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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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amerikanischem Boden entstandene Bund der "?6unus" oder Fenier, ein so
ernstes Gesicht er auch macht, die reine Komödie.

Die Gründer des Fenierthums waren zwei irische Flüchtlinge aus dem
Jahre 1848. Oberst John O'Mahoney und Michael Doheny. von denen der
letztere eines der talentvollsten und gefährlichsten Mitglieder des Jungen Ir¬
land und ein feuriger Bewunderer Mitchell's gewesen war. O'Mahoney ge¬
hörte einer alten Familie in Münster an. deren Vorfahren Könige gewesen
waren, was indeß nicht allzuviel bedeutet, da fast jeder echte Paddy sich dessen
rühmt. In Smith O'Brien's Treiben verwickelt, entschlüpfte der Königsenkel
seinen Verfolgern und ging erst nach Frankreich, dann nach Amerika, wo er
sich in den letzten "fünfziger Jahren mit Doheny und einem gewissen Coreo-
ran an die Bildung einer geheimen Gesellschaft zur Wiederaufnahme des
Kampfes mit England machte. Corcoran schrieb sich "General". was indeß
auch nicht viel sagen will, da in Amerika die (Seneralstitel ungefähr so billig
zu haben sind wie die Brombeeren.

Der Bund war anfänglich eine halb geheime Genossenschaft. Seine Ver¬
sammlungen fanden hinter verschlossnen Thüren statt, und obwohl seine Vor¬
steher öffentlich als solche bekannt waren, blieben die Operationen derselben
dem Auge der Nichteingeweihten verborgen. Rasch verbreitete sich das Fenier-
thum über alle Staaten der Union sowie durch Canada und die übrigen bri¬
tischen Besitzungen in Amerika. Aber im November 1863 nahm die serische
Organisation einen neuen Charakter an. Eine große Nationalconvention
trat in Chicago zusammen und kündigte öffentlich den Zweck der Verbrüderung
an, der in nichts Geringerem bestand, als in der Losreißung zunächst Canadas,
dann Irlands von England und in der Verwandlung jener beiden in Re¬
publiken. Eine zweite große Delegirtenversammlung, auf welcher 260.000
Fenier vertreten waren, fand 1864 in Cincinnati statt. Dieselbe forderte
alle Mitglieder des Bundes zu einem Beitrag von fünf Dollars auf, die zur
Bestreitung der Kosten dienen sollten, welche die Vorbereitungen für den Krieg
mit England erheischten. Einer der in Cincinnati gefaßten Beschlüsse be¬
stimmte, daß "die nächste Nationalconvention auf irischen Boden abgehalten
werden solle". Um dieselbe Zeit wurde neben der Bruderschaft auch eine
Schwesterschaft eingerichtet, und die Damen waren nicht unthätig; denn zwei
Monate schon nach ihrem Zusammentritt ließen sie dem Bundessäckel eine
Summe von etwa einer Million Dollars zugehen, damit davon Waffen und
anderes Kriegsmaterial angeschafft würden. In dieser Periode verließen sich
die Fenier nicht ohne Grund darauf, daß die Regierung in Washington ihnen
bei ihrem Vorhaben beistehen werde, wie die Regierung in London den Em¬
pörern im Süden der Union Beistand leistete, und die neuyorker Presse be¬
stärkte sie in dieser Auffassung.


amerikanischem Boden entstandene Bund der „?6unus" oder Fenier, ein so
ernstes Gesicht er auch macht, die reine Komödie.

Die Gründer des Fenierthums waren zwei irische Flüchtlinge aus dem
Jahre 1848. Oberst John O'Mahoney und Michael Doheny. von denen der
letztere eines der talentvollsten und gefährlichsten Mitglieder des Jungen Ir¬
land und ein feuriger Bewunderer Mitchell's gewesen war. O'Mahoney ge¬
hörte einer alten Familie in Münster an. deren Vorfahren Könige gewesen
waren, was indeß nicht allzuviel bedeutet, da fast jeder echte Paddy sich dessen
rühmt. In Smith O'Brien's Treiben verwickelt, entschlüpfte der Königsenkel
seinen Verfolgern und ging erst nach Frankreich, dann nach Amerika, wo er
sich in den letzten "fünfziger Jahren mit Doheny und einem gewissen Coreo-
ran an die Bildung einer geheimen Gesellschaft zur Wiederaufnahme des
Kampfes mit England machte. Corcoran schrieb sich „General". was indeß
auch nicht viel sagen will, da in Amerika die (Seneralstitel ungefähr so billig
zu haben sind wie die Brombeeren.

Der Bund war anfänglich eine halb geheime Genossenschaft. Seine Ver¬
sammlungen fanden hinter verschlossnen Thüren statt, und obwohl seine Vor¬
steher öffentlich als solche bekannt waren, blieben die Operationen derselben
dem Auge der Nichteingeweihten verborgen. Rasch verbreitete sich das Fenier-
thum über alle Staaten der Union sowie durch Canada und die übrigen bri¬
tischen Besitzungen in Amerika. Aber im November 1863 nahm die serische
Organisation einen neuen Charakter an. Eine große Nationalconvention
trat in Chicago zusammen und kündigte öffentlich den Zweck der Verbrüderung
an, der in nichts Geringerem bestand, als in der Losreißung zunächst Canadas,
dann Irlands von England und in der Verwandlung jener beiden in Re¬
publiken. Eine zweite große Delegirtenversammlung, auf welcher 260.000
Fenier vertreten waren, fand 1864 in Cincinnati statt. Dieselbe forderte
alle Mitglieder des Bundes zu einem Beitrag von fünf Dollars auf, die zur
Bestreitung der Kosten dienen sollten, welche die Vorbereitungen für den Krieg
mit England erheischten. Einer der in Cincinnati gefaßten Beschlüsse be¬
stimmte, daß „die nächste Nationalconvention auf irischen Boden abgehalten
werden solle". Um dieselbe Zeit wurde neben der Bruderschaft auch eine
Schwesterschaft eingerichtet, und die Damen waren nicht unthätig; denn zwei
Monate schon nach ihrem Zusammentritt ließen sie dem Bundessäckel eine
Summe von etwa einer Million Dollars zugehen, damit davon Waffen und
anderes Kriegsmaterial angeschafft würden. In dieser Periode verließen sich
die Fenier nicht ohne Grund darauf, daß die Regierung in Washington ihnen
bei ihrem Vorhaben beistehen werde, wie die Regierung in London den Em¬
pörern im Süden der Union Beistand leistete, und die neuyorker Presse be¬
stärkte sie in dieser Auffassung.


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[0427] amerikanischem Boden entstandene Bund der „?6unus" oder Fenier, ein so ernstes Gesicht er auch macht, die reine Komödie. Die Gründer des Fenierthums waren zwei irische Flüchtlinge aus dem Jahre 1848. Oberst John O'Mahoney und Michael Doheny. von denen der letztere eines der talentvollsten und gefährlichsten Mitglieder des Jungen Ir¬ land und ein feuriger Bewunderer Mitchell's gewesen war. O'Mahoney ge¬ hörte einer alten Familie in Münster an. deren Vorfahren Könige gewesen waren, was indeß nicht allzuviel bedeutet, da fast jeder echte Paddy sich dessen rühmt. In Smith O'Brien's Treiben verwickelt, entschlüpfte der Königsenkel seinen Verfolgern und ging erst nach Frankreich, dann nach Amerika, wo er sich in den letzten "fünfziger Jahren mit Doheny und einem gewissen Coreo- ran an die Bildung einer geheimen Gesellschaft zur Wiederaufnahme des Kampfes mit England machte. Corcoran schrieb sich „General". was indeß auch nicht viel sagen will, da in Amerika die (Seneralstitel ungefähr so billig zu haben sind wie die Brombeeren. Der Bund war anfänglich eine halb geheime Genossenschaft. Seine Ver¬ sammlungen fanden hinter verschlossnen Thüren statt, und obwohl seine Vor¬ steher öffentlich als solche bekannt waren, blieben die Operationen derselben dem Auge der Nichteingeweihten verborgen. Rasch verbreitete sich das Fenier- thum über alle Staaten der Union sowie durch Canada und die übrigen bri¬ tischen Besitzungen in Amerika. Aber im November 1863 nahm die serische Organisation einen neuen Charakter an. Eine große Nationalconvention trat in Chicago zusammen und kündigte öffentlich den Zweck der Verbrüderung an, der in nichts Geringerem bestand, als in der Losreißung zunächst Canadas, dann Irlands von England und in der Verwandlung jener beiden in Re¬ publiken. Eine zweite große Delegirtenversammlung, auf welcher 260.000 Fenier vertreten waren, fand 1864 in Cincinnati statt. Dieselbe forderte alle Mitglieder des Bundes zu einem Beitrag von fünf Dollars auf, die zur Bestreitung der Kosten dienen sollten, welche die Vorbereitungen für den Krieg mit England erheischten. Einer der in Cincinnati gefaßten Beschlüsse be¬ stimmte, daß „die nächste Nationalconvention auf irischen Boden abgehalten werden solle". Um dieselbe Zeit wurde neben der Bruderschaft auch eine Schwesterschaft eingerichtet, und die Damen waren nicht unthätig; denn zwei Monate schon nach ihrem Zusammentritt ließen sie dem Bundessäckel eine Summe von etwa einer Million Dollars zugehen, damit davon Waffen und anderes Kriegsmaterial angeschafft würden. In dieser Periode verließen sich die Fenier nicht ohne Grund darauf, daß die Regierung in Washington ihnen bei ihrem Vorhaben beistehen werde, wie die Regierung in London den Em¬ pörern im Süden der Union Beistand leistete, und die neuyorker Presse be¬ stärkte sie in dieser Auffassung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/427>, abgerufen am 22.07.2024.