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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Gebrauch macht. Gleichwohl kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die
strafbare Qualifikation dieser indirekten Aufforderung auch in der Fasfang der
Novelle einen gefährlichen und unannehmbaren Grundsatz in das Strafrecht
einführen würde, den Grundsatz nämlich, eine Art Handlungen als strafbar
zu qualifiziren, unter die logisch solche Handlungen subsumirt werden können,
die niemals strafbar sein dürfen. Der Zweck der Paragraphen muß und kann
auf andere Weise erreicht werden. Zu bedauern bleibt es aber, daß nicht
durch einen Vertreter der Reichsregierung die Gründe, welche zum Vorschlag
dieser Paragraphen geführt haben, ausführlich dargelegt worden sind. Die
Reichsregierung sah wohl von vorn herein nach der Stimmung des Reichs¬
tags ihre Sache für verloren an. Wenn man aber solche Vorschläge macht,
so ist es doppelt und dreifach nöthig, sich zu rechtfertigen, weshalb man sie
gemacht. Eine nachdrückliche Erläuterung der Gründe hätte nicht nur eine
Rechtfertigung für die Regierung, sondern auch ein Sporn für den Reichstag
werden können, dem Zweck der Paragraphen durch Aufsuchung von sachge¬
mäßeren Mitteln nachzukommen, bezw. den Reichstag auf die Annahme
solcher Mittel vorzubereiten.

Ein ganz anderes Schicksal hatten die Paragraphen, welche die Straf¬
minima für thätlichen Ungehorsam gegen Beamte erhöhen. Sie wurden an¬
genommen mit der einzigen Veränderung, daß die beliebten mildernden Um¬
stände und die Möglichkeit, bei ihrem Vorhandensein unter das Strafmtni-
mum herabzugehen, eingefügt wurden. Die Annahme dieser Paragraphen
mag theilweise einer außerhalb des Reichstages weitverbreiteten Stimmung,
zum großen Theil aber wohl dem nachdrücklichen Eintreten des Reichskanzlers
für dieselben bei der ersten Lesung zuzuschreiben sein. Eine Erörterung der
Abstimmung vom criminalpolitischen Gesichtspunkt wollen wir heute nicht vor¬
nehmen, sondern uns mit der Anerkennung begnügen, daß die Annahme eine
Nothwendigkeit war. Daß mit dieser Abstimmung die Aussichten auf einen
Conflikt mit dem Reichskanzler gemindert sind, wird allen vaterlandliebenden
Kreisen willkommen sein.

Am 15. Dezember wurde ein Gesetz angenommen, welches den Bundes¬
rath ermächtigt, innerhalb Monatsfrist -- die Regierungsvorlage hatte eine
dreimonatliche Frist vorgeschlagen -- nach Erlaß der betreffenden Verordnung
die Thaler aus ihrer bisherigen Rolle als Repräsentanten der Goldwährung
auf die bescheidnere Stufe der neuen Reichssilbermünzen herabzusetzen, welche
Niemand in höherem Betrage als bis zu zwanzig Mark in Zahlung zu
nehmen verpflichtet ist. Man bezeichnet dieses Gesetz wohl etwas zu empha¬
tisch als die beendigende Durchführung der Goldwährung. nominell ist
dies allerdings richtig; thatsächlich aber wird der Thaler, so lange er nicht


Gebrauch macht. Gleichwohl kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die
strafbare Qualifikation dieser indirekten Aufforderung auch in der Fasfang der
Novelle einen gefährlichen und unannehmbaren Grundsatz in das Strafrecht
einführen würde, den Grundsatz nämlich, eine Art Handlungen als strafbar
zu qualifiziren, unter die logisch solche Handlungen subsumirt werden können,
die niemals strafbar sein dürfen. Der Zweck der Paragraphen muß und kann
auf andere Weise erreicht werden. Zu bedauern bleibt es aber, daß nicht
durch einen Vertreter der Reichsregierung die Gründe, welche zum Vorschlag
dieser Paragraphen geführt haben, ausführlich dargelegt worden sind. Die
Reichsregierung sah wohl von vorn herein nach der Stimmung des Reichs¬
tags ihre Sache für verloren an. Wenn man aber solche Vorschläge macht,
so ist es doppelt und dreifach nöthig, sich zu rechtfertigen, weshalb man sie
gemacht. Eine nachdrückliche Erläuterung der Gründe hätte nicht nur eine
Rechtfertigung für die Regierung, sondern auch ein Sporn für den Reichstag
werden können, dem Zweck der Paragraphen durch Aufsuchung von sachge¬
mäßeren Mitteln nachzukommen, bezw. den Reichstag auf die Annahme
solcher Mittel vorzubereiten.

Ein ganz anderes Schicksal hatten die Paragraphen, welche die Straf¬
minima für thätlichen Ungehorsam gegen Beamte erhöhen. Sie wurden an¬
genommen mit der einzigen Veränderung, daß die beliebten mildernden Um¬
stände und die Möglichkeit, bei ihrem Vorhandensein unter das Strafmtni-
mum herabzugehen, eingefügt wurden. Die Annahme dieser Paragraphen
mag theilweise einer außerhalb des Reichstages weitverbreiteten Stimmung,
zum großen Theil aber wohl dem nachdrücklichen Eintreten des Reichskanzlers
für dieselben bei der ersten Lesung zuzuschreiben sein. Eine Erörterung der
Abstimmung vom criminalpolitischen Gesichtspunkt wollen wir heute nicht vor¬
nehmen, sondern uns mit der Anerkennung begnügen, daß die Annahme eine
Nothwendigkeit war. Daß mit dieser Abstimmung die Aussichten auf einen
Conflikt mit dem Reichskanzler gemindert sind, wird allen vaterlandliebenden
Kreisen willkommen sein.

Am 15. Dezember wurde ein Gesetz angenommen, welches den Bundes¬
rath ermächtigt, innerhalb Monatsfrist — die Regierungsvorlage hatte eine
dreimonatliche Frist vorgeschlagen — nach Erlaß der betreffenden Verordnung
die Thaler aus ihrer bisherigen Rolle als Repräsentanten der Goldwährung
auf die bescheidnere Stufe der neuen Reichssilbermünzen herabzusetzen, welche
Niemand in höherem Betrage als bis zu zwanzig Mark in Zahlung zu
nehmen verpflichtet ist. Man bezeichnet dieses Gesetz wohl etwas zu empha¬
tisch als die beendigende Durchführung der Goldwährung. nominell ist
dies allerdings richtig; thatsächlich aber wird der Thaler, so lange er nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/518>, abgerufen am 22.07.2024.