Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebiet der nationalen Politik der Vereinigten Staaten verpflanzt und bet
Gelegenheit der nächsten Präsidentenwahl in Scene gesetzt; wie würde es sich
etwa ausnehmen? Eine Anzahl von Männern, die in öffentlichem Ansehen
stehen, Unabhängige oder den beiden großen Parteien angehörig, bringt in
passender Weise einen Candidaten in Vorschlag, dessen Charakter und erprobte
Fähigkeiten für die bestmögliche Regierung die stärkste Garantie bieten; es
wird mit Umsicht und Energie auf die öffentliche Meinung eingewirkt, um
einem solchen Candidaten die nöthige Unterstützung zu verschaffen; verbündet
sich das corrupte Parteimaschinistenthum gegen ihn, so appellirt man kühn
an das Volk und versucht alle ehrlichen, denkenden und wahrhaft patriotischen
Elemente für ihn in thätige Bewegung zu setzen. In Boston geschah dies,
wie wir gesehen haben, mit dem besten Erfolge; wie wäre ein solcher Versuch
in großem Maßstabe zur hundertsten Geburtstagsfeier der Union? Unzwei¬
felhaft ist ein derartiges Unternehmen im Großen viel schwieriger als im.
Kleinen, es haftet ihm ein gut Theil Idealismus an, -- aber es wäre doch
zu überlegen. Und in der That ist jüngst von Karl Schurz der Vorschlag
gemacht worden, daß sich, mit Hinblick auf die wachsende Stärke der Unab¬
hängigen, unter Umständen die besten Elemente in den Vereinigten Staaten
auf dem Felde der National - Politik vereinigen und einen selbstständigen
Präsidentschaftskandidaten aufstellen möchten.

Der Schurz'sche Vorschlag ist von der amerikanischen Presse, namentlich
von der deutsch-amerikanischen, vielfach erörtert worden und der wichtigste
Einwand dagegen geht dahin: "Es sei eine ausgemachte Sache, daß der dies¬
jährige Präsidenten-Wahlkampf noch in der gewöhnlichen Weise zwischen den
beiden alten Parteiorganisationen der Republikaner und Demokraten ausgefochten
werden müsse, und mit dieser Thatsache habe das unabhängige Element sich
abzufinden." Dieser Einwand ist indeß wohl kaum mehr, als eine uner-
wiesene Behauptung; aber selbst wenn man ihn als thatsächlich begründet
annehmen wollte, so bliebe immer noch die Beantwortung der wichtigen
Frage übrig: Welche Stellung wird die Fraciion der Unabhängigen, zu
deren Hauptvertretern Karl Schurz gehört, einnehmen, und wie wird sie
ihren nicht zu unterschätzenden Einfluß zur Förderung des allgemeinen Besten
geltend machen können?

Diese Frage werden wir in unsrer nächsten Correspondenz weiter er¬
Rudolf Doehn. örtern.




Gebiet der nationalen Politik der Vereinigten Staaten verpflanzt und bet
Gelegenheit der nächsten Präsidentenwahl in Scene gesetzt; wie würde es sich
etwa ausnehmen? Eine Anzahl von Männern, die in öffentlichem Ansehen
stehen, Unabhängige oder den beiden großen Parteien angehörig, bringt in
passender Weise einen Candidaten in Vorschlag, dessen Charakter und erprobte
Fähigkeiten für die bestmögliche Regierung die stärkste Garantie bieten; es
wird mit Umsicht und Energie auf die öffentliche Meinung eingewirkt, um
einem solchen Candidaten die nöthige Unterstützung zu verschaffen; verbündet
sich das corrupte Parteimaschinistenthum gegen ihn, so appellirt man kühn
an das Volk und versucht alle ehrlichen, denkenden und wahrhaft patriotischen
Elemente für ihn in thätige Bewegung zu setzen. In Boston geschah dies,
wie wir gesehen haben, mit dem besten Erfolge; wie wäre ein solcher Versuch
in großem Maßstabe zur hundertsten Geburtstagsfeier der Union? Unzwei¬
felhaft ist ein derartiges Unternehmen im Großen viel schwieriger als im.
Kleinen, es haftet ihm ein gut Theil Idealismus an, — aber es wäre doch
zu überlegen. Und in der That ist jüngst von Karl Schurz der Vorschlag
gemacht worden, daß sich, mit Hinblick auf die wachsende Stärke der Unab¬
hängigen, unter Umständen die besten Elemente in den Vereinigten Staaten
auf dem Felde der National - Politik vereinigen und einen selbstständigen
Präsidentschaftskandidaten aufstellen möchten.

Der Schurz'sche Vorschlag ist von der amerikanischen Presse, namentlich
von der deutsch-amerikanischen, vielfach erörtert worden und der wichtigste
Einwand dagegen geht dahin: „Es sei eine ausgemachte Sache, daß der dies¬
jährige Präsidenten-Wahlkampf noch in der gewöhnlichen Weise zwischen den
beiden alten Parteiorganisationen der Republikaner und Demokraten ausgefochten
werden müsse, und mit dieser Thatsache habe das unabhängige Element sich
abzufinden." Dieser Einwand ist indeß wohl kaum mehr, als eine uner-
wiesene Behauptung; aber selbst wenn man ihn als thatsächlich begründet
annehmen wollte, so bliebe immer noch die Beantwortung der wichtigen
Frage übrig: Welche Stellung wird die Fraciion der Unabhängigen, zu
deren Hauptvertretern Karl Schurz gehört, einnehmen, und wie wird sie
ihren nicht zu unterschätzenden Einfluß zur Förderung des allgemeinen Besten
geltend machen können?

Diese Frage werden wir in unsrer nächsten Correspondenz weiter er¬
Rudolf Doehn. örtern.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135337"/>
          <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779"> Gebiet der nationalen Politik der Vereinigten Staaten verpflanzt und bet<lb/>
Gelegenheit der nächsten Präsidentenwahl in Scene gesetzt; wie würde es sich<lb/>
etwa ausnehmen? Eine Anzahl von Männern, die in öffentlichem Ansehen<lb/>
stehen, Unabhängige oder den beiden großen Parteien angehörig, bringt in<lb/>
passender Weise einen Candidaten in Vorschlag, dessen Charakter und erprobte<lb/>
Fähigkeiten für die bestmögliche Regierung die stärkste Garantie bieten; es<lb/>
wird mit Umsicht und Energie auf die öffentliche Meinung eingewirkt, um<lb/>
einem solchen Candidaten die nöthige Unterstützung zu verschaffen; verbündet<lb/>
sich das corrupte Parteimaschinistenthum gegen ihn, so appellirt man kühn<lb/>
an das Volk und versucht alle ehrlichen, denkenden und wahrhaft patriotischen<lb/>
Elemente für ihn in thätige Bewegung zu setzen. In Boston geschah dies,<lb/>
wie wir gesehen haben, mit dem besten Erfolge; wie wäre ein solcher Versuch<lb/>
in großem Maßstabe zur hundertsten Geburtstagsfeier der Union? Unzwei¬<lb/>
felhaft ist ein derartiges Unternehmen im Großen viel schwieriger als im.<lb/>
Kleinen, es haftet ihm ein gut Theil Idealismus an, &#x2014; aber es wäre doch<lb/>
zu überlegen. Und in der That ist jüngst von Karl Schurz der Vorschlag<lb/>
gemacht worden, daß sich, mit Hinblick auf die wachsende Stärke der Unab¬<lb/>
hängigen, unter Umständen die besten Elemente in den Vereinigten Staaten<lb/>
auf dem Felde der National - Politik vereinigen und einen selbstständigen<lb/>
Präsidentschaftskandidaten aufstellen möchten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_781"> Der Schurz'sche Vorschlag ist von der amerikanischen Presse, namentlich<lb/>
von der deutsch-amerikanischen, vielfach erörtert worden und der wichtigste<lb/>
Einwand dagegen geht dahin: &#x201E;Es sei eine ausgemachte Sache, daß der dies¬<lb/>
jährige Präsidenten-Wahlkampf noch in der gewöhnlichen Weise zwischen den<lb/>
beiden alten Parteiorganisationen der Republikaner und Demokraten ausgefochten<lb/>
werden müsse, und mit dieser Thatsache habe das unabhängige Element sich<lb/>
abzufinden." Dieser Einwand ist indeß wohl kaum mehr, als eine uner-<lb/>
wiesene Behauptung; aber selbst wenn man ihn als thatsächlich begründet<lb/>
annehmen wollte, so bliebe immer noch die Beantwortung der wichtigen<lb/>
Frage übrig: Welche Stellung wird die Fraciion der Unabhängigen, zu<lb/>
deren Hauptvertretern Karl Schurz gehört, einnehmen, und wie wird sie<lb/>
ihren nicht zu unterschätzenden Einfluß zur Förderung des allgemeinen Besten<lb/>
geltend machen können?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_782"> Diese Frage werden wir in unsrer nächsten Correspondenz weiter er¬<lb/><note type="byline"> Rudolf Doehn.</note> örtern. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] Gebiet der nationalen Politik der Vereinigten Staaten verpflanzt und bet Gelegenheit der nächsten Präsidentenwahl in Scene gesetzt; wie würde es sich etwa ausnehmen? Eine Anzahl von Männern, die in öffentlichem Ansehen stehen, Unabhängige oder den beiden großen Parteien angehörig, bringt in passender Weise einen Candidaten in Vorschlag, dessen Charakter und erprobte Fähigkeiten für die bestmögliche Regierung die stärkste Garantie bieten; es wird mit Umsicht und Energie auf die öffentliche Meinung eingewirkt, um einem solchen Candidaten die nöthige Unterstützung zu verschaffen; verbündet sich das corrupte Parteimaschinistenthum gegen ihn, so appellirt man kühn an das Volk und versucht alle ehrlichen, denkenden und wahrhaft patriotischen Elemente für ihn in thätige Bewegung zu setzen. In Boston geschah dies, wie wir gesehen haben, mit dem besten Erfolge; wie wäre ein solcher Versuch in großem Maßstabe zur hundertsten Geburtstagsfeier der Union? Unzwei¬ felhaft ist ein derartiges Unternehmen im Großen viel schwieriger als im. Kleinen, es haftet ihm ein gut Theil Idealismus an, — aber es wäre doch zu überlegen. Und in der That ist jüngst von Karl Schurz der Vorschlag gemacht worden, daß sich, mit Hinblick auf die wachsende Stärke der Unab¬ hängigen, unter Umständen die besten Elemente in den Vereinigten Staaten auf dem Felde der National - Politik vereinigen und einen selbstständigen Präsidentschaftskandidaten aufstellen möchten. Der Schurz'sche Vorschlag ist von der amerikanischen Presse, namentlich von der deutsch-amerikanischen, vielfach erörtert worden und der wichtigste Einwand dagegen geht dahin: „Es sei eine ausgemachte Sache, daß der dies¬ jährige Präsidenten-Wahlkampf noch in der gewöhnlichen Weise zwischen den beiden alten Parteiorganisationen der Republikaner und Demokraten ausgefochten werden müsse, und mit dieser Thatsache habe das unabhängige Element sich abzufinden." Dieser Einwand ist indeß wohl kaum mehr, als eine uner- wiesene Behauptung; aber selbst wenn man ihn als thatsächlich begründet annehmen wollte, so bliebe immer noch die Beantwortung der wichtigen Frage übrig: Welche Stellung wird die Fraciion der Unabhängigen, zu deren Hauptvertretern Karl Schurz gehört, einnehmen, und wie wird sie ihren nicht zu unterschätzenden Einfluß zur Förderung des allgemeinen Besten geltend machen können? Diese Frage werden wir in unsrer nächsten Correspondenz weiter er¬ Rudolf Doehn. örtern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/284>, abgerufen am 24.08.2024.