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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Dann bekundet sich in allen Städten der vielfache Drang, unter denen sie
Jahrhunderte hindurch bestanden. Dalmatien war ein großes Kampffeld
und nach den zahlreichen früheren Stürmen lagen sich dort oft Türken
und Venetianer feindlich gegenüber. Bisweilen führte auch municipaler
Zwist das Kriegsvolk der einen Stadt vor die Wälle der anderen. Darum
baute man die Häuser auf gedrungenem Raum und sorgte für Wall und
Castell. Heute liegt freilich gar viel davon in Trümmern, aber die Wandlung,
welche anderwärts die alten Städte durchmachten, um sich in modernes Ge¬
wand zu kleiden, ist noch nicht begonnen. Es mangelt an Antrieb und
Nothwendigkeit, und man findet noch Raum genug innerhalb des alten
Weichbildes. Wenn nur einmal die Eisenbahn eröffnet wird, dann wird es
anders werden, so vermeinen die Leute in Dalmatien. An der Linie nach
Spalato baut man seit einem Jahre und schon sehen die Spalatiner ihren
Hafen zukünftig als den ersten in der Adria, wenngleich mancher Zweifel
rege wird, ob diese Hoffnungen auch festgegründet seien. Man blickt auf
Fiume im Nachbarlande, welches eines schönen Tages sich am Endpunkte
zweier von einander ganz getrennten Bahnlinien sah und heute immer noch
auf die goldenen Früchte wartet. Zunächst wird wohl die Bahn dem Zwecke
dienen, Dalmatien der Monarchie näher zu rücken und der eiserne Strang,
welcher nach Dalmatien reicht, soll ans Land festhalten helfen, damit es nicht
in einen centrifugalen Winkel hineingerathe.

Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist aber auch mit den natio¬
nalen Verhältnissen der Bevölkerung verflochten. Die Masse dieser letzteren
gehört zum slavischen Stamme, welcher trotz der mannigfachen Geschicke des
Landes sich in demselben erhielt. Daß manches fremde Element hineingemischt
wurde, ja daß sich da und dort die Erinnerung an solche Elemente noch
ziemlich deutlich erhielt, ändert schließlich nichts an der eigentlichen Thatsache
und es hieße vergebliches Beginnen, wollte man den vorwiegend slavischen
Charakter des Landes in Abrede stellen. Die Slaven Dalmatiens gehören
der serbischen Völkerfamilie an und ihre Sprache ist ein serbischer Dialect,
kaum verschieden von jener im Fürstenthume Serbien. Daß die Leute in
Dalmatien, namentlich im Binnenlande oft mit dem besonderen Namen der
Morlachen bezeichnet werden, ja daß man die Landschaft um Krim, Sige,
oben auf dem Hochplateau gemeiniglich die Morlachei nennt, ändert nichts
an der Namensverwandtschaft. Es sind dieß gerade so locale Bezeichnungen,
als in Süd - Dalmatien die Landschaftsnamen vorwalten und man von
Pastrovicchianern, von Zuppanern, von Crivoscianern spricht, weil jene in den
gleichnamigen Thalebenen liegen und diese, vom I. 1869 her zu einer über
ihre Berge hinausgehenden Bekanntheit gekommen, auf einer Hochebene über


Dann bekundet sich in allen Städten der vielfache Drang, unter denen sie
Jahrhunderte hindurch bestanden. Dalmatien war ein großes Kampffeld
und nach den zahlreichen früheren Stürmen lagen sich dort oft Türken
und Venetianer feindlich gegenüber. Bisweilen führte auch municipaler
Zwist das Kriegsvolk der einen Stadt vor die Wälle der anderen. Darum
baute man die Häuser auf gedrungenem Raum und sorgte für Wall und
Castell. Heute liegt freilich gar viel davon in Trümmern, aber die Wandlung,
welche anderwärts die alten Städte durchmachten, um sich in modernes Ge¬
wand zu kleiden, ist noch nicht begonnen. Es mangelt an Antrieb und
Nothwendigkeit, und man findet noch Raum genug innerhalb des alten
Weichbildes. Wenn nur einmal die Eisenbahn eröffnet wird, dann wird es
anders werden, so vermeinen die Leute in Dalmatien. An der Linie nach
Spalato baut man seit einem Jahre und schon sehen die Spalatiner ihren
Hafen zukünftig als den ersten in der Adria, wenngleich mancher Zweifel
rege wird, ob diese Hoffnungen auch festgegründet seien. Man blickt auf
Fiume im Nachbarlande, welches eines schönen Tages sich am Endpunkte
zweier von einander ganz getrennten Bahnlinien sah und heute immer noch
auf die goldenen Früchte wartet. Zunächst wird wohl die Bahn dem Zwecke
dienen, Dalmatien der Monarchie näher zu rücken und der eiserne Strang,
welcher nach Dalmatien reicht, soll ans Land festhalten helfen, damit es nicht
in einen centrifugalen Winkel hineingerathe.

Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist aber auch mit den natio¬
nalen Verhältnissen der Bevölkerung verflochten. Die Masse dieser letzteren
gehört zum slavischen Stamme, welcher trotz der mannigfachen Geschicke des
Landes sich in demselben erhielt. Daß manches fremde Element hineingemischt
wurde, ja daß sich da und dort die Erinnerung an solche Elemente noch
ziemlich deutlich erhielt, ändert schließlich nichts an der eigentlichen Thatsache
und es hieße vergebliches Beginnen, wollte man den vorwiegend slavischen
Charakter des Landes in Abrede stellen. Die Slaven Dalmatiens gehören
der serbischen Völkerfamilie an und ihre Sprache ist ein serbischer Dialect,
kaum verschieden von jener im Fürstenthume Serbien. Daß die Leute in
Dalmatien, namentlich im Binnenlande oft mit dem besonderen Namen der
Morlachen bezeichnet werden, ja daß man die Landschaft um Krim, Sige,
oben auf dem Hochplateau gemeiniglich die Morlachei nennt, ändert nichts
an der Namensverwandtschaft. Es sind dieß gerade so locale Bezeichnungen,
als in Süd - Dalmatien die Landschaftsnamen vorwalten und man von
Pastrovicchianern, von Zuppanern, von Crivoscianern spricht, weil jene in den
gleichnamigen Thalebenen liegen und diese, vom I. 1869 her zu einer über
ihre Berge hinausgehenden Bekanntheit gekommen, auf einer Hochebene über


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[0490] Dann bekundet sich in allen Städten der vielfache Drang, unter denen sie Jahrhunderte hindurch bestanden. Dalmatien war ein großes Kampffeld und nach den zahlreichen früheren Stürmen lagen sich dort oft Türken und Venetianer feindlich gegenüber. Bisweilen führte auch municipaler Zwist das Kriegsvolk der einen Stadt vor die Wälle der anderen. Darum baute man die Häuser auf gedrungenem Raum und sorgte für Wall und Castell. Heute liegt freilich gar viel davon in Trümmern, aber die Wandlung, welche anderwärts die alten Städte durchmachten, um sich in modernes Ge¬ wand zu kleiden, ist noch nicht begonnen. Es mangelt an Antrieb und Nothwendigkeit, und man findet noch Raum genug innerhalb des alten Weichbildes. Wenn nur einmal die Eisenbahn eröffnet wird, dann wird es anders werden, so vermeinen die Leute in Dalmatien. An der Linie nach Spalato baut man seit einem Jahre und schon sehen die Spalatiner ihren Hafen zukünftig als den ersten in der Adria, wenngleich mancher Zweifel rege wird, ob diese Hoffnungen auch festgegründet seien. Man blickt auf Fiume im Nachbarlande, welches eines schönen Tages sich am Endpunkte zweier von einander ganz getrennten Bahnlinien sah und heute immer noch auf die goldenen Früchte wartet. Zunächst wird wohl die Bahn dem Zwecke dienen, Dalmatien der Monarchie näher zu rücken und der eiserne Strang, welcher nach Dalmatien reicht, soll ans Land festhalten helfen, damit es nicht in einen centrifugalen Winkel hineingerathe. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land ist aber auch mit den natio¬ nalen Verhältnissen der Bevölkerung verflochten. Die Masse dieser letzteren gehört zum slavischen Stamme, welcher trotz der mannigfachen Geschicke des Landes sich in demselben erhielt. Daß manches fremde Element hineingemischt wurde, ja daß sich da und dort die Erinnerung an solche Elemente noch ziemlich deutlich erhielt, ändert schließlich nichts an der eigentlichen Thatsache und es hieße vergebliches Beginnen, wollte man den vorwiegend slavischen Charakter des Landes in Abrede stellen. Die Slaven Dalmatiens gehören der serbischen Völkerfamilie an und ihre Sprache ist ein serbischer Dialect, kaum verschieden von jener im Fürstenthume Serbien. Daß die Leute in Dalmatien, namentlich im Binnenlande oft mit dem besonderen Namen der Morlachen bezeichnet werden, ja daß man die Landschaft um Krim, Sige, oben auf dem Hochplateau gemeiniglich die Morlachei nennt, ändert nichts an der Namensverwandtschaft. Es sind dieß gerade so locale Bezeichnungen, als in Süd - Dalmatien die Landschaftsnamen vorwalten und man von Pastrovicchianern, von Zuppanern, von Crivoscianern spricht, weil jene in den gleichnamigen Thalebenen liegen und diese, vom I. 1869 her zu einer über ihre Berge hinausgehenden Bekanntheit gekommen, auf einer Hochebene über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/490>, abgerufen am 22.07.2024.