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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Des Kurfürsten Geschichte weiter zu verfolgen ist für uns kein Anlaß,
weil wir bis zu seinem Ende keine Probe von der Thätigkeit seiner offiziösen
Presse mehr beizubringen haben. Es ist bekannt, wie er zu Passau kaum die
Hälfte von dem erreichte, was er gewollt, wie er mit einer mageren, an allen
Enden beschnittenen Kapitulation zufrieden sein mußte, weil er weder bei den
Fürsten noch bei dem Volke Unterstützung fand, und der Kaiser sich von
seiner Ueberraschung allgemach erholte; wie es ferner der kaiserlichen Politik
oder besser Perfidie gelang, gerade auf Grund jener Passauer Kapitulation den
Kurfürsten mit seinem besten Bundesgenossen, dem tollen Albrecht von Kulm¬
bach zu verfeinden, wie er gegen diesen zu Felde ziehen mußte, um die wilden
Elemente, die er selber entfesselt, zur Ruhe zu bringen, und wie er zuletzt im
blutigen Handgemenge einen ruhmlosen Tod fand. Nun ließ es natürlich die
offiziöse Presse an Klageliedern nicht fehlen, in denen der Kurfürst als der
Held des Volkes, als der Retter des Vaterlandes und grosz^ Friedenbringer
gefeiert wurde, aber die Geschichte") und die unbestochene Mitwelt urtheilten
anders. Zum Schluß noch eine Probe eines solchen offiziösen Nekrologs:


Klaglied Deutschlands
in dem Tone: Ich stund an einem Morgen.

[Beginn Spaltensatz] Mit Schwarz thu Dich bekleiden,
O deutsche Nation,
Neu', klag', hab' großes Leiden:
Ätzt ist dein Held davon,
Dein's Reiches Schutz und Vater gut,
Moritz der Fürst von Sachsen,
Der hatt' ein'n starken Muth. Hätt' er noch solle
Viel Freud gewese
Im ganzen Reich,
Nun kommt mit
Gen Freiberg in s
Den Leib dort zu
Die Seel' hat Go[Spaltenumbruch]
n leben,
n wär'
merkt eben;
Trauern her
ein Vaterland,
begraben;
ttes Hand. --[Ende Spaltensatz] Oft kam er triumphiren
Mit Fahnen aus dem Krieg,
Da halfst du jubiliren,
Denn Frieden war sein Sieg;
Nun sich um's Grab die Fahnen an!
Weil er im Krieg geblieben,
So trauert jedermann.




D. Red. Doch nicht so wie der Verfasser.

Des Kurfürsten Geschichte weiter zu verfolgen ist für uns kein Anlaß,
weil wir bis zu seinem Ende keine Probe von der Thätigkeit seiner offiziösen
Presse mehr beizubringen haben. Es ist bekannt, wie er zu Passau kaum die
Hälfte von dem erreichte, was er gewollt, wie er mit einer mageren, an allen
Enden beschnittenen Kapitulation zufrieden sein mußte, weil er weder bei den
Fürsten noch bei dem Volke Unterstützung fand, und der Kaiser sich von
seiner Ueberraschung allgemach erholte; wie es ferner der kaiserlichen Politik
oder besser Perfidie gelang, gerade auf Grund jener Passauer Kapitulation den
Kurfürsten mit seinem besten Bundesgenossen, dem tollen Albrecht von Kulm¬
bach zu verfeinden, wie er gegen diesen zu Felde ziehen mußte, um die wilden
Elemente, die er selber entfesselt, zur Ruhe zu bringen, und wie er zuletzt im
blutigen Handgemenge einen ruhmlosen Tod fand. Nun ließ es natürlich die
offiziöse Presse an Klageliedern nicht fehlen, in denen der Kurfürst als der
Held des Volkes, als der Retter des Vaterlandes und grosz^ Friedenbringer
gefeiert wurde, aber die Geschichte") und die unbestochene Mitwelt urtheilten
anders. Zum Schluß noch eine Probe eines solchen offiziösen Nekrologs:


Klaglied Deutschlands
in dem Tone: Ich stund an einem Morgen.

[Beginn Spaltensatz] Mit Schwarz thu Dich bekleiden,
O deutsche Nation,
Neu', klag', hab' großes Leiden:
Ätzt ist dein Held davon,
Dein's Reiches Schutz und Vater gut,
Moritz der Fürst von Sachsen,
Der hatt' ein'n starken Muth. Hätt' er noch solle
Viel Freud gewese
Im ganzen Reich,
Nun kommt mit
Gen Freiberg in s
Den Leib dort zu
Die Seel' hat Go[Spaltenumbruch]
n leben,
n wär'
merkt eben;
Trauern her
ein Vaterland,
begraben;
ttes Hand. —[Ende Spaltensatz] Oft kam er triumphiren
Mit Fahnen aus dem Krieg,
Da halfst du jubiliren,
Denn Frieden war sein Sieg;
Nun sich um's Grab die Fahnen an!
Weil er im Krieg geblieben,
So trauert jedermann.




D. Red. Doch nicht so wie der Verfasser.
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[0072] Des Kurfürsten Geschichte weiter zu verfolgen ist für uns kein Anlaß, weil wir bis zu seinem Ende keine Probe von der Thätigkeit seiner offiziösen Presse mehr beizubringen haben. Es ist bekannt, wie er zu Passau kaum die Hälfte von dem erreichte, was er gewollt, wie er mit einer mageren, an allen Enden beschnittenen Kapitulation zufrieden sein mußte, weil er weder bei den Fürsten noch bei dem Volke Unterstützung fand, und der Kaiser sich von seiner Ueberraschung allgemach erholte; wie es ferner der kaiserlichen Politik oder besser Perfidie gelang, gerade auf Grund jener Passauer Kapitulation den Kurfürsten mit seinem besten Bundesgenossen, dem tollen Albrecht von Kulm¬ bach zu verfeinden, wie er gegen diesen zu Felde ziehen mußte, um die wilden Elemente, die er selber entfesselt, zur Ruhe zu bringen, und wie er zuletzt im blutigen Handgemenge einen ruhmlosen Tod fand. Nun ließ es natürlich die offiziöse Presse an Klageliedern nicht fehlen, in denen der Kurfürst als der Held des Volkes, als der Retter des Vaterlandes und grosz^ Friedenbringer gefeiert wurde, aber die Geschichte") und die unbestochene Mitwelt urtheilten anders. Zum Schluß noch eine Probe eines solchen offiziösen Nekrologs: Klaglied Deutschlands in dem Tone: Ich stund an einem Morgen. Mit Schwarz thu Dich bekleiden, O deutsche Nation, Neu', klag', hab' großes Leiden: Ätzt ist dein Held davon, Dein's Reiches Schutz und Vater gut, Moritz der Fürst von Sachsen, Der hatt' ein'n starken Muth. Hätt' er noch solle Viel Freud gewese Im ganzen Reich, Nun kommt mit Gen Freiberg in s Den Leib dort zu Die Seel' hat Go n leben, n wär' merkt eben; Trauern her ein Vaterland, begraben; ttes Hand. — Oft kam er triumphiren Mit Fahnen aus dem Krieg, Da halfst du jubiliren, Denn Frieden war sein Sieg; Nun sich um's Grab die Fahnen an! Weil er im Krieg geblieben, So trauert jedermann. D. Red. Doch nicht so wie der Verfasser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/72>, abgerufen am 22.07.2024.