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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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sollt, die Sache zu Ende zu führen! Wir werden den Schuldigen so zu finden
wissen, daß gewiß der Donner dreinschlagen wird". --

Trotz der besseren Ueberzeugung, daß Friedrich II. der mächtigere sei,
versuchte es der Herzog am Ausgang des Jahres 1741, sowohl bei dem
Statthalter von Erfurt, als auch bei Gotha, die herrschende Stimmung zu
erfahren. Der Nebengedanke, Alliancen zu suchen, war keineswegs ausge¬
schlossen. Der Statthalter aber rieth, lieber etwas von den obschon gerechtesten
Prätensionen nachzugeben, damit der Herzog nicht in ein gefährliches Demele
gerathe. Die Zeiten, sagte der Statthalter, sind dermalen bedenklich und die
'Macht des Königs allen Ständen des deutschen Reichs recht "fürchterlich".
In Gotha machte der Gesandte von Herda gleichfalls auf die Bedrohung
auch anderer ansehnlicher Reichsstände und die Nothwendigkeit zu gegenseitiger
Verbindung aufmerksam. Der Herzog war dem bessern Defensionsstande des
Landes zwar nicht abgeneigt, aber auf mehr als über 3 regulirte Regimenter
könne sich die Verfassung jedenfalls nicht erstrecken, auch er rieth zur Nach¬
giebigkeit. Vielleicht trug die verfehlte Mission das ihrige dazu bei, daß Ernst
August in die Gewährung des Witthums von 10,000 Thlr. einwilligte, ob-
wohl nie ihn das Mißtrauen gegen den Geh. Rath Gärtner verließ, daß
er es falsch mit der Sache des Herzogs meine und seine Angelegenheiten
verzögere. --

Konnte sich Ernst August nicht der Ansicht erwehren, daß Preußen es
auf einen Einfall in Allftedt abgesehen habe, so strengte er noch seine letzte
Kraft bei dem König von Polen an, um ihn über die steigende Gefahr und
die Nachtheile deutscher Reichsstände dringende Vorstellungen zu machen,
wenn schon er nicht verfehlte, auf die eingegangenen Warnungen auch den
König von Preußen "in ganz höslichenTerminis" mit einem Schreiben
zu bedenken, in dem aber alles vermieden werden mußte, was irgend wie den
Schein einer Furcht vor diesem König involvire.

Trotzdem war Ernst August vorsichtig. Allstedt wurde vorläufig aus
den Einfall vorbereitet, indem nicht allein die Unterthanen angewiesen wurden.
Hab und Gut auf chursächsischen Boden zu flüchten, sondern auch alle tüch¬
tigen Leute vom 16. bis zum 48. Jahre wurden zu den Fahnen in Eisenach
beordert.

Glücklicher Weise fiel jeder Anlaß zum blutigen Kriege weg. Friedrich II.,
der größere Aufgaben zu lösen bemüht war, dachte an den Herzog Ernst
August weniger als an jene. Die Allodialherrschaft fand ihre glückliche Lösung,
der erbitterte Feind der Berliner, die wie Fußangeln gehaftet, söhnte sich durch
huldvolles Schreiben an den Geheimenrath Mylius nicht allein mit diesem
als einem geschickten Minister aus, sondern derselbe hatte auch die angenehme
Aufgabe, seinem König die projectirte Aufwartung Ernst August's anzuzeigen!


sollt, die Sache zu Ende zu führen! Wir werden den Schuldigen so zu finden
wissen, daß gewiß der Donner dreinschlagen wird". —

Trotz der besseren Ueberzeugung, daß Friedrich II. der mächtigere sei,
versuchte es der Herzog am Ausgang des Jahres 1741, sowohl bei dem
Statthalter von Erfurt, als auch bei Gotha, die herrschende Stimmung zu
erfahren. Der Nebengedanke, Alliancen zu suchen, war keineswegs ausge¬
schlossen. Der Statthalter aber rieth, lieber etwas von den obschon gerechtesten
Prätensionen nachzugeben, damit der Herzog nicht in ein gefährliches Demele
gerathe. Die Zeiten, sagte der Statthalter, sind dermalen bedenklich und die
'Macht des Königs allen Ständen des deutschen Reichs recht „fürchterlich".
In Gotha machte der Gesandte von Herda gleichfalls auf die Bedrohung
auch anderer ansehnlicher Reichsstände und die Nothwendigkeit zu gegenseitiger
Verbindung aufmerksam. Der Herzog war dem bessern Defensionsstande des
Landes zwar nicht abgeneigt, aber auf mehr als über 3 regulirte Regimenter
könne sich die Verfassung jedenfalls nicht erstrecken, auch er rieth zur Nach¬
giebigkeit. Vielleicht trug die verfehlte Mission das ihrige dazu bei, daß Ernst
August in die Gewährung des Witthums von 10,000 Thlr. einwilligte, ob-
wohl nie ihn das Mißtrauen gegen den Geh. Rath Gärtner verließ, daß
er es falsch mit der Sache des Herzogs meine und seine Angelegenheiten
verzögere. —

Konnte sich Ernst August nicht der Ansicht erwehren, daß Preußen es
auf einen Einfall in Allftedt abgesehen habe, so strengte er noch seine letzte
Kraft bei dem König von Polen an, um ihn über die steigende Gefahr und
die Nachtheile deutscher Reichsstände dringende Vorstellungen zu machen,
wenn schon er nicht verfehlte, auf die eingegangenen Warnungen auch den
König von Preußen „in ganz höslichenTerminis" mit einem Schreiben
zu bedenken, in dem aber alles vermieden werden mußte, was irgend wie den
Schein einer Furcht vor diesem König involvire.

Trotzdem war Ernst August vorsichtig. Allstedt wurde vorläufig aus
den Einfall vorbereitet, indem nicht allein die Unterthanen angewiesen wurden.
Hab und Gut auf chursächsischen Boden zu flüchten, sondern auch alle tüch¬
tigen Leute vom 16. bis zum 48. Jahre wurden zu den Fahnen in Eisenach
beordert.

Glücklicher Weise fiel jeder Anlaß zum blutigen Kriege weg. Friedrich II.,
der größere Aufgaben zu lösen bemüht war, dachte an den Herzog Ernst
August weniger als an jene. Die Allodialherrschaft fand ihre glückliche Lösung,
der erbitterte Feind der Berliner, die wie Fußangeln gehaftet, söhnte sich durch
huldvolles Schreiben an den Geheimenrath Mylius nicht allein mit diesem
als einem geschickten Minister aus, sondern derselbe hatte auch die angenehme
Aufgabe, seinem König die projectirte Aufwartung Ernst August's anzuzeigen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/502>, abgerufen am 22.07.2024.