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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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diesem Augenblicke an, ohne Gefährdung ihrer Ansprüche und Rechte dem
Staate gegenüber, ihre Disciplin oder ihre kirchlichen Einrichtungen nach ih¬
rem eigenen Ermessen zu machen, wie das die Neukatholiken d. h. die römi¬
schen, auch für sich in Anspruch nehmen.

Man verstehe uns richtig: das strengste Recht fordert, daß. wenn der
Staat den Altkatholiken ihren Antheil am Kirchengut xro i-aw gewährt, weil er
das der früheren katholischen Kirche, welche den Standpunkt der Altkatholiken
mit einschloß, gewährleistet, also auch der altkatholischen Ansicht gewährleistet
hat. -- das strengste Recht fordert, sagen wir, daß der Staat nun auch das
Recht der Altkatholiken anerkennen muß, daß sie ihre Disciplin selbst ordnen,
ohne Verlust irgend eines Rechtes, also auch ohne Verlust des Rechtes, den
Cölibat der Priester aufzuheben.

Daß sie sich von Rom getrennt haben, ist durchaus kein Grund, ihnen dies
Recht zu verkümmern. Die Schuld daran fällt auf Rom, das sie ja hinaus¬
gestoßen, ercommunicirt hat. Wenn also ein Pfarrer dadurch, daß er die
Jnfallibilität nicht anerkennt, aus seiner Stellung vertrieben wird, also--
indem nach menschlichen Verhältnissen die Ansichten in der Gemeinde ver¬
schieden sind -- keine Gemeinde mehr hat, so hat er ja nichts verbrochen,
und so hört ja sein Anspruch und Recht, nach seinem rechten katholischen
Glauben, auf die vom Staate ihm darauf hin gewährleistete Stellung mit
ihren Einkünften nicht auf, er wird nur frei von der Disciplin Roms,
und -- darf das altchristliche Recht der Ehe für sich in Anspruch nehmen.
So steht es rechtlich.

Man hat nun gesagt, das Gesetz sei in der Voraussetzung gegeben wor¬
den, daß die Altkatholiken bei dem Glauben und den Ordnungen der römi¬
schen katholischen Kirche blieben. Das beruht ja aber eben nur auf Ver-
kennung der Wahrheit, 1) daß der wirkliche Kirchenglaube dadurch gar nicht
verletzt wird, weil der Cölibat gar nicht zum katholischen Glauben gehört, im
Gegentheil ihn, Wie oben gezeigt, verletzt; 2) daß gerade die Altkatholiken bei
dem alten wahren katholischen Glauben geblieben sind; 3) daß sie nun das
Recht haben, ihre disciplinarischen Ordnungen ebenso selbständig zu machen,
wie die Neukatholiken.

Wer das leugnet, der muß die Altkatholiken zwingen wollen, den er¬
zwungenen Cölibat auch dann noch beizubehalten, wenn etwa die römische
Papstkirche es in ihrem Interesse fände, diese sündhafte Einrichtung auf¬
zuheben.

Vor Allem und über Allem muß aber nun, ganz davon abgesehen, daß
der Wortlaut des Gesetzes in § 3. jeden Pfründeninhaber, welcher der
altkatholischen Gemeinschaft beitritt, in seinem Besitz schützt -- ohne alle
Einschränkung --, als alleinige rechte Erklärung des Altkatholikengesetzes aus-


diesem Augenblicke an, ohne Gefährdung ihrer Ansprüche und Rechte dem
Staate gegenüber, ihre Disciplin oder ihre kirchlichen Einrichtungen nach ih¬
rem eigenen Ermessen zu machen, wie das die Neukatholiken d. h. die römi¬
schen, auch für sich in Anspruch nehmen.

Man verstehe uns richtig: das strengste Recht fordert, daß. wenn der
Staat den Altkatholiken ihren Antheil am Kirchengut xro i-aw gewährt, weil er
das der früheren katholischen Kirche, welche den Standpunkt der Altkatholiken
mit einschloß, gewährleistet, also auch der altkatholischen Ansicht gewährleistet
hat. — das strengste Recht fordert, sagen wir, daß der Staat nun auch das
Recht der Altkatholiken anerkennen muß, daß sie ihre Disciplin selbst ordnen,
ohne Verlust irgend eines Rechtes, also auch ohne Verlust des Rechtes, den
Cölibat der Priester aufzuheben.

Daß sie sich von Rom getrennt haben, ist durchaus kein Grund, ihnen dies
Recht zu verkümmern. Die Schuld daran fällt auf Rom, das sie ja hinaus¬
gestoßen, ercommunicirt hat. Wenn also ein Pfarrer dadurch, daß er die
Jnfallibilität nicht anerkennt, aus seiner Stellung vertrieben wird, also—
indem nach menschlichen Verhältnissen die Ansichten in der Gemeinde ver¬
schieden sind — keine Gemeinde mehr hat, so hat er ja nichts verbrochen,
und so hört ja sein Anspruch und Recht, nach seinem rechten katholischen
Glauben, auf die vom Staate ihm darauf hin gewährleistete Stellung mit
ihren Einkünften nicht auf, er wird nur frei von der Disciplin Roms,
und — darf das altchristliche Recht der Ehe für sich in Anspruch nehmen.
So steht es rechtlich.

Man hat nun gesagt, das Gesetz sei in der Voraussetzung gegeben wor¬
den, daß die Altkatholiken bei dem Glauben und den Ordnungen der römi¬
schen katholischen Kirche blieben. Das beruht ja aber eben nur auf Ver-
kennung der Wahrheit, 1) daß der wirkliche Kirchenglaube dadurch gar nicht
verletzt wird, weil der Cölibat gar nicht zum katholischen Glauben gehört, im
Gegentheil ihn, Wie oben gezeigt, verletzt; 2) daß gerade die Altkatholiken bei
dem alten wahren katholischen Glauben geblieben sind; 3) daß sie nun das
Recht haben, ihre disciplinarischen Ordnungen ebenso selbständig zu machen,
wie die Neukatholiken.

Wer das leugnet, der muß die Altkatholiken zwingen wollen, den er¬
zwungenen Cölibat auch dann noch beizubehalten, wenn etwa die römische
Papstkirche es in ihrem Interesse fände, diese sündhafte Einrichtung auf¬
zuheben.

Vor Allem und über Allem muß aber nun, ganz davon abgesehen, daß
der Wortlaut des Gesetzes in § 3. jeden Pfründeninhaber, welcher der
altkatholischen Gemeinschaft beitritt, in seinem Besitz schützt — ohne alle
Einschränkung —, als alleinige rechte Erklärung des Altkatholikengesetzes aus-


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[0457] diesem Augenblicke an, ohne Gefährdung ihrer Ansprüche und Rechte dem Staate gegenüber, ihre Disciplin oder ihre kirchlichen Einrichtungen nach ih¬ rem eigenen Ermessen zu machen, wie das die Neukatholiken d. h. die römi¬ schen, auch für sich in Anspruch nehmen. Man verstehe uns richtig: das strengste Recht fordert, daß. wenn der Staat den Altkatholiken ihren Antheil am Kirchengut xro i-aw gewährt, weil er das der früheren katholischen Kirche, welche den Standpunkt der Altkatholiken mit einschloß, gewährleistet, also auch der altkatholischen Ansicht gewährleistet hat. — das strengste Recht fordert, sagen wir, daß der Staat nun auch das Recht der Altkatholiken anerkennen muß, daß sie ihre Disciplin selbst ordnen, ohne Verlust irgend eines Rechtes, also auch ohne Verlust des Rechtes, den Cölibat der Priester aufzuheben. Daß sie sich von Rom getrennt haben, ist durchaus kein Grund, ihnen dies Recht zu verkümmern. Die Schuld daran fällt auf Rom, das sie ja hinaus¬ gestoßen, ercommunicirt hat. Wenn also ein Pfarrer dadurch, daß er die Jnfallibilität nicht anerkennt, aus seiner Stellung vertrieben wird, also— indem nach menschlichen Verhältnissen die Ansichten in der Gemeinde ver¬ schieden sind — keine Gemeinde mehr hat, so hat er ja nichts verbrochen, und so hört ja sein Anspruch und Recht, nach seinem rechten katholischen Glauben, auf die vom Staate ihm darauf hin gewährleistete Stellung mit ihren Einkünften nicht auf, er wird nur frei von der Disciplin Roms, und — darf das altchristliche Recht der Ehe für sich in Anspruch nehmen. So steht es rechtlich. Man hat nun gesagt, das Gesetz sei in der Voraussetzung gegeben wor¬ den, daß die Altkatholiken bei dem Glauben und den Ordnungen der römi¬ schen katholischen Kirche blieben. Das beruht ja aber eben nur auf Ver- kennung der Wahrheit, 1) daß der wirkliche Kirchenglaube dadurch gar nicht verletzt wird, weil der Cölibat gar nicht zum katholischen Glauben gehört, im Gegentheil ihn, Wie oben gezeigt, verletzt; 2) daß gerade die Altkatholiken bei dem alten wahren katholischen Glauben geblieben sind; 3) daß sie nun das Recht haben, ihre disciplinarischen Ordnungen ebenso selbständig zu machen, wie die Neukatholiken. Wer das leugnet, der muß die Altkatholiken zwingen wollen, den er¬ zwungenen Cölibat auch dann noch beizubehalten, wenn etwa die römische Papstkirche es in ihrem Interesse fände, diese sündhafte Einrichtung auf¬ zuheben. Vor Allem und über Allem muß aber nun, ganz davon abgesehen, daß der Wortlaut des Gesetzes in § 3. jeden Pfründeninhaber, welcher der altkatholischen Gemeinschaft beitritt, in seinem Besitz schützt — ohne alle Einschränkung —, als alleinige rechte Erklärung des Altkatholikengesetzes aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/457>, abgerufen am 24.08.2024.