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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Jetzt kam das Häufeln der jüngsten anwesenden Ehepaare, d. h. der¬
jenigen jungen Eheweiber und Ehemänner, welche zuletzt Hochzeit gehalten
hatten, an die Reihe. Männer und Burschen versuchten nämlich, einen
Schuh, einen Stiefel der Betreffenden zu erHaschen, was ihnen theilweise
auch gelang. Der Raub wurde dem Verstrich unter den Theilnehmern ausge¬
setzt und das hieraus gelöste Geld gemeinschaftlich in einem Punsch vertrunken.

Nachdem noch ein Choral vor dem Hochzeitshause angestimmt worden
war, wurde abermals zum Tanz unter die Linde gezogen. Jeyt trug auch
die Braut ihren Kranz wieder, den sie seit gestern abgelegt hatte.

Noch während des Tanzes brachte der Metzger, welcher in der Küche
beschäftigt ist, in weißem Fürtuch und dem Gürtel mit Stahl und Messer¬
besteck, das Beil im Arm, einen Ochsen an der Kette geführt, um ihn, wie
es schien, zu schlachten. Er gab ihm einen Schlag mit dem Beil aus den
Kopf; der Ochse stürzte zu Boden, sprang aber sofort wieder auf und lief
unter dem Hallo der Menge wieder auf und davon, indem er sich zu einem
Manne entpuppte, dessen Kopf und Hörner ein umgestürzter irdener Tiegel
gewesen war.

. Zum Hochzeitshause zurückgekehrt, was so gegen 6 Uhr Abends statt¬
fand, nachdem den Gästen noch eine Wecksuppe gereicht worden, schritt man
zum Schenken. Die Geschenke, welche nicht allzureichlich flössen, bestanden
meistens in Geld, selten unter 2 Thaler, und nur zum kleinsten Theil in
Haus- und Küchengeräthschaften. Ein besonderes Ceremoniel, wie dies bei
dieser Gelegenheit bei uns an der Werra üblich war und zum Theil noch ist,
fand dabei nicht statt.

Sobald die letzten Stücke abgegeben waren, wurden die Geschenke
sämmtlich auf einen Haufen zusammen gelegt, über welchen die Braut
springen mußte.

Nach dieser Motion wurde wieder eine Mahlzeit gehalten, bestehend in
Kraut mit Schweinefleisch, Selleriegemüse mit Semmelklößchen und Rindfleisch,
Wurst, kaltem Kalbsbraten und Bratwürsten, die auch hier üblich sind, und
verschiedenen Salaten. Dem Mahle schloß sich ein Tänzchen an, welches fast
ununterbrochen bis zum nächsten Morgen anhielt, und während desselben wurde
nach Belieben gegessen und getrunken.

Wenn je ein Fest erst dann recht gefeiert werden kann, wenn man dabei
brav ißt und trinkt, so konnte gewiß keine Hochzeit besser gehalten werden
als eben diese.

Gegen Mitternacht wurde der Tanz dadurch unterbrochen, daß die jungen
Weiber und Mädchen der Braut den Kranz vom Haupte herunterrissen und
ihr dafür eine "Batze" (Haube) aufsetzten. Bei dieser Handlung gab's Kaffee
mit Kuchen, welcher eigens zu diesem Zwecke gekocht worden war.


Jetzt kam das Häufeln der jüngsten anwesenden Ehepaare, d. h. der¬
jenigen jungen Eheweiber und Ehemänner, welche zuletzt Hochzeit gehalten
hatten, an die Reihe. Männer und Burschen versuchten nämlich, einen
Schuh, einen Stiefel der Betreffenden zu erHaschen, was ihnen theilweise
auch gelang. Der Raub wurde dem Verstrich unter den Theilnehmern ausge¬
setzt und das hieraus gelöste Geld gemeinschaftlich in einem Punsch vertrunken.

Nachdem noch ein Choral vor dem Hochzeitshause angestimmt worden
war, wurde abermals zum Tanz unter die Linde gezogen. Jeyt trug auch
die Braut ihren Kranz wieder, den sie seit gestern abgelegt hatte.

Noch während des Tanzes brachte der Metzger, welcher in der Küche
beschäftigt ist, in weißem Fürtuch und dem Gürtel mit Stahl und Messer¬
besteck, das Beil im Arm, einen Ochsen an der Kette geführt, um ihn, wie
es schien, zu schlachten. Er gab ihm einen Schlag mit dem Beil aus den
Kopf; der Ochse stürzte zu Boden, sprang aber sofort wieder auf und lief
unter dem Hallo der Menge wieder auf und davon, indem er sich zu einem
Manne entpuppte, dessen Kopf und Hörner ein umgestürzter irdener Tiegel
gewesen war.

. Zum Hochzeitshause zurückgekehrt, was so gegen 6 Uhr Abends statt¬
fand, nachdem den Gästen noch eine Wecksuppe gereicht worden, schritt man
zum Schenken. Die Geschenke, welche nicht allzureichlich flössen, bestanden
meistens in Geld, selten unter 2 Thaler, und nur zum kleinsten Theil in
Haus- und Küchengeräthschaften. Ein besonderes Ceremoniel, wie dies bei
dieser Gelegenheit bei uns an der Werra üblich war und zum Theil noch ist,
fand dabei nicht statt.

Sobald die letzten Stücke abgegeben waren, wurden die Geschenke
sämmtlich auf einen Haufen zusammen gelegt, über welchen die Braut
springen mußte.

Nach dieser Motion wurde wieder eine Mahlzeit gehalten, bestehend in
Kraut mit Schweinefleisch, Selleriegemüse mit Semmelklößchen und Rindfleisch,
Wurst, kaltem Kalbsbraten und Bratwürsten, die auch hier üblich sind, und
verschiedenen Salaten. Dem Mahle schloß sich ein Tänzchen an, welches fast
ununterbrochen bis zum nächsten Morgen anhielt, und während desselben wurde
nach Belieben gegessen und getrunken.

Wenn je ein Fest erst dann recht gefeiert werden kann, wenn man dabei
brav ißt und trinkt, so konnte gewiß keine Hochzeit besser gehalten werden
als eben diese.

Gegen Mitternacht wurde der Tanz dadurch unterbrochen, daß die jungen
Weiber und Mädchen der Braut den Kranz vom Haupte herunterrissen und
ihr dafür eine „Batze" (Haube) aufsetzten. Bei dieser Handlung gab's Kaffee
mit Kuchen, welcher eigens zu diesem Zwecke gekocht worden war.


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[0087] Jetzt kam das Häufeln der jüngsten anwesenden Ehepaare, d. h. der¬ jenigen jungen Eheweiber und Ehemänner, welche zuletzt Hochzeit gehalten hatten, an die Reihe. Männer und Burschen versuchten nämlich, einen Schuh, einen Stiefel der Betreffenden zu erHaschen, was ihnen theilweise auch gelang. Der Raub wurde dem Verstrich unter den Theilnehmern ausge¬ setzt und das hieraus gelöste Geld gemeinschaftlich in einem Punsch vertrunken. Nachdem noch ein Choral vor dem Hochzeitshause angestimmt worden war, wurde abermals zum Tanz unter die Linde gezogen. Jeyt trug auch die Braut ihren Kranz wieder, den sie seit gestern abgelegt hatte. Noch während des Tanzes brachte der Metzger, welcher in der Küche beschäftigt ist, in weißem Fürtuch und dem Gürtel mit Stahl und Messer¬ besteck, das Beil im Arm, einen Ochsen an der Kette geführt, um ihn, wie es schien, zu schlachten. Er gab ihm einen Schlag mit dem Beil aus den Kopf; der Ochse stürzte zu Boden, sprang aber sofort wieder auf und lief unter dem Hallo der Menge wieder auf und davon, indem er sich zu einem Manne entpuppte, dessen Kopf und Hörner ein umgestürzter irdener Tiegel gewesen war. . Zum Hochzeitshause zurückgekehrt, was so gegen 6 Uhr Abends statt¬ fand, nachdem den Gästen noch eine Wecksuppe gereicht worden, schritt man zum Schenken. Die Geschenke, welche nicht allzureichlich flössen, bestanden meistens in Geld, selten unter 2 Thaler, und nur zum kleinsten Theil in Haus- und Küchengeräthschaften. Ein besonderes Ceremoniel, wie dies bei dieser Gelegenheit bei uns an der Werra üblich war und zum Theil noch ist, fand dabei nicht statt. Sobald die letzten Stücke abgegeben waren, wurden die Geschenke sämmtlich auf einen Haufen zusammen gelegt, über welchen die Braut springen mußte. Nach dieser Motion wurde wieder eine Mahlzeit gehalten, bestehend in Kraut mit Schweinefleisch, Selleriegemüse mit Semmelklößchen und Rindfleisch, Wurst, kaltem Kalbsbraten und Bratwürsten, die auch hier üblich sind, und verschiedenen Salaten. Dem Mahle schloß sich ein Tänzchen an, welches fast ununterbrochen bis zum nächsten Morgen anhielt, und während desselben wurde nach Belieben gegessen und getrunken. Wenn je ein Fest erst dann recht gefeiert werden kann, wenn man dabei brav ißt und trinkt, so konnte gewiß keine Hochzeit besser gehalten werden als eben diese. Gegen Mitternacht wurde der Tanz dadurch unterbrochen, daß die jungen Weiber und Mädchen der Braut den Kranz vom Haupte herunterrissen und ihr dafür eine „Batze" (Haube) aufsetzten. Bei dieser Handlung gab's Kaffee mit Kuchen, welcher eigens zu diesem Zwecke gekocht worden war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/87>, abgerufen am 28.09.2024.