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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Zum Aufbau der beiden Thürme der Seb alduskirch'e 1481 entlehnt
die Kirche mit Bewilligung des Rathes aus der Losungsstube (städtische
Kämmerei) 11853 <N. 4 /S 4; die übrigen Kosten sollten durch milde Beiträge
aufgebracht werden, die auch reichlich flössen, da hohe und schöne Thürme als
ein Schmuck und Stolz der Stadt angesehen wurden.

Die dritte der Nürnberger Kirchen, die Marienkirche, wurde auf Kaiser
Karl's Veranlassung aber schwerlich mit kaiserlichem Gelde gebaut. Sieg-
Mund Meist erim berichtet hierüber in seiner Chronik III. Buch 28 Cap.
unter dem Jahre 1360 (?), daß der ehrbare Patrizier Strömer mit dem
Kaiser conferirt habe. Dieser hatte die Stadt belobt, daß sie ihm mit ihren
schönen Häusern, weiten Gassen und Plätzen hoch wohl gefallen habe, aber es
sei eine Kirche unserer lieben Frauen zu vermissen. Strömer entgegnete: Gar
leicht möchte solches zu löblichem Ende gebracht werden, wenn die Judenschaft
nicht innen hätte die "verlustigsten besten und schönsten Häuser und Flecken.
Aber des jüdischen Volkesvolkes ist soviel, daß man schier zweifeln möcht, ob
Christus bei uns den Sieg hätte oder Moses. Der Kaiser läßt sich bewegen
und befiehlt den Juden in Jahresfrist die Häuser um den Markt zu verkaufen
und ihre Shragen und Buden zu entfernen. Auch die Judenschule wird ab¬
gebrochen und an ihrer Stelle die Marienkirche gebaut. Ein bei diese Gelegen¬
heit gewährter großer Ablaß scheint die Mittel geschafft zu haben.

Die angeführten Beispiele gehören sämmtlich dem Ende der gothischen Peri¬
ode an. Man würde aber Unrecht thun diesem Jahrhundert, das freilich eine De¬
generation des Geschmackes zu erkennen giebt, Mangel an kirchlichem oder Bau-
Interesse überhaupt zuzuschreiben. Man baute auch in diesem Jahrhunderte
fleißig. Ja wir haben keinen Grund anzunehmen, daß in der Entstehungs-
ieit unserer großen Dome die Mittel so überreich vorhanden gewesen wären,
^cum auch der Beginn eines großen Werkes mehr Interesse voraussetzen läßt,
die Fortführung einer Arbeit deren Vollendung ganz aussichtslos zu sein
Wen. Um so kühner aber sind jene früheren Anlagen, und von um so
stolzerem oder idealeren Streben geben sie Kunde.

Nun möge der geneigte Leser auch einen Blick werfen auf die Art der
Arbeit und die verwendeten Kosten. Die Sache sieht viel bescheidener,
ich möchte sagen spießbürgerlicher aus als jene stolzen Bauwerke uns heute
ahnen lassen. Wir kehren zu unserem ersten Gegenstande dem Baue des Regens¬
burger Domes im Jahre 1458 zu 1459 zurück. Es kann natürlich nicht die
Absicht sein alle Details mitzutheilen; ich beschränke mich also auf das Haupt¬
sächliche und Charakteristische.

Die Rechnung beginnt Pfingsten 1458 und endet Judica 1459. Die
Zahlungstermine sind für die Arbeiter in der Bauhütte, die Zimmerleute und
Schieferdecker wöchentliche, für die Steinbrecher monatliche und für den Schmied


Zum Aufbau der beiden Thürme der Seb alduskirch'e 1481 entlehnt
die Kirche mit Bewilligung des Rathes aus der Losungsstube (städtische
Kämmerei) 11853 <N. 4 /S 4; die übrigen Kosten sollten durch milde Beiträge
aufgebracht werden, die auch reichlich flössen, da hohe und schöne Thürme als
ein Schmuck und Stolz der Stadt angesehen wurden.

Die dritte der Nürnberger Kirchen, die Marienkirche, wurde auf Kaiser
Karl's Veranlassung aber schwerlich mit kaiserlichem Gelde gebaut. Sieg-
Mund Meist erim berichtet hierüber in seiner Chronik III. Buch 28 Cap.
unter dem Jahre 1360 (?), daß der ehrbare Patrizier Strömer mit dem
Kaiser conferirt habe. Dieser hatte die Stadt belobt, daß sie ihm mit ihren
schönen Häusern, weiten Gassen und Plätzen hoch wohl gefallen habe, aber es
sei eine Kirche unserer lieben Frauen zu vermissen. Strömer entgegnete: Gar
leicht möchte solches zu löblichem Ende gebracht werden, wenn die Judenschaft
nicht innen hätte die «verlustigsten besten und schönsten Häuser und Flecken.
Aber des jüdischen Volkesvolkes ist soviel, daß man schier zweifeln möcht, ob
Christus bei uns den Sieg hätte oder Moses. Der Kaiser läßt sich bewegen
und befiehlt den Juden in Jahresfrist die Häuser um den Markt zu verkaufen
und ihre Shragen und Buden zu entfernen. Auch die Judenschule wird ab¬
gebrochen und an ihrer Stelle die Marienkirche gebaut. Ein bei diese Gelegen¬
heit gewährter großer Ablaß scheint die Mittel geschafft zu haben.

Die angeführten Beispiele gehören sämmtlich dem Ende der gothischen Peri¬
ode an. Man würde aber Unrecht thun diesem Jahrhundert, das freilich eine De¬
generation des Geschmackes zu erkennen giebt, Mangel an kirchlichem oder Bau-
Interesse überhaupt zuzuschreiben. Man baute auch in diesem Jahrhunderte
fleißig. Ja wir haben keinen Grund anzunehmen, daß in der Entstehungs-
ieit unserer großen Dome die Mittel so überreich vorhanden gewesen wären,
^cum auch der Beginn eines großen Werkes mehr Interesse voraussetzen läßt,
die Fortführung einer Arbeit deren Vollendung ganz aussichtslos zu sein
Wen. Um so kühner aber sind jene früheren Anlagen, und von um so
stolzerem oder idealeren Streben geben sie Kunde.

Nun möge der geneigte Leser auch einen Blick werfen auf die Art der
Arbeit und die verwendeten Kosten. Die Sache sieht viel bescheidener,
ich möchte sagen spießbürgerlicher aus als jene stolzen Bauwerke uns heute
ahnen lassen. Wir kehren zu unserem ersten Gegenstande dem Baue des Regens¬
burger Domes im Jahre 1458 zu 1459 zurück. Es kann natürlich nicht die
Absicht sein alle Details mitzutheilen; ich beschränke mich also auf das Haupt¬
sächliche und Charakteristische.

Die Rechnung beginnt Pfingsten 1458 und endet Judica 1459. Die
Zahlungstermine sind für die Arbeiter in der Bauhütte, die Zimmerleute und
Schieferdecker wöchentliche, für die Steinbrecher monatliche und für den Schmied


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/91>, abgerufen am 22.07.2024.