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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Feindschaft gegen den deutschen Staat aufgegeben und ihre Fähigkeit der
Duldung anderer Confessionen dargelegt haben wird. -- , Am 15. März
wiederholten sich die Klagen über die Staatsaufsicht des Schulunterrichts zum
dritten Mal, ohne Stoff zu einer besonderen Bemerkung zu bieten. An dem¬
selben Tage wurden in einer Abendsitzung die Ausgaben für die Universitäten
im Wesentlichen nach der Budgetvorlage bewilligt.

Am 16. März gaben bei den Aufwendungen für Kunst und Wissenschaft
die Ausgaben für die Kunstmuseen in Berlin den Stoff zu einer solennen
Debatte. Uns interessirt nur der Hauptpunkt, der in dem durch Prof.
Mommsen glänzend begründeten Antrag zu erkennen ist: die Staatsregierung
wolle die Neuorganisation der Verwaltung der Kunstmuseen baldigst in An¬
griff nehmen. -- Diese großartigen Anstalten leiden an der deutschen Krank¬
heit, daß jeder Verwaltungsact fünf bis sechs Instanzen zu durchlaufen hat,
von denen jede die Macht hat zu schaden, d. h. zu hemmen, aber keine die
Macht zur Wahl des Guten durchzugreifen. Wenn man diesen Verwaltungs¬
gang schildern hört, so wundert man sich über keinen Mißgriff, sondern nur
darüber, wie diese Institute noch haben sein und bleiben können, was sie
sind. Der Abg. Mommsen forderte eine größere Macht der Abtheilungs-
direetoren, eine Centralisation der Fonds unter dem Cultusminister und ebenso
die unmittelbare Unterstellung der Abtheilungsdirectoren unter den Kultus¬
minister. Richtig sind diese Vorschläge gewiß: ob durchführbar, wie die Dinge
liegen, muß man abwarten. Erfreulich ist aber, daß Mommsen mit seiner
Wahrheitsliebe und Autorität die Verwaltung der Museen freigesprochen hat
von der Schuld an dem Ankauf der gefälschten moabitischen Alterthümer.
Der Vorwurf, das Opfer dieses Betrugs geworden zu sein, bleibt auf einem
Theil der deutschen Orientalisten haften*). Eine solche Täuschung ist aber weder
ein Verbrechen, noch ein Zeichen unechter Gelehrsamkeit. Schlimm ist nur
die Art, wie der Irrthum vertheidigt worden ist. Es scheint beinahe, als
hätten die Siege unserer Heere die Streitbarkeit mancher Gelehrten bis zur
Unvorsichtigkeit, die zur unausbleiblichen Niederlage führt, erregt.

Die Sitzung vom 17. März mit ihrer Weiterberathung der Ausgaben
verschiedener Unterrichtsanstalten brachte wieder eine Menge Wünsche zu
Tage, an denen nur das Eine auszusetzen ist, daß man sie bei der Haus¬
haltsfeststellung zur Sprache bringt. Unmöglich kann bei dieser Berathung
das ganze System der innern Politik und Verwaltung alljährlich neu auf¬
gebaut werden. Es ist ja selbstverständlich, daß hier und da Reformen nöthig
sein müssen. Aber warum stellt man für diese nicht besondere Anträge, wenn
man die Zeit für gekommen erachtet? Die Zeit, die man bei der Haushalts-



') Nach der neuesten Erklärung des Seniors derselben, scheint der Streit noch nicht abge.
s D. Red. chlössen.

Feindschaft gegen den deutschen Staat aufgegeben und ihre Fähigkeit der
Duldung anderer Confessionen dargelegt haben wird. — , Am 15. März
wiederholten sich die Klagen über die Staatsaufsicht des Schulunterrichts zum
dritten Mal, ohne Stoff zu einer besonderen Bemerkung zu bieten. An dem¬
selben Tage wurden in einer Abendsitzung die Ausgaben für die Universitäten
im Wesentlichen nach der Budgetvorlage bewilligt.

Am 16. März gaben bei den Aufwendungen für Kunst und Wissenschaft
die Ausgaben für die Kunstmuseen in Berlin den Stoff zu einer solennen
Debatte. Uns interessirt nur der Hauptpunkt, der in dem durch Prof.
Mommsen glänzend begründeten Antrag zu erkennen ist: die Staatsregierung
wolle die Neuorganisation der Verwaltung der Kunstmuseen baldigst in An¬
griff nehmen. — Diese großartigen Anstalten leiden an der deutschen Krank¬
heit, daß jeder Verwaltungsact fünf bis sechs Instanzen zu durchlaufen hat,
von denen jede die Macht hat zu schaden, d. h. zu hemmen, aber keine die
Macht zur Wahl des Guten durchzugreifen. Wenn man diesen Verwaltungs¬
gang schildern hört, so wundert man sich über keinen Mißgriff, sondern nur
darüber, wie diese Institute noch haben sein und bleiben können, was sie
sind. Der Abg. Mommsen forderte eine größere Macht der Abtheilungs-
direetoren, eine Centralisation der Fonds unter dem Cultusminister und ebenso
die unmittelbare Unterstellung der Abtheilungsdirectoren unter den Kultus¬
minister. Richtig sind diese Vorschläge gewiß: ob durchführbar, wie die Dinge
liegen, muß man abwarten. Erfreulich ist aber, daß Mommsen mit seiner
Wahrheitsliebe und Autorität die Verwaltung der Museen freigesprochen hat
von der Schuld an dem Ankauf der gefälschten moabitischen Alterthümer.
Der Vorwurf, das Opfer dieses Betrugs geworden zu sein, bleibt auf einem
Theil der deutschen Orientalisten haften*). Eine solche Täuschung ist aber weder
ein Verbrechen, noch ein Zeichen unechter Gelehrsamkeit. Schlimm ist nur
die Art, wie der Irrthum vertheidigt worden ist. Es scheint beinahe, als
hätten die Siege unserer Heere die Streitbarkeit mancher Gelehrten bis zur
Unvorsichtigkeit, die zur unausbleiblichen Niederlage führt, erregt.

Die Sitzung vom 17. März mit ihrer Weiterberathung der Ausgaben
verschiedener Unterrichtsanstalten brachte wieder eine Menge Wünsche zu
Tage, an denen nur das Eine auszusetzen ist, daß man sie bei der Haus¬
haltsfeststellung zur Sprache bringt. Unmöglich kann bei dieser Berathung
das ganze System der innern Politik und Verwaltung alljährlich neu auf¬
gebaut werden. Es ist ja selbstverständlich, daß hier und da Reformen nöthig
sein müssen. Aber warum stellt man für diese nicht besondere Anträge, wenn
man die Zeit für gekommen erachtet? Die Zeit, die man bei der Haushalts-



') Nach der neuesten Erklärung des Seniors derselben, scheint der Streit noch nicht abge.
s D. Red. chlössen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/515>, abgerufen am 26.06.2024.