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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Als der vorgenannte König Hugo, während am römischen Stuhle wieder
die traurigsten Verhältnisse obwalteten, den Erzbischof Arnulph von Rheims
wegen Landesverraths von einer Bischofversammlung hatte ab- und Gerbert
dort hatte einsetzen lassen, und eine Partei in Stützung auf die pseudoisido-
rischen Dekretalen dagegen auftrat, verweigerten die in Rheims versammelten
Bischöfe die Anerkennung der Gültigkeit dieser Dekretalen und faßten Beschlüsse,
welche auf Losmachung von Rom Hinausliesen (Rheims er Beschlüsse).
Diese Beschlüsse wurden später unter dem Vorsitz des jungen Königs (Sohns)
Robert in Chelles 992 wiederholt: die Beschlüsse der französischen Synoden
sollten überhaupt unantastbare Gültigkeit haben, und wenn der Papst etwas
dawider unternehme, es für null und nichtig erklärt werden. Sofort hatten
damals Willigis von Mainz und die deutschen Bischöfe auf die Gefahren
aufmerksam gemacht, welche von Gallien her drohten; es war auch für
Frankreich selbst nur ein Vorspiel der spätern pragmatischen Sanction und der
gallikanischen Kirchenfreiheiten.

Für uns, für die ganze Kirchengeschichte sowohl wie für die Politik hat
nebenbei das Benehmen des Bischof Gerbert noch eine besondere belehrende
Seite. 99S, drei Jahre später, zu der Zeit, wo wie oben bemerkt, der
deutsche König Otto III. Rom gegen Frankreich zu Hilfe aufgeboten ward,
Waren die Verhältnisse Roms gerade günstiger. Die Anhänger des Clunia-
censer Ordens Odo von Chartres (immer der Druidenmittelpunkt schon!)
Blois und Tours, der auch die Bretagne erstrebte, erhielt Vortheile in einem
Kampfe mit Hugo Capet, in einem Kampfe, in welchem wieder die mit Hugo
verbündeten Bischöfe so schrecklich litten, daß der genannte Gerbert, also die
Kreatur Hugo's sich äußerte, die Kirche Galliens sei dem Untergange nahe,
und eben jene Schwenkung vollzog, die ihn von der Verbindung mit
Hugo weg 995 in die Verbindung mit dem deutschen Hofe gegen Hugo
brachte. Es war eben jetzt, wo die Kunde von dem Eingreifen Otto's III.
die Versammlung von Mouzon verhinderte und Hugo von dort fern hielt.

In diesem Zeitpunkte war die Hilfe aus Deutschland um so erfreulicher,
als weder in Frankreich noch Italien solche zu haben war. Von Frankreich
muß noch hervorgehoben werden, daß der Widerstand wider Rom noch in folgen¬
der Weise gekräftigt ward. Die Cluniacenser Kongregation rügte schonungs¬
los das weltliche und niedrige, dem Landesherrn ergebene Treiben der Bischöfe,
während sie selbst zugleich sich und ihre Genossenschaft jeder bischöflichen Auf¬
sicht zu entziehen suchte und eine Ausnahmestellung beanspruchte, der als den
alten kirchlichen Ordnungen widersprechend von den Bischöfen mit Recht die
Anerkennung versagt wurde. Und während hier Clugny und die Bischöfe
überall hart gegen einander, z. B. aus der Rheimser Synode allein die Aebte


Als der vorgenannte König Hugo, während am römischen Stuhle wieder
die traurigsten Verhältnisse obwalteten, den Erzbischof Arnulph von Rheims
wegen Landesverraths von einer Bischofversammlung hatte ab- und Gerbert
dort hatte einsetzen lassen, und eine Partei in Stützung auf die pseudoisido-
rischen Dekretalen dagegen auftrat, verweigerten die in Rheims versammelten
Bischöfe die Anerkennung der Gültigkeit dieser Dekretalen und faßten Beschlüsse,
welche auf Losmachung von Rom Hinausliesen (Rheims er Beschlüsse).
Diese Beschlüsse wurden später unter dem Vorsitz des jungen Königs (Sohns)
Robert in Chelles 992 wiederholt: die Beschlüsse der französischen Synoden
sollten überhaupt unantastbare Gültigkeit haben, und wenn der Papst etwas
dawider unternehme, es für null und nichtig erklärt werden. Sofort hatten
damals Willigis von Mainz und die deutschen Bischöfe auf die Gefahren
aufmerksam gemacht, welche von Gallien her drohten; es war auch für
Frankreich selbst nur ein Vorspiel der spätern pragmatischen Sanction und der
gallikanischen Kirchenfreiheiten.

Für uns, für die ganze Kirchengeschichte sowohl wie für die Politik hat
nebenbei das Benehmen des Bischof Gerbert noch eine besondere belehrende
Seite. 99S, drei Jahre später, zu der Zeit, wo wie oben bemerkt, der
deutsche König Otto III. Rom gegen Frankreich zu Hilfe aufgeboten ward,
Waren die Verhältnisse Roms gerade günstiger. Die Anhänger des Clunia-
censer Ordens Odo von Chartres (immer der Druidenmittelpunkt schon!)
Blois und Tours, der auch die Bretagne erstrebte, erhielt Vortheile in einem
Kampfe mit Hugo Capet, in einem Kampfe, in welchem wieder die mit Hugo
verbündeten Bischöfe so schrecklich litten, daß der genannte Gerbert, also die
Kreatur Hugo's sich äußerte, die Kirche Galliens sei dem Untergange nahe,
und eben jene Schwenkung vollzog, die ihn von der Verbindung mit
Hugo weg 995 in die Verbindung mit dem deutschen Hofe gegen Hugo
brachte. Es war eben jetzt, wo die Kunde von dem Eingreifen Otto's III.
die Versammlung von Mouzon verhinderte und Hugo von dort fern hielt.

In diesem Zeitpunkte war die Hilfe aus Deutschland um so erfreulicher,
als weder in Frankreich noch Italien solche zu haben war. Von Frankreich
muß noch hervorgehoben werden, daß der Widerstand wider Rom noch in folgen¬
der Weise gekräftigt ward. Die Cluniacenser Kongregation rügte schonungs¬
los das weltliche und niedrige, dem Landesherrn ergebene Treiben der Bischöfe,
während sie selbst zugleich sich und ihre Genossenschaft jeder bischöflichen Auf¬
sicht zu entziehen suchte und eine Ausnahmestellung beanspruchte, der als den
alten kirchlichen Ordnungen widersprechend von den Bischöfen mit Recht die
Anerkennung versagt wurde. Und während hier Clugny und die Bischöfe
überall hart gegen einander, z. B. aus der Rheimser Synode allein die Aebte


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[0059] Als der vorgenannte König Hugo, während am römischen Stuhle wieder die traurigsten Verhältnisse obwalteten, den Erzbischof Arnulph von Rheims wegen Landesverraths von einer Bischofversammlung hatte ab- und Gerbert dort hatte einsetzen lassen, und eine Partei in Stützung auf die pseudoisido- rischen Dekretalen dagegen auftrat, verweigerten die in Rheims versammelten Bischöfe die Anerkennung der Gültigkeit dieser Dekretalen und faßten Beschlüsse, welche auf Losmachung von Rom Hinausliesen (Rheims er Beschlüsse). Diese Beschlüsse wurden später unter dem Vorsitz des jungen Königs (Sohns) Robert in Chelles 992 wiederholt: die Beschlüsse der französischen Synoden sollten überhaupt unantastbare Gültigkeit haben, und wenn der Papst etwas dawider unternehme, es für null und nichtig erklärt werden. Sofort hatten damals Willigis von Mainz und die deutschen Bischöfe auf die Gefahren aufmerksam gemacht, welche von Gallien her drohten; es war auch für Frankreich selbst nur ein Vorspiel der spätern pragmatischen Sanction und der gallikanischen Kirchenfreiheiten. Für uns, für die ganze Kirchengeschichte sowohl wie für die Politik hat nebenbei das Benehmen des Bischof Gerbert noch eine besondere belehrende Seite. 99S, drei Jahre später, zu der Zeit, wo wie oben bemerkt, der deutsche König Otto III. Rom gegen Frankreich zu Hilfe aufgeboten ward, Waren die Verhältnisse Roms gerade günstiger. Die Anhänger des Clunia- censer Ordens Odo von Chartres (immer der Druidenmittelpunkt schon!) Blois und Tours, der auch die Bretagne erstrebte, erhielt Vortheile in einem Kampfe mit Hugo Capet, in einem Kampfe, in welchem wieder die mit Hugo verbündeten Bischöfe so schrecklich litten, daß der genannte Gerbert, also die Kreatur Hugo's sich äußerte, die Kirche Galliens sei dem Untergange nahe, und eben jene Schwenkung vollzog, die ihn von der Verbindung mit Hugo weg 995 in die Verbindung mit dem deutschen Hofe gegen Hugo brachte. Es war eben jetzt, wo die Kunde von dem Eingreifen Otto's III. die Versammlung von Mouzon verhinderte und Hugo von dort fern hielt. In diesem Zeitpunkte war die Hilfe aus Deutschland um so erfreulicher, als weder in Frankreich noch Italien solche zu haben war. Von Frankreich muß noch hervorgehoben werden, daß der Widerstand wider Rom noch in folgen¬ der Weise gekräftigt ward. Die Cluniacenser Kongregation rügte schonungs¬ los das weltliche und niedrige, dem Landesherrn ergebene Treiben der Bischöfe, während sie selbst zugleich sich und ihre Genossenschaft jeder bischöflichen Auf¬ sicht zu entziehen suchte und eine Ausnahmestellung beanspruchte, der als den alten kirchlichen Ordnungen widersprechend von den Bischöfen mit Recht die Anerkennung versagt wurde. Und während hier Clugny und die Bischöfe überall hart gegen einander, z. B. aus der Rheimser Synode allein die Aebte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/59>, abgerufen am 29.06.2024.