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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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also der Marsch in mehrere Colonnen <Ms) geschah, so theilte sich jedes
Treffen in die vorgeschriebene Zahl der Colonnen. Die Artillerie und der
Train bildeten stets eine Colonne für sich, an deren Spitze die leichte Ar¬
tillerie (Minute artigleria) fuhr, und welche, wenn das Heer selbst in mehren
Colonnen marschierte, zwischen diese genommen ward.

Im Lager sollten je 2 Treffen zusammen ein Quartier bilden, welche
Todesstrafe nicht überschritten werden dürften, und wegen der großen
Unordnung, welche früher durch die Weiber herbeigeführt worden, erhielten
die Compagniechefs Befehl, alle Dirnen (putg,n68) zu entfernen und die
Mannschaft anzuhalten, ihre Liebesbrunst durch vermehrtes Wassertrinken
abzukühlen. *)

Am 27. Mai brach Karl endlich aus dem Lager von Lausanne auf,
um die Schweizer anzugreifen, wo er sie fände. -- Am nächsten bedroht er¬
schien jetzt Murten. welches die Berner, wie vor anderthalb Jahrhunderten
Raupen, dadurch zu einer wichtigen Stadt gemacht, daß sie, wie schon erwähnt,
1600 Mann Besatzung unter Adrian v. Bubenberg hineingelegt hatten.
War es doch das sicherste Mittel, eidgenössische Streitkräfte auf die Beine zu
bringen, wenn man auf die Nothwendigkeit des Entsatzes einer vom Feinde
""gegriffenen Stadt hinweisen konnte, und Karl der Kühne trug, wie wir
sehen werden, dazu bei, dies Mittel wirksam zu machen, indem er in der That
Murten belagerte.

Bei der Nachricht, daß das herzogliche Heer von dem ausgezehrten
Wciatlande aufgebrochen sei und durch die der Ernte entgegenreifenden Saat¬
felder über Milden und Peterlingen im Thal der Broye vorrückte, erging
durch die Länder und Städte von Freiburg, Bern und Solothurn der Land¬
sturm, "und von den Hütten zur Seite des ewigen Eises bis wo die Aar in
Rhein fällt, floß das Volk zusammen nach Bern." Die Brücken über
die Sense und Sane bei Laupen und Gümminen wurden besetzt; Tag und
^acht waren Schultheiß, Verner und Räthe in Bern versammelt; eifrig
wurden die Eidgenossen zum Zuzug gemahnt. Aber die Leute des Gebirgs,
die schon mit ihrem Vieh auf die Alp gezogen waren, zeigten sich schwierig,
wobei Savoyische Intriguen mitgewirkt haben dürften. Erst wenn der Herzog
das Gebiet der Eidgenossenschaft als Feind betrete, wollten sie zum Kampf
"usziehn; sie ließen es untersuchen, ob Murten staatsrechtlich zum Bunde
gehöre. Als aber die Berner geltend machten, daß Murten eine alte Reichs¬
stadt, durch Savoyen nur mittelbar dem Reiche entfremdet und jetzt mit ihnen
^ Bunde sei, als sie eindringlichst an die alte Waffenbrüderschaft mahnten



in ^ Panichmola: voxia Sö u Oräovi novitnr ssoti psr lo Jllustr. Dnos c>i Vorßic>xv,g,
° vawxo, 13. Mai 144". Bei v, Rott.

also der Marsch in mehrere Colonnen <Ms) geschah, so theilte sich jedes
Treffen in die vorgeschriebene Zahl der Colonnen. Die Artillerie und der
Train bildeten stets eine Colonne für sich, an deren Spitze die leichte Ar¬
tillerie (Minute artigleria) fuhr, und welche, wenn das Heer selbst in mehren
Colonnen marschierte, zwischen diese genommen ward.

Im Lager sollten je 2 Treffen zusammen ein Quartier bilden, welche
Todesstrafe nicht überschritten werden dürften, und wegen der großen
Unordnung, welche früher durch die Weiber herbeigeführt worden, erhielten
die Compagniechefs Befehl, alle Dirnen (putg,n68) zu entfernen und die
Mannschaft anzuhalten, ihre Liebesbrunst durch vermehrtes Wassertrinken
abzukühlen. *)

Am 27. Mai brach Karl endlich aus dem Lager von Lausanne auf,
um die Schweizer anzugreifen, wo er sie fände. — Am nächsten bedroht er¬
schien jetzt Murten. welches die Berner, wie vor anderthalb Jahrhunderten
Raupen, dadurch zu einer wichtigen Stadt gemacht, daß sie, wie schon erwähnt,
1600 Mann Besatzung unter Adrian v. Bubenberg hineingelegt hatten.
War es doch das sicherste Mittel, eidgenössische Streitkräfte auf die Beine zu
bringen, wenn man auf die Nothwendigkeit des Entsatzes einer vom Feinde
""gegriffenen Stadt hinweisen konnte, und Karl der Kühne trug, wie wir
sehen werden, dazu bei, dies Mittel wirksam zu machen, indem er in der That
Murten belagerte.

Bei der Nachricht, daß das herzogliche Heer von dem ausgezehrten
Wciatlande aufgebrochen sei und durch die der Ernte entgegenreifenden Saat¬
felder über Milden und Peterlingen im Thal der Broye vorrückte, erging
durch die Länder und Städte von Freiburg, Bern und Solothurn der Land¬
sturm, „und von den Hütten zur Seite des ewigen Eises bis wo die Aar in
Rhein fällt, floß das Volk zusammen nach Bern." Die Brücken über
die Sense und Sane bei Laupen und Gümminen wurden besetzt; Tag und
^acht waren Schultheiß, Verner und Räthe in Bern versammelt; eifrig
wurden die Eidgenossen zum Zuzug gemahnt. Aber die Leute des Gebirgs,
die schon mit ihrem Vieh auf die Alp gezogen waren, zeigten sich schwierig,
wobei Savoyische Intriguen mitgewirkt haben dürften. Erst wenn der Herzog
das Gebiet der Eidgenossenschaft als Feind betrete, wollten sie zum Kampf
"usziehn; sie ließen es untersuchen, ob Murten staatsrechtlich zum Bunde
gehöre. Als aber die Berner geltend machten, daß Murten eine alte Reichs¬
stadt, durch Savoyen nur mittelbar dem Reiche entfremdet und jetzt mit ihnen
^ Bunde sei, als sie eindringlichst an die alte Waffenbrüderschaft mahnten



in ^ Panichmola: voxia Sö u Oräovi novitnr ssoti psr lo Jllustr. Dnos c>i Vorßic>xv,g,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/109>, abgerufen am 24.07.2024.