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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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das in den aquitanischen Knochen grollen gefunden wurde und wahrscheinlich
ebenfalls ein Pfeilstrecker war. Dasselbe gilt von einer Anzahl anderer Ge¬
rätschaften. Ein Schabstein der Eskimo z. B., mit dem sie Felle bearbeiten,
hat große Ähnlichkeit mit denen, welche die paläolithischen Jag'er Südfrank¬
reichs gebrauchten. Die Gegenstände ferner, die uns die Nordpolarreisenden
mitgebracht haben', sind mit Abbildungen der von den Eskimo gejagten Thiere
verziert. Auf einem zum Lochbohren dienenden Bogen sieht Man, wie sie
Walfische Harpuniren und Vögel fangen. Auf einem andern jagen sie Wal¬
rosse und Seehunde. Auf einem dritten werden diese heimgeschleppt. Ein
vierter zeigt eine Heerde Schweinfische. Auf einem knöchernen Geräth aus
Fort Clarence werden die Rennthiere von Bogenschützen geschossen, welche
dieselbe Tracht zeigen wie der obenerwähnte Urmensch zwischen den beiden
Pferdeköpfen. Auf dem Pfeilstrecker der Eskimo, den uns Fig. 123 darstellt,
befindet sich eine Rennthierjagd, wo die Thiere weiden und von den Jägern
überrascht werden, die in Rennthierfellen und mit Geweihen auf dem Kopf
heranschleichen.

Eine Vergleichung dieser verschiedenen Zeichnungen mit denen aus den
französischen Höhlen ergiebt eine fast vollkommene Identität der Auffassung
und Arbeit, nur mit dem Unterschied, daß die den paläolithischen Höhlenbe¬
wohnern bekannten Jagdscenen nicht immer dieselben waren, wie die der
Eskimo am Eismeer. Jeder schnitzte die Thiere, die ihn und sein Volk
nährten, und Walfisch und Seehund waren dem aquitanischen Urmenschen
ebenso fremd, wie Mammuth, Wisent und Pferd dem Eskimo. Ein Blick
auf die Lebensweise dieser jetzt zeitlich und örtlich so weit von einander ge¬
trennten Völker weist ebenfalls auf gleichen Stamm hin. Der ürweliliche
Höhlenmensch, kannte die Anfertigung von TöpferWchirr nicht, er spann und
webte nicht, er kleidete sich in zusammengenähte Felle, die nach dem Manne
zwischen den Pferdeköpfen zu schließen, eng an dem Körper anlag, und das¬
selbe ist bei den Eskimo der Fall, die mit den Europäern noch nicht in Be¬
rührung gekommen sind. Die Gewohnheit, die Knochen um des Markes willen
zu zerspalten, ist bei Mden zu finden.

Auf diese Thatsachen hin glaubt Dawkins, "daß die nordamerikanischen
Eskimo mit den paläolithischen Höhlenbewohnern Europas blutsverwandt sind.
Gegen den Einwand, wilde Stämme, die unter ähnlichen Verhältnissen lebten,
hätten in der Regel ähnliche Werkzeuge, und die Uebereinstimmung derjenigen
der Eskimo mit denen der Rennthierjäger der Urzeit beweise daher nicht, daß
beide derselben Race angehören, läßt sich erwidern, daß keine zwei wilden
Stämme jetzt leben, welche, ohne blutsverwandt zu sein, dieselbe Reihe von
Geräthen besäßen. Die Uebereinstimmung in Betreff eines oder zweier von
den gewöhnlicheren und roheren Werkzeugen mag von keinem Werthe für die


das in den aquitanischen Knochen grollen gefunden wurde und wahrscheinlich
ebenfalls ein Pfeilstrecker war. Dasselbe gilt von einer Anzahl anderer Ge¬
rätschaften. Ein Schabstein der Eskimo z. B., mit dem sie Felle bearbeiten,
hat große Ähnlichkeit mit denen, welche die paläolithischen Jag'er Südfrank¬
reichs gebrauchten. Die Gegenstände ferner, die uns die Nordpolarreisenden
mitgebracht haben', sind mit Abbildungen der von den Eskimo gejagten Thiere
verziert. Auf einem zum Lochbohren dienenden Bogen sieht Man, wie sie
Walfische Harpuniren und Vögel fangen. Auf einem andern jagen sie Wal¬
rosse und Seehunde. Auf einem dritten werden diese heimgeschleppt. Ein
vierter zeigt eine Heerde Schweinfische. Auf einem knöchernen Geräth aus
Fort Clarence werden die Rennthiere von Bogenschützen geschossen, welche
dieselbe Tracht zeigen wie der obenerwähnte Urmensch zwischen den beiden
Pferdeköpfen. Auf dem Pfeilstrecker der Eskimo, den uns Fig. 123 darstellt,
befindet sich eine Rennthierjagd, wo die Thiere weiden und von den Jägern
überrascht werden, die in Rennthierfellen und mit Geweihen auf dem Kopf
heranschleichen.

Eine Vergleichung dieser verschiedenen Zeichnungen mit denen aus den
französischen Höhlen ergiebt eine fast vollkommene Identität der Auffassung
und Arbeit, nur mit dem Unterschied, daß die den paläolithischen Höhlenbe¬
wohnern bekannten Jagdscenen nicht immer dieselben waren, wie die der
Eskimo am Eismeer. Jeder schnitzte die Thiere, die ihn und sein Volk
nährten, und Walfisch und Seehund waren dem aquitanischen Urmenschen
ebenso fremd, wie Mammuth, Wisent und Pferd dem Eskimo. Ein Blick
auf die Lebensweise dieser jetzt zeitlich und örtlich so weit von einander ge¬
trennten Völker weist ebenfalls auf gleichen Stamm hin. Der ürweliliche
Höhlenmensch, kannte die Anfertigung von TöpferWchirr nicht, er spann und
webte nicht, er kleidete sich in zusammengenähte Felle, die nach dem Manne
zwischen den Pferdeköpfen zu schließen, eng an dem Körper anlag, und das¬
selbe ist bei den Eskimo der Fall, die mit den Europäern noch nicht in Be¬
rührung gekommen sind. Die Gewohnheit, die Knochen um des Markes willen
zu zerspalten, ist bei Mden zu finden.

Auf diese Thatsachen hin glaubt Dawkins, „daß die nordamerikanischen
Eskimo mit den paläolithischen Höhlenbewohnern Europas blutsverwandt sind.
Gegen den Einwand, wilde Stämme, die unter ähnlichen Verhältnissen lebten,
hätten in der Regel ähnliche Werkzeuge, und die Uebereinstimmung derjenigen
der Eskimo mit denen der Rennthierjäger der Urzeit beweise daher nicht, daß
beide derselben Race angehören, läßt sich erwidern, daß keine zwei wilden
Stämme jetzt leben, welche, ohne blutsverwandt zu sein, dieselbe Reihe von
Geräthen besäßen. Die Uebereinstimmung in Betreff eines oder zweier von
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/168>, abgerufen am 27.07.2024.