Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.Kaiserliche Majestät denke niemanden in Sachen der Religion zu kränken,
Es ist bezeichnend für den Herzog, daß er in dieser Kundgebung seinen ') Die Akrosticha geben den Dichtungen dieser Art gewissermaßen den offiziösen Stempel-
Das obige kann durch die Uebertragung nicht ganz genau festgehalten werden. Bei der Mo- dernisirung deutscher Lieder aus jener Zeit wird man immer mit großer Mäßigung und Vor¬ sicht verfahren müssen, etwa wie bei der Uebertragung eines alten Kirchenliedes zum Gebrauche beim heutigen Gottesdienst. Oft genügt bloße Umsetzung in moderne Orthographie mit An¬ wendung des Apostrophs auch für Synkopen und Apokopen; oft aber bereiten allzu alterthümliche oder auch bis zur Undeutlichkeit zusammengepreßte Formen unerwartete Schwierigkeiten, Unge¬ naue Reime wird man nicht bessern dürfen. Kaiserliche Majestät denke niemanden in Sachen der Religion zu kränken,
Es ist bezeichnend für den Herzog, daß er in dieser Kundgebung seinen ') Die Akrosticha geben den Dichtungen dieser Art gewissermaßen den offiziösen Stempel-
Das obige kann durch die Uebertragung nicht ganz genau festgehalten werden. Bei der Mo- dernisirung deutscher Lieder aus jener Zeit wird man immer mit großer Mäßigung und Vor¬ sicht verfahren müssen, etwa wie bei der Uebertragung eines alten Kirchenliedes zum Gebrauche beim heutigen Gottesdienst. Oft genügt bloße Umsetzung in moderne Orthographie mit An¬ wendung des Apostrophs auch für Synkopen und Apokopen; oft aber bereiten allzu alterthümliche oder auch bis zur Undeutlichkeit zusammengepreßte Formen unerwartete Schwierigkeiten, Unge¬ naue Reime wird man nicht bessern dürfen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134408"/> <p xml:id="ID_147" prev="#ID_146"> Kaiserliche Majestät denke niemanden in Sachen der Religion zu kränken,<lb/> werde aber die, so gegen ihre Befehle sich als Ungehorsame erwiesen, zu<lb/> strafen wissen. Herzog Moritz' offiziöse Presse eignete sich natürlich dieses<lb/> Stichwort an und erließ ungefähr um die Zeit, da ihr Herr sein Bündniß<lb/> mit dem Kaiser abschloß (19. Juni 1346), zur Rechtfertigung desselben das<lb/> nachfolgende „neue Lied" mit dem Akrostichon „Moritz, Herzog zu Sachsen</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <head> nach dem Tone:Ein neu Lied<lb/> Nun will ich niir nit grauen la'n (lassen).</head> <l><cb type="start"/> Murr' wie du willst, du arge Welt,<lb/> Auf, Gott hab' ich mein'n Trost gestellt,<lb/> Der wird mich wohl erhalten;<lb/> Und wär es gleich dem Teufel leid,<lb/> Ich thu nit wider die Obrigkeit:<lb/> Gott wolle ihrer walten. Herzlich mir das zuwider ist,<lb/> Dieweil Gott uns zu aller Frist<lb/> Die Obrigkeit heißt ehren.<lb/> „Gebt Gotte stets, was Gott gebührt,<lb/> Dem Kaiser auch, was ihm gehört,"<lb/> Thut Christus selbst uns lehren. <cb/> O Gott, verleih' mir deine Gnad,<lb/> Daß ich mich halt' auf rechtem Pfad!<lb/> So lange währt mein Leben,<lb/> Will ich dein Wort bekennen so,<lb/> Wie steht in der Confessio,<lb/> Zu Augsburg übergeben. Zu aller Zeit will ich auch mehr,<lb/> Ob viele gleich drob zürnen sehr,<lb/> Was sein, dem Kaiser geben,<lb/> Erkennen ihn als Obrigkeit,<lb/> Wie einem Lehnsmann wol ansteht,<lb/> Und Majestät daneben. Sachsen, Schwaben, wer da woll',<lb/> Mir beides nit verdenken soll,<lb/> Gott helfen treulich bitten,<lb/> Daß er im heil'gar ron'schen Reich<lb/> Sein Wort, gut Fried' erhalt' zugleich,<lb/> Vor Krieg uns woll' behüten. <cb type="end"/> Jtzt aber steht's wol und ist fein,<lb/> Daß jeder eigner Herr will sein,<lb/> Hochmüthiglich stolzieren;<lb/> Schmähbücher und Lieder erdenckt man viel,<lb/> Ein jed'r die Obrigkeit lüstern will,<lb/> Dem gemeinen Mann hofieren. </l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> Es ist bezeichnend für den Herzog, daß er in dieser Kundgebung seinen<lb/> religiösen Standpunkt, sein Verbleiben bet der Augsburger Konfession in den<lb/> Vordergrund stellt, denn in dieser Hinsicht wurde er von seinen eigenen streng</p><lb/> <note xml:id="FID_43" place="foot"> ') Die Akrosticha geben den Dichtungen dieser Art gewissermaßen den offiziösen Stempel-<lb/> Das obige kann durch die Uebertragung nicht ganz genau festgehalten werden. Bei der Mo-<lb/> dernisirung deutscher Lieder aus jener Zeit wird man immer mit großer Mäßigung und Vor¬<lb/> sicht verfahren müssen, etwa wie bei der Uebertragung eines alten Kirchenliedes zum Gebrauche<lb/> beim heutigen Gottesdienst. Oft genügt bloße Umsetzung in moderne Orthographie mit An¬<lb/> wendung des Apostrophs auch für Synkopen und Apokopen; oft aber bereiten allzu alterthümliche<lb/> oder auch bis zur Undeutlichkeit zusammengepreßte Formen unerwartete Schwierigkeiten, Unge¬<lb/> naue Reime wird man nicht bessern dürfen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
Kaiserliche Majestät denke niemanden in Sachen der Religion zu kränken,
werde aber die, so gegen ihre Befehle sich als Ungehorsame erwiesen, zu
strafen wissen. Herzog Moritz' offiziöse Presse eignete sich natürlich dieses
Stichwort an und erließ ungefähr um die Zeit, da ihr Herr sein Bündniß
mit dem Kaiser abschloß (19. Juni 1346), zur Rechtfertigung desselben das
nachfolgende „neue Lied" mit dem Akrostichon „Moritz, Herzog zu Sachsen
nach dem Tone:Ein neu Lied
Nun will ich niir nit grauen la'n (lassen).
Murr' wie du willst, du arge Welt,
Auf, Gott hab' ich mein'n Trost gestellt,
Der wird mich wohl erhalten;
Und wär es gleich dem Teufel leid,
Ich thu nit wider die Obrigkeit:
Gott wolle ihrer walten. Herzlich mir das zuwider ist,
Dieweil Gott uns zu aller Frist
Die Obrigkeit heißt ehren.
„Gebt Gotte stets, was Gott gebührt,
Dem Kaiser auch, was ihm gehört,"
Thut Christus selbst uns lehren.
O Gott, verleih' mir deine Gnad,
Daß ich mich halt' auf rechtem Pfad!
So lange währt mein Leben,
Will ich dein Wort bekennen so,
Wie steht in der Confessio,
Zu Augsburg übergeben. Zu aller Zeit will ich auch mehr,
Ob viele gleich drob zürnen sehr,
Was sein, dem Kaiser geben,
Erkennen ihn als Obrigkeit,
Wie einem Lehnsmann wol ansteht,
Und Majestät daneben. Sachsen, Schwaben, wer da woll',
Mir beides nit verdenken soll,
Gott helfen treulich bitten,
Daß er im heil'gar ron'schen Reich
Sein Wort, gut Fried' erhalt' zugleich,
Vor Krieg uns woll' behüten.
Jtzt aber steht's wol und ist fein,
Daß jeder eigner Herr will sein,
Hochmüthiglich stolzieren;
Schmähbücher und Lieder erdenckt man viel,
Ein jed'r die Obrigkeit lüstern will,
Dem gemeinen Mann hofieren.
Es ist bezeichnend für den Herzog, daß er in dieser Kundgebung seinen
religiösen Standpunkt, sein Verbleiben bet der Augsburger Konfession in den
Vordergrund stellt, denn in dieser Hinsicht wurde er von seinen eigenen streng
') Die Akrosticha geben den Dichtungen dieser Art gewissermaßen den offiziösen Stempel-
Das obige kann durch die Uebertragung nicht ganz genau festgehalten werden. Bei der Mo-
dernisirung deutscher Lieder aus jener Zeit wird man immer mit großer Mäßigung und Vor¬
sicht verfahren müssen, etwa wie bei der Uebertragung eines alten Kirchenliedes zum Gebrauche
beim heutigen Gottesdienst. Oft genügt bloße Umsetzung in moderne Orthographie mit An¬
wendung des Apostrophs auch für Synkopen und Apokopen; oft aber bereiten allzu alterthümliche
oder auch bis zur Undeutlichkeit zusammengepreßte Formen unerwartete Schwierigkeiten, Unge¬
naue Reime wird man nicht bessern dürfen.
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