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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Charakteristisch ferner und allein schon die Meinung des Tridentinischen
Concils entscheidend ist der Vorgang zwischen der 1. und 2. Session 1346.
Man verhandelte über den Titel, den das Concil selbst führen und seinen
Decreten vorsetzen sollte. Der Papst wünschte den Titel: Sa-erosg-meta oeeu-
meines, et seneralis svnoäus ^Mentina viÄesiäeutidus leMtis apostolieis,
die Bischöfe aber, besonders die französischen, wünschten den Zusatz: univer¬
salem ecelesiam rövrg,esentg.us, und beriefen sich dabei auf die Concilien von
Costnitz und Basel, in deren Titel auf jene Worte noch folgte: (Ls-eros. occ.
et gen. son., xrassicl. leZst. Äposwl., uno. eeeles. revraes. :) auae pote-
swtem illnueäiate a Linristo uaeta est, cui unusquis^ne, etiamsi
xontikieis. äiZnitate, obeäire teuetur, der Grundsatz, daß das
Concil über dem Papste stehe. Wer, der irgend in diesen Fragen
urtheilsfähig ist, sieht nicht, daß das Tridentin. Concil nicht daran gedacht
hat, die Unfehlbarkeit anzuerkennen, vielmehr verworfen hat? Es gelang nun
zwar dem Papste und seinen Creaturen, mit Hülfe der hungrigen von ihm
ernannten Bischöfe in Mrtibus inüäelium zu verhüten, daß das gleiche Recht
der Bischöfe -- ihr jus äivivum nicht ausdrücklich im Gegensatze zum römischen
Bischöfe ausgesprochen wurde*), aber umgekehrt ließen doch die Bischöfe keinen
Ausdruck passiren, der die Frage im Sinne der Papstmacht entschieden hätte.
Und dieser Gegensatz bleibt dann das Hauptinteresse des ganzen Concils, der
rothe Faden, der sich durch alle Verhandlungen durchzieht.

Wer das leugnet, kennt entweder die Geschichte und die Verhandlungen
des Tridentinischen Concils nicht, oder er will sie nicht kennen, zwischen welcher
Alternative die deutschen Bischöfe und namentlich die Herren im Centrum des
deutschen Reichstags wählen müssen.

Daraus folgt aber unwidersprechlich, daß durch die Deklaration der Jn-
fallibilität der Glaube der katholischen Kirche verändert ist, wie das ja die
Bischöfe zuerst selbst durch ihre Opposition bezeugt haben, daß aber eben
darum die Bi schüfe durch ihre Unterwerfung vom katholischen
Glauben abgefallen, d. h. vom katholischen Standpunkte, wie ihn
Windthorst - Bielefeld im Reichstage offen ausgesprochen hat, Ketzer sind.

Doch ist diese Frage ja wenigstens in ihrer praktischen Bedeutung von
den Staatsregierungen bereits entschieden, und für unsere Untersuchung nicht
weiter zu erörtern.

Es fragt sich also nur, ob ein Priester, der außerdem, daß er die Jn-
fallibilität nicht anerkennt, sich nun auch verheirathet, dadurch wirklich vom
katholischen Glauben abfällt, d. h. aber nun, ob der Cölibat überhaupt,



") s, Wessenwg, D. großen Concil. Bd. 4. S. 64. 70-80.

Charakteristisch ferner und allein schon die Meinung des Tridentinischen
Concils entscheidend ist der Vorgang zwischen der 1. und 2. Session 1346.
Man verhandelte über den Titel, den das Concil selbst führen und seinen
Decreten vorsetzen sollte. Der Papst wünschte den Titel: Sa-erosg-meta oeeu-
meines, et seneralis svnoäus ^Mentina viÄesiäeutidus leMtis apostolieis,
die Bischöfe aber, besonders die französischen, wünschten den Zusatz: univer¬
salem ecelesiam rövrg,esentg.us, und beriefen sich dabei auf die Concilien von
Costnitz und Basel, in deren Titel auf jene Worte noch folgte: (Ls-eros. occ.
et gen. son., xrassicl. leZst. Äposwl., uno. eeeles. revraes. :) auae pote-
swtem illnueäiate a Linristo uaeta est, cui unusquis^ne, etiamsi
xontikieis. äiZnitate, obeäire teuetur, der Grundsatz, daß das
Concil über dem Papste stehe. Wer, der irgend in diesen Fragen
urtheilsfähig ist, sieht nicht, daß das Tridentin. Concil nicht daran gedacht
hat, die Unfehlbarkeit anzuerkennen, vielmehr verworfen hat? Es gelang nun
zwar dem Papste und seinen Creaturen, mit Hülfe der hungrigen von ihm
ernannten Bischöfe in Mrtibus inüäelium zu verhüten, daß das gleiche Recht
der Bischöfe — ihr jus äivivum nicht ausdrücklich im Gegensatze zum römischen
Bischöfe ausgesprochen wurde*), aber umgekehrt ließen doch die Bischöfe keinen
Ausdruck passiren, der die Frage im Sinne der Papstmacht entschieden hätte.
Und dieser Gegensatz bleibt dann das Hauptinteresse des ganzen Concils, der
rothe Faden, der sich durch alle Verhandlungen durchzieht.

Wer das leugnet, kennt entweder die Geschichte und die Verhandlungen
des Tridentinischen Concils nicht, oder er will sie nicht kennen, zwischen welcher
Alternative die deutschen Bischöfe und namentlich die Herren im Centrum des
deutschen Reichstags wählen müssen.

Daraus folgt aber unwidersprechlich, daß durch die Deklaration der Jn-
fallibilität der Glaube der katholischen Kirche verändert ist, wie das ja die
Bischöfe zuerst selbst durch ihre Opposition bezeugt haben, daß aber eben
darum die Bi schüfe durch ihre Unterwerfung vom katholischen
Glauben abgefallen, d. h. vom katholischen Standpunkte, wie ihn
Windthorst - Bielefeld im Reichstage offen ausgesprochen hat, Ketzer sind.

Doch ist diese Frage ja wenigstens in ihrer praktischen Bedeutung von
den Staatsregierungen bereits entschieden, und für unsere Untersuchung nicht
weiter zu erörtern.

Es fragt sich also nur, ob ein Priester, der außerdem, daß er die Jn-
fallibilität nicht anerkennt, sich nun auch verheirathet, dadurch wirklich vom
katholischen Glauben abfällt, d. h. aber nun, ob der Cölibat überhaupt,



") s, Wessenwg, D. großen Concil. Bd. 4. S. 64. 70-80.
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[0408] Charakteristisch ferner und allein schon die Meinung des Tridentinischen Concils entscheidend ist der Vorgang zwischen der 1. und 2. Session 1346. Man verhandelte über den Titel, den das Concil selbst führen und seinen Decreten vorsetzen sollte. Der Papst wünschte den Titel: Sa-erosg-meta oeeu- meines, et seneralis svnoäus ^Mentina viÄesiäeutidus leMtis apostolieis, die Bischöfe aber, besonders die französischen, wünschten den Zusatz: univer¬ salem ecelesiam rövrg,esentg.us, und beriefen sich dabei auf die Concilien von Costnitz und Basel, in deren Titel auf jene Worte noch folgte: (Ls-eros. occ. et gen. son., xrassicl. leZst. Äposwl., uno. eeeles. revraes. :) auae pote- swtem illnueäiate a Linristo uaeta est, cui unusquis^ne, etiamsi xontikieis. äiZnitate, obeäire teuetur, der Grundsatz, daß das Concil über dem Papste stehe. Wer, der irgend in diesen Fragen urtheilsfähig ist, sieht nicht, daß das Tridentin. Concil nicht daran gedacht hat, die Unfehlbarkeit anzuerkennen, vielmehr verworfen hat? Es gelang nun zwar dem Papste und seinen Creaturen, mit Hülfe der hungrigen von ihm ernannten Bischöfe in Mrtibus inüäelium zu verhüten, daß das gleiche Recht der Bischöfe — ihr jus äivivum nicht ausdrücklich im Gegensatze zum römischen Bischöfe ausgesprochen wurde*), aber umgekehrt ließen doch die Bischöfe keinen Ausdruck passiren, der die Frage im Sinne der Papstmacht entschieden hätte. Und dieser Gegensatz bleibt dann das Hauptinteresse des ganzen Concils, der rothe Faden, der sich durch alle Verhandlungen durchzieht. Wer das leugnet, kennt entweder die Geschichte und die Verhandlungen des Tridentinischen Concils nicht, oder er will sie nicht kennen, zwischen welcher Alternative die deutschen Bischöfe und namentlich die Herren im Centrum des deutschen Reichstags wählen müssen. Daraus folgt aber unwidersprechlich, daß durch die Deklaration der Jn- fallibilität der Glaube der katholischen Kirche verändert ist, wie das ja die Bischöfe zuerst selbst durch ihre Opposition bezeugt haben, daß aber eben darum die Bi schüfe durch ihre Unterwerfung vom katholischen Glauben abgefallen, d. h. vom katholischen Standpunkte, wie ihn Windthorst - Bielefeld im Reichstage offen ausgesprochen hat, Ketzer sind. Doch ist diese Frage ja wenigstens in ihrer praktischen Bedeutung von den Staatsregierungen bereits entschieden, und für unsere Untersuchung nicht weiter zu erörtern. Es fragt sich also nur, ob ein Priester, der außerdem, daß er die Jn- fallibilität nicht anerkennt, sich nun auch verheirathet, dadurch wirklich vom katholischen Glauben abfällt, d. h. aber nun, ob der Cölibat überhaupt, ") s, Wessenwg, D. großen Concil. Bd. 4. S. 64. 70-80.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/408>, abgerufen am 22.07.2024.