09.2024.