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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Schmelzung konnten den Landtagen bis jetzt nicht in verlässige Aussicht gestellt
werden und so will man lieber die Schwerfälligkeiten und Unbequemlichkeiten des
jetzigen Zustandes, welche übrigens von den leitenden Beamten mehr ge¬
fühlt werden als von der Bevölkerung, ruhig fort ertragen, als daß man
neue Verhältnisse schafft, welche über die Frage der Existenzfähigkeit doch
nicht hinweghelfen. Vermochte Herr von Seebach einen handgreiflichen Vor¬
theil von jährlich nur 20 -- 30,000 Thlr. nachzuweisen, so würde die Voll¬
endung der Union sicherlich keinen Schwierigkeiten mehr begegnen: -- eine so
unbedeutende Geldfrage ist aus der einstmals mit viel Pathos und Leiden¬
schaft behandelten Angelegenheit geworden!

In Abgeordnetenkreisen herrscht schon lange die Ueberzeugung (und ein
Blick auf das benachbarte Meininger Land bestätigt dieselbe), daß der ministe¬
rielle Apparat. mit welchem sich Herr von Seebach umgeben hat, für den
Umfang der Herzogthümer und der Regierungsgeschäfte viel zu groß ist; aber
der Minister theilt diese Anschauung nicht, widerspricht entschieden dem Ver¬
langen nach einer bedeutenden Ermäßigung seines Personal- und Geldetats
und genießt bei der Majorität des gemeinschaftlichen Landtags viel zu viel
Verehrung und Anhänglichkeit, als daß man ihm auf feinem eigensten Ge¬
biete ernstlich zu Leibe gehen möchte. So mag es denn vielleicht einem
kühnerem, die büreaukratische Phalanx rücksichtsloser durchbrechenden Nachfolger
vorbehalten sein, eine erheblich wohlfeilere Regierungsmaschine zu erfinden
und dadurch auch den Unionsgedanken in ein vortheilhafteres Licht zu stellen.
Inzwischen wird freilich das Ressort der coburgischen Spezialabtheilung nach
und nach aufgesogen werden; denn aus der verfassungsmäßigen Gemeinschaft¬
lichkeit der Beziehungen zum deutschen Reich hat Herr von Seebach ge¬
schickt und erfolgreich den Schluß gezogen, daß auch die Ausführung aller
Reichsgesetze, gleichviel welchen Gegenstand sie betreffen, zu den gemein¬
schaftlichen Angelegenheiten gehöre und der gemeinschaftlichen Ab¬
theilung competire. Dadurch wird in demselben Verhältniß, in welchem die Ge¬
setzgebung des Reiches sich ausdehnt, ohne Verfassungsänderung, auch
die Reihe der gemeinsamen A n gele g en h eilen auf Kosten der
Spezialland essachen vermehrt, thatsächlich also die Union weiter
gefördert. Neuerdings hat das Jmpsgesetz sowie das Reichsgesetz über die
Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung wieder eine bedeutende
Bresche in das Zuständigkeitsgebiet der coburger Ministerialabtheilung gelegt,
-- allerdings auch in das der gothai sehen Abtheilung; weil diese aber mit
dem gemeinschaftlichen Ministerium nahezu identisch ist, so tritt hier die Aende¬
^ rung äußerlich nicht zu Tage.




Schmelzung konnten den Landtagen bis jetzt nicht in verlässige Aussicht gestellt
werden und so will man lieber die Schwerfälligkeiten und Unbequemlichkeiten des
jetzigen Zustandes, welche übrigens von den leitenden Beamten mehr ge¬
fühlt werden als von der Bevölkerung, ruhig fort ertragen, als daß man
neue Verhältnisse schafft, welche über die Frage der Existenzfähigkeit doch
nicht hinweghelfen. Vermochte Herr von Seebach einen handgreiflichen Vor¬
theil von jährlich nur 20 — 30,000 Thlr. nachzuweisen, so würde die Voll¬
endung der Union sicherlich keinen Schwierigkeiten mehr begegnen: — eine so
unbedeutende Geldfrage ist aus der einstmals mit viel Pathos und Leiden¬
schaft behandelten Angelegenheit geworden!

In Abgeordnetenkreisen herrscht schon lange die Ueberzeugung (und ein
Blick auf das benachbarte Meininger Land bestätigt dieselbe), daß der ministe¬
rielle Apparat. mit welchem sich Herr von Seebach umgeben hat, für den
Umfang der Herzogthümer und der Regierungsgeschäfte viel zu groß ist; aber
der Minister theilt diese Anschauung nicht, widerspricht entschieden dem Ver¬
langen nach einer bedeutenden Ermäßigung seines Personal- und Geldetats
und genießt bei der Majorität des gemeinschaftlichen Landtags viel zu viel
Verehrung und Anhänglichkeit, als daß man ihm auf feinem eigensten Ge¬
biete ernstlich zu Leibe gehen möchte. So mag es denn vielleicht einem
kühnerem, die büreaukratische Phalanx rücksichtsloser durchbrechenden Nachfolger
vorbehalten sein, eine erheblich wohlfeilere Regierungsmaschine zu erfinden
und dadurch auch den Unionsgedanken in ein vortheilhafteres Licht zu stellen.
Inzwischen wird freilich das Ressort der coburgischen Spezialabtheilung nach
und nach aufgesogen werden; denn aus der verfassungsmäßigen Gemeinschaft¬
lichkeit der Beziehungen zum deutschen Reich hat Herr von Seebach ge¬
schickt und erfolgreich den Schluß gezogen, daß auch die Ausführung aller
Reichsgesetze, gleichviel welchen Gegenstand sie betreffen, zu den gemein¬
schaftlichen Angelegenheiten gehöre und der gemeinschaftlichen Ab¬
theilung competire. Dadurch wird in demselben Verhältniß, in welchem die Ge¬
setzgebung des Reiches sich ausdehnt, ohne Verfassungsänderung, auch
die Reihe der gemeinsamen A n gele g en h eilen auf Kosten der
Spezialland essachen vermehrt, thatsächlich also die Union weiter
gefördert. Neuerdings hat das Jmpsgesetz sowie das Reichsgesetz über die
Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung wieder eine bedeutende
Bresche in das Zuständigkeitsgebiet der coburger Ministerialabtheilung gelegt,
— allerdings auch in das der gothai sehen Abtheilung; weil diese aber mit
dem gemeinschaftlichen Ministerium nahezu identisch ist, so tritt hier die Aende¬
^ rung äußerlich nicht zu Tage.




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[0122] Schmelzung konnten den Landtagen bis jetzt nicht in verlässige Aussicht gestellt werden und so will man lieber die Schwerfälligkeiten und Unbequemlichkeiten des jetzigen Zustandes, welche übrigens von den leitenden Beamten mehr ge¬ fühlt werden als von der Bevölkerung, ruhig fort ertragen, als daß man neue Verhältnisse schafft, welche über die Frage der Existenzfähigkeit doch nicht hinweghelfen. Vermochte Herr von Seebach einen handgreiflichen Vor¬ theil von jährlich nur 20 — 30,000 Thlr. nachzuweisen, so würde die Voll¬ endung der Union sicherlich keinen Schwierigkeiten mehr begegnen: — eine so unbedeutende Geldfrage ist aus der einstmals mit viel Pathos und Leiden¬ schaft behandelten Angelegenheit geworden! In Abgeordnetenkreisen herrscht schon lange die Ueberzeugung (und ein Blick auf das benachbarte Meininger Land bestätigt dieselbe), daß der ministe¬ rielle Apparat. mit welchem sich Herr von Seebach umgeben hat, für den Umfang der Herzogthümer und der Regierungsgeschäfte viel zu groß ist; aber der Minister theilt diese Anschauung nicht, widerspricht entschieden dem Ver¬ langen nach einer bedeutenden Ermäßigung seines Personal- und Geldetats und genießt bei der Majorität des gemeinschaftlichen Landtags viel zu viel Verehrung und Anhänglichkeit, als daß man ihm auf feinem eigensten Ge¬ biete ernstlich zu Leibe gehen möchte. So mag es denn vielleicht einem kühnerem, die büreaukratische Phalanx rücksichtsloser durchbrechenden Nachfolger vorbehalten sein, eine erheblich wohlfeilere Regierungsmaschine zu erfinden und dadurch auch den Unionsgedanken in ein vortheilhafteres Licht zu stellen. Inzwischen wird freilich das Ressort der coburgischen Spezialabtheilung nach und nach aufgesogen werden; denn aus der verfassungsmäßigen Gemeinschaft¬ lichkeit der Beziehungen zum deutschen Reich hat Herr von Seebach ge¬ schickt und erfolgreich den Schluß gezogen, daß auch die Ausführung aller Reichsgesetze, gleichviel welchen Gegenstand sie betreffen, zu den gemein¬ schaftlichen Angelegenheiten gehöre und der gemeinschaftlichen Ab¬ theilung competire. Dadurch wird in demselben Verhältniß, in welchem die Ge¬ setzgebung des Reiches sich ausdehnt, ohne Verfassungsänderung, auch die Reihe der gemeinsamen A n gele g en h eilen auf Kosten der Spezialland essachen vermehrt, thatsächlich also die Union weiter gefördert. Neuerdings hat das Jmpsgesetz sowie das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung wieder eine bedeutende Bresche in das Zuständigkeitsgebiet der coburger Ministerialabtheilung gelegt, — allerdings auch in das der gothai sehen Abtheilung; weil diese aber mit dem gemeinschaftlichen Ministerium nahezu identisch ist, so tritt hier die Aende¬ ^ rung äußerlich nicht zu Tage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/122>, abgerufen am 29.06.2024.