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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Mittlerweile ist nun am 6. December der amerikanische Congreß eröffnet
worden und sind zugleich mit der Botschaft des Präsidenten Grant die mit
Spanien gepflogenen diplomatischen Correspondenzen veröffentlicht, wie der
Telegraph jüngst meldete allerdings mit Ausschluß der auf die letzten
Verhandlungen bezüglichen Aktenstücke. Dieser letztere Umstand läßt es denn
auch noch immer als zweifelhaft erscheinen, ob in der That der Meinungs¬
austausch zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien überall "in durch¬
aus freundschaftlichem Tone gehalten ist", wie der Telegraph sich ausdrückte,
und ob die zwischen den beiden genannten Staaten geführten Verhandlungen
in gegenseitig zufriedenstellender Weise vor sich gingen. Bezüglich der Jn-
surrection auf Cuba heißt es in dem vorliegenden Auszuge aus der dem
amerikanischen Kongresse am 7. December mitgetheilten Präsidentenbotschaft,
daß der Aufstand fortdauere, ohne Rücksicht auf die Bestimmungen der Ge¬
setze, ohne Rücksicht auf die Gebote der Civilisation und Humanität, ohne Hoff¬
nung auf ein baldiges Ende. Die Mächte würden daher wohl bald genöthigt
sein, sich darüber schlüssig zu machen, was ihre Pflicht und ihr Interesse erheische.
Präsident Grant hege die Hoffnung, daß Spanien den Conflikt zu Ende
bringen werde; bis setzt seien aber alle darauf zielenden Anstrengungen ver¬
geblich und die Lage der Dinge in keiner Beziehung verändert. Auf der an-
dern Seite hätten auch die Insurgenten keine derartige Organisation der bür¬
gerlichen Verhältnisse zu Stande zu bringen vermocht, daß daraus hin eine
Anerkennung derselben als ausführbar angesehen werden könnte. Eine solche
Anerkennung würde mit den faktischen Verhältnissen unverträglich sein. Den
Insurgenten die Rechte einer kriegführenden Macht zuzuerkennen, würde gegen
die Gebote der Klugheit verstoßen und verfrüht und unausführbar sein.
Sollte indeß eine Pacifieation in Bälde nicht zu erzielen sein, so würde
er (Grant) es für seine Pflicht halten, noch im Laufe der gegenwärtigen
Session dem Congresse diejenigen Vorschläge zu machen, welche er für erfor¬
derlich hielte.

Man sieht. Präsident Grant verfolgt, wie dies auch in der Natur der
Sache liegt, die spanischen Verhältnisse und die Dinge auf Cuba mit auf¬
merksamem Blicke und hält ein etwaiges Einschreiten der Mächte, namentlich
der Vereinigten Staaten, sehr für möglich, ja für nothwendig. Trotz alledem
mögen wir an eine baldige ernstliche Intervention seitens der nordamerika¬
nischen Union noch nicht glauben, zumal wenn diese Intervention dazu dienen
sollte, die Wiedererwählung Grant's zu ermöglichen. Wir glauben hier mit
Karl Schurz, daß Grant, wenn er jemals daran dachte, sich durch eine der¬
artige auswärtige Diversion im "Weißen Hause" zu behaupten, die günstige
Gelegenheit dazu ungenützt hat vorübergehen lassen. Nicht jetzt, sondern
vielleicht im vorigen Frühjahr, kurz nach der Vertagung des Congresses. war
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Mittlerweile ist nun am 6. December der amerikanische Congreß eröffnet
worden und sind zugleich mit der Botschaft des Präsidenten Grant die mit
Spanien gepflogenen diplomatischen Correspondenzen veröffentlicht, wie der
Telegraph jüngst meldete allerdings mit Ausschluß der auf die letzten
Verhandlungen bezüglichen Aktenstücke. Dieser letztere Umstand läßt es denn
auch noch immer als zweifelhaft erscheinen, ob in der That der Meinungs¬
austausch zwischen den Vereinigten Staaten und Spanien überall „in durch¬
aus freundschaftlichem Tone gehalten ist", wie der Telegraph sich ausdrückte,
und ob die zwischen den beiden genannten Staaten geführten Verhandlungen
in gegenseitig zufriedenstellender Weise vor sich gingen. Bezüglich der Jn-
surrection auf Cuba heißt es in dem vorliegenden Auszuge aus der dem
amerikanischen Kongresse am 7. December mitgetheilten Präsidentenbotschaft,
daß der Aufstand fortdauere, ohne Rücksicht auf die Bestimmungen der Ge¬
setze, ohne Rücksicht auf die Gebote der Civilisation und Humanität, ohne Hoff¬
nung auf ein baldiges Ende. Die Mächte würden daher wohl bald genöthigt
sein, sich darüber schlüssig zu machen, was ihre Pflicht und ihr Interesse erheische.
Präsident Grant hege die Hoffnung, daß Spanien den Conflikt zu Ende
bringen werde; bis setzt seien aber alle darauf zielenden Anstrengungen ver¬
geblich und die Lage der Dinge in keiner Beziehung verändert. Auf der an-
dern Seite hätten auch die Insurgenten keine derartige Organisation der bür¬
gerlichen Verhältnisse zu Stande zu bringen vermocht, daß daraus hin eine
Anerkennung derselben als ausführbar angesehen werden könnte. Eine solche
Anerkennung würde mit den faktischen Verhältnissen unverträglich sein. Den
Insurgenten die Rechte einer kriegführenden Macht zuzuerkennen, würde gegen
die Gebote der Klugheit verstoßen und verfrüht und unausführbar sein.
Sollte indeß eine Pacifieation in Bälde nicht zu erzielen sein, so würde
er (Grant) es für seine Pflicht halten, noch im Laufe der gegenwärtigen
Session dem Congresse diejenigen Vorschläge zu machen, welche er für erfor¬
derlich hielte.

Man sieht. Präsident Grant verfolgt, wie dies auch in der Natur der
Sache liegt, die spanischen Verhältnisse und die Dinge auf Cuba mit auf¬
merksamem Blicke und hält ein etwaiges Einschreiten der Mächte, namentlich
der Vereinigten Staaten, sehr für möglich, ja für nothwendig. Trotz alledem
mögen wir an eine baldige ernstliche Intervention seitens der nordamerika¬
nischen Union noch nicht glauben, zumal wenn diese Intervention dazu dienen
sollte, die Wiedererwählung Grant's zu ermöglichen. Wir glauben hier mit
Karl Schurz, daß Grant, wenn er jemals daran dachte, sich durch eine der¬
artige auswärtige Diversion im „Weißen Hause" zu behaupten, die günstige
Gelegenheit dazu ungenützt hat vorübergehen lassen. Nicht jetzt, sondern
vielleicht im vorigen Frühjahr, kurz nach der Vertagung des Congresses. war
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/509>, abgerufen am 22.07.2024.