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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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zu erwehren, machen letztere die Bevölkerungen dem Reich abgeneigt. Denn
dieses wird auf dem Wege der Matrieularbeiträge den Bevölkerungen zur
Ursache drückender und ungerechter Besteuerung. So kann der Reichstag an
dem Auf- und Niederdrücken der Matrieularbeiträge seine Macht erproben
und genießen, aber nur um den Preis schwerer Beschädigung des Reichs.

Von dieser Verurtheilung der Matrieularbeiträge ging der Kanzler über
zu den positiven Grundzügen eines Steuersystems, wie er es für das Reich am
angemessensten hält. Er entschied sich durchaus für die indirecten Steuern.
Er hielt die Einkommensteuer nur erhebbar von einem Einkommen über 2000
Thaler an, und erklärte dieselbe für auflegbar nur um der Ehre der wohl¬
habenden Klassen, nicht um des finanziellen Ertrages willen.

Man könnte dem großen Staatsmann zu Gunsten der directen Steuern
vielleicht Erhebliches entgegenhalten. Aber es ist unmöglich, darüber mit ihm
zu streiten. daß das deutsche Reich keine andern Steuern auflegen darf, als
nur indirecte: aus dem ganz durchschlagenden Grunde, weil die indirecten
Steuern um der Einheit des deutschen Wirthschaftsgebietes willen den Ein¬
zelstaaten entzogen werden müssen. Die directen Steuern, soweit sie zulässig
und soweit ihre Auflegung möglich, müssen also in Folge der dringendsten
Nothwendigkeit den Einzelstaaten ausschließlich verbleiben.

Wenn nun der Kanzler unwidersprechlich den Nagel auf den Kopf ge¬
troffen mit den zwei Sayer: daß das Reich dahin streben muß. seinen Aus¬
gabebedarf mit eigenen Einnahmen zu decken, und daß zur Beschaffung dieser
Einnahmen nur ein System indirecter Steuern geeignet ist. so kann man doch
noch in Zweifel sein, ob mit der vorgelegten Brausteuer und Börsensteuer zu
dem System indirecter Reichssteuern ein guter Anfang gemacht ist. Unserer-
seits können wir diese letzte Frage nicht bejahen. Die beiden Steuergesetze
sind in Folge der ersten Berathung an die Budgetcommission verwiesen wor¬
den. Wenn letztere die Ablehnung der Steuern empfehlen sollte, so werden
wir die Commission darum nicht zu tadeln vermögen. Wir müssen aber der
entschiedenen Ueberzeugung Ausdruck geben, daß es die Pflicht der Budget¬
commission ist. die nothwendige Beseitigung der Matrieularbeiträge dem
Reichstag zu Gemüthe zu führen und demselben Fingerzeige zu geben über den
nach Ansicht der Commission richtigen Weg. zum Aufbau eines Systems
indirecter Reichssteuern zu gelangen. Die Gefahr, durch das Budget für 1877
plötzlich eine erdrückende Last von Matricularbeiträgen auf die Einzelstaaten
zu werfen, muß um jeden Preis vermieden werden, und nachdem zur Ver¬
meidung dieser Gefahr die Reichsregierung das Ihre versucht hat. wenn auch
nicht mit glücklichem Erfolg, ist es an der Budgetcommission, wenn sie die
Vorschläge der Reichsregierung zurückweist, den Weg anzudeuten, den sie ihrer¬
seits für den richtigen hält.


zu erwehren, machen letztere die Bevölkerungen dem Reich abgeneigt. Denn
dieses wird auf dem Wege der Matrieularbeiträge den Bevölkerungen zur
Ursache drückender und ungerechter Besteuerung. So kann der Reichstag an
dem Auf- und Niederdrücken der Matrieularbeiträge seine Macht erproben
und genießen, aber nur um den Preis schwerer Beschädigung des Reichs.

Von dieser Verurtheilung der Matrieularbeiträge ging der Kanzler über
zu den positiven Grundzügen eines Steuersystems, wie er es für das Reich am
angemessensten hält. Er entschied sich durchaus für die indirecten Steuern.
Er hielt die Einkommensteuer nur erhebbar von einem Einkommen über 2000
Thaler an, und erklärte dieselbe für auflegbar nur um der Ehre der wohl¬
habenden Klassen, nicht um des finanziellen Ertrages willen.

Man könnte dem großen Staatsmann zu Gunsten der directen Steuern
vielleicht Erhebliches entgegenhalten. Aber es ist unmöglich, darüber mit ihm
zu streiten. daß das deutsche Reich keine andern Steuern auflegen darf, als
nur indirecte: aus dem ganz durchschlagenden Grunde, weil die indirecten
Steuern um der Einheit des deutschen Wirthschaftsgebietes willen den Ein¬
zelstaaten entzogen werden müssen. Die directen Steuern, soweit sie zulässig
und soweit ihre Auflegung möglich, müssen also in Folge der dringendsten
Nothwendigkeit den Einzelstaaten ausschließlich verbleiben.

Wenn nun der Kanzler unwidersprechlich den Nagel auf den Kopf ge¬
troffen mit den zwei Sayer: daß das Reich dahin streben muß. seinen Aus¬
gabebedarf mit eigenen Einnahmen zu decken, und daß zur Beschaffung dieser
Einnahmen nur ein System indirecter Steuern geeignet ist. so kann man doch
noch in Zweifel sein, ob mit der vorgelegten Brausteuer und Börsensteuer zu
dem System indirecter Reichssteuern ein guter Anfang gemacht ist. Unserer-
seits können wir diese letzte Frage nicht bejahen. Die beiden Steuergesetze
sind in Folge der ersten Berathung an die Budgetcommission verwiesen wor¬
den. Wenn letztere die Ablehnung der Steuern empfehlen sollte, so werden
wir die Commission darum nicht zu tadeln vermögen. Wir müssen aber der
entschiedenen Ueberzeugung Ausdruck geben, daß es die Pflicht der Budget¬
commission ist. die nothwendige Beseitigung der Matrieularbeiträge dem
Reichstag zu Gemüthe zu führen und demselben Fingerzeige zu geben über den
nach Ansicht der Commission richtigen Weg. zum Aufbau eines Systems
indirecter Reichssteuern zu gelangen. Die Gefahr, durch das Budget für 1877
plötzlich eine erdrückende Last von Matricularbeiträgen auf die Einzelstaaten
zu werfen, muß um jeden Preis vermieden werden, und nachdem zur Ver¬
meidung dieser Gefahr die Reichsregierung das Ihre versucht hat. wenn auch
nicht mit glücklichem Erfolg, ist es an der Budgetcommission, wenn sie die
Vorschläge der Reichsregierung zurückweist, den Weg anzudeuten, den sie ihrer¬
seits für den richtigen hält.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/394>, abgerufen am 24.08.2024.