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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Pfauen marschiert zu sein, um auch den vor Murren stehenden Belagerungs¬
corps den Rückzug in die Waal abzuschneiden. Die Lombarden, welche den
Ausgang der Schlacht erst gewahr wurden, als sie die Burgunder in jäher
Flucht aus dem Walde von Claveleyre Heransströmen sahen, waren eben
beschäftigt, eilig aufzubrechen, als Bubenberg, der von den Mauern Murtens
aus dieselbe Wahrnehmung gemacht wie sie, einen Ausfall machte. Zwar
warf diesen die italienische Reiterei tapfer zurück; aber nun erschien die Nach¬
hut der Verbündeten in ihrem Rücken, und damit ward die Lage der Lom¬
barden verzweifelt. Getäuscht durch den scheinbar seichten Grund des Sees,
warfen sich viele in das Wasser und hofften das obere Ufer zu erreichen; der
Moorgrund aber wich und verschlang Roß und Reiter, und wem es ja ge¬
lang, sich schwimmend oder watend über Wasser zu halten, der fand unter
den Streichen und Schüssen des Feindes den Tod. Eine förmliche Menschen¬
jagd begann, welche das Volkslied später mit naiver Rohheit gefeiert hat-
Schilling und Etterlin schildern, "wie die verhaßten Lombarden in Schiffen
gleich Enten gejagt wurden, mit Büchsen und Armbrüsten erschossen oder
mit Spießen erstochen. Es waren ihrer doch so viele, die bis an den Hals
im See standen und die Köpfe oben herausholen, daß sie aussahen wie
Möwen... Da ritten auch viel großer Herren und ander mächtig Leut in
den See mit ihren guldinen Scharinen (Wassmröcken), verdeckten Rossen und
andern köstlichen Dingen und unterstuhnden überzuschwimmen .. und wenn
sie lang gezappelt und nicht erschossen oder erschlagen wurden, so gingen sie
von rechter Angst und Noth mit ihren Rossen ganz unter." Ebenso uner¬
bittlich wüthete der Tod zu Lande. Gleich Vögeln schoß man die Flüchtigen
von den Bäumen herab und erstach und verbrannte sie in den Dörfern.

Während so das burgundische Hauptheer dem Schwerte des siegreichen
Feindes erlag, stand ostwärts von Murtens Mauern noch unangetastet der
Heerhaufen des Grafen von Romont, der wahrscheinlich erst durch den An¬
griff auf die Lombarden Näheres über die Schlacht und deren Ausgang er¬
fuhr. Der Graf versuchte, durch das große Moos um den See herum "vzu-
ziehn; aber als ihm hier der Landsturm des sogenannten Jnsellandes, d. s-
teh Gebiets zwischen Neuenburger- und Murtensee, entgegengerückt kam,
machte er kehrt und wandte sich landaufwärts durch eben die Waldungen,
welche morgens den Anmarsch der Verbündeten verdeckt hatten, um auf einem
Umweg zwischen Freiburg und Peterltngen Romont zu erreichen, was ihm, a
dings unter Aufopferung alles Geschützes und Gepäcks, in der That gelang-
¬

Das Heer der Verbündeten bezog am Abend des Schlachttags das bur
gundische Lager. "Mit zerthanen Armen" wurde dem "Allmächtigen Got,
der Königin Magd Maria, allem himmlischen Heer und den 10,000 Rittern
fünf Paternoster und Ave Maria gesprochen"; dann aber ging es an


Pfauen marschiert zu sein, um auch den vor Murren stehenden Belagerungs¬
corps den Rückzug in die Waal abzuschneiden. Die Lombarden, welche den
Ausgang der Schlacht erst gewahr wurden, als sie die Burgunder in jäher
Flucht aus dem Walde von Claveleyre Heransströmen sahen, waren eben
beschäftigt, eilig aufzubrechen, als Bubenberg, der von den Mauern Murtens
aus dieselbe Wahrnehmung gemacht wie sie, einen Ausfall machte. Zwar
warf diesen die italienische Reiterei tapfer zurück; aber nun erschien die Nach¬
hut der Verbündeten in ihrem Rücken, und damit ward die Lage der Lom¬
barden verzweifelt. Getäuscht durch den scheinbar seichten Grund des Sees,
warfen sich viele in das Wasser und hofften das obere Ufer zu erreichen; der
Moorgrund aber wich und verschlang Roß und Reiter, und wem es ja ge¬
lang, sich schwimmend oder watend über Wasser zu halten, der fand unter
den Streichen und Schüssen des Feindes den Tod. Eine förmliche Menschen¬
jagd begann, welche das Volkslied später mit naiver Rohheit gefeiert hat-
Schilling und Etterlin schildern, „wie die verhaßten Lombarden in Schiffen
gleich Enten gejagt wurden, mit Büchsen und Armbrüsten erschossen oder
mit Spießen erstochen. Es waren ihrer doch so viele, die bis an den Hals
im See standen und die Köpfe oben herausholen, daß sie aussahen wie
Möwen... Da ritten auch viel großer Herren und ander mächtig Leut in
den See mit ihren guldinen Scharinen (Wassmröcken), verdeckten Rossen und
andern köstlichen Dingen und unterstuhnden überzuschwimmen .. und wenn
sie lang gezappelt und nicht erschossen oder erschlagen wurden, so gingen sie
von rechter Angst und Noth mit ihren Rossen ganz unter." Ebenso uner¬
bittlich wüthete der Tod zu Lande. Gleich Vögeln schoß man die Flüchtigen
von den Bäumen herab und erstach und verbrannte sie in den Dörfern.

Während so das burgundische Hauptheer dem Schwerte des siegreichen
Feindes erlag, stand ostwärts von Murtens Mauern noch unangetastet der
Heerhaufen des Grafen von Romont, der wahrscheinlich erst durch den An¬
griff auf die Lombarden Näheres über die Schlacht und deren Ausgang er¬
fuhr. Der Graf versuchte, durch das große Moos um den See herum »vzu-
ziehn; aber als ihm hier der Landsturm des sogenannten Jnsellandes, d. s-
teh Gebiets zwischen Neuenburger- und Murtensee, entgegengerückt kam,
machte er kehrt und wandte sich landaufwärts durch eben die Waldungen,
welche morgens den Anmarsch der Verbündeten verdeckt hatten, um auf einem
Umweg zwischen Freiburg und Peterltngen Romont zu erreichen, was ihm, a
dings unter Aufopferung alles Geschützes und Gepäcks, in der That gelang-
¬

Das Heer der Verbündeten bezog am Abend des Schlachttags das bur
gundische Lager. „Mit zerthanen Armen" wurde dem „Allmächtigen Got,
der Königin Magd Maria, allem himmlischen Heer und den 10,000 Rittern
fünf Paternoster und Ave Maria gesprochen"; dann aber ging es an


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[0118] Pfauen marschiert zu sein, um auch den vor Murren stehenden Belagerungs¬ corps den Rückzug in die Waal abzuschneiden. Die Lombarden, welche den Ausgang der Schlacht erst gewahr wurden, als sie die Burgunder in jäher Flucht aus dem Walde von Claveleyre Heransströmen sahen, waren eben beschäftigt, eilig aufzubrechen, als Bubenberg, der von den Mauern Murtens aus dieselbe Wahrnehmung gemacht wie sie, einen Ausfall machte. Zwar warf diesen die italienische Reiterei tapfer zurück; aber nun erschien die Nach¬ hut der Verbündeten in ihrem Rücken, und damit ward die Lage der Lom¬ barden verzweifelt. Getäuscht durch den scheinbar seichten Grund des Sees, warfen sich viele in das Wasser und hofften das obere Ufer zu erreichen; der Moorgrund aber wich und verschlang Roß und Reiter, und wem es ja ge¬ lang, sich schwimmend oder watend über Wasser zu halten, der fand unter den Streichen und Schüssen des Feindes den Tod. Eine förmliche Menschen¬ jagd begann, welche das Volkslied später mit naiver Rohheit gefeiert hat- Schilling und Etterlin schildern, „wie die verhaßten Lombarden in Schiffen gleich Enten gejagt wurden, mit Büchsen und Armbrüsten erschossen oder mit Spießen erstochen. Es waren ihrer doch so viele, die bis an den Hals im See standen und die Köpfe oben herausholen, daß sie aussahen wie Möwen... Da ritten auch viel großer Herren und ander mächtig Leut in den See mit ihren guldinen Scharinen (Wassmröcken), verdeckten Rossen und andern köstlichen Dingen und unterstuhnden überzuschwimmen .. und wenn sie lang gezappelt und nicht erschossen oder erschlagen wurden, so gingen sie von rechter Angst und Noth mit ihren Rossen ganz unter." Ebenso uner¬ bittlich wüthete der Tod zu Lande. Gleich Vögeln schoß man die Flüchtigen von den Bäumen herab und erstach und verbrannte sie in den Dörfern. Während so das burgundische Hauptheer dem Schwerte des siegreichen Feindes erlag, stand ostwärts von Murtens Mauern noch unangetastet der Heerhaufen des Grafen von Romont, der wahrscheinlich erst durch den An¬ griff auf die Lombarden Näheres über die Schlacht und deren Ausgang er¬ fuhr. Der Graf versuchte, durch das große Moos um den See herum »vzu- ziehn; aber als ihm hier der Landsturm des sogenannten Jnsellandes, d. s- teh Gebiets zwischen Neuenburger- und Murtensee, entgegengerückt kam, machte er kehrt und wandte sich landaufwärts durch eben die Waldungen, welche morgens den Anmarsch der Verbündeten verdeckt hatten, um auf einem Umweg zwischen Freiburg und Peterltngen Romont zu erreichen, was ihm, a dings unter Aufopferung alles Geschützes und Gepäcks, in der That gelang- ¬ Das Heer der Verbündeten bezog am Abend des Schlachttags das bur gundische Lager. „Mit zerthanen Armen" wurde dem „Allmächtigen Got, der Königin Magd Maria, allem himmlischen Heer und den 10,000 Rittern fünf Paternoster und Ave Maria gesprochen"; dann aber ging es an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/118>, abgerufen am 24.07.2024.