Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wirklichen Leben bringt fortan bei ihm auch dieses letzte Resultat menschlichen
Tugendbestrebens offen ans Licht, und dabei strahlt es von ihm selbst trotz
aller Leiden in reinster Heiterkeit der Seele aus. Und wenn uns allerdings
den vollen Grund dieser Stimmung und seine ganze Schönheit erst
das künstlerische Schaffen dieser Epoche selbst aufdeckt, gegen die alles Ge¬
sehene in den Hintergrund tritt, so erfahren wir doch selbst an dem äußer¬
lich so freundlosen Dasein dieses Künstlers in leiser Andeutung, welche innere
Entschädigungen ihm eben eine solche Anschauung der Welt und die Be¬
währung wahren Menschenthums bereitet.

Wir geben einige weitere Züge aus seiner Existenz in dieser Zeit. Von
Nägeli hörten wir schon oben. Derselbe empfängt im Nov. 1824 noch¬
mals Nachricht über die Subscription. Obwohl "überhäuft und bei der
späten Jahreszeit sich nicht genug schützend wieder kränklich" hat er doch
überall angespornt. Allein er muß hinzufügen: "Man ist wirklich arm hier
in Oesterreich und für Kunst, Wissenschaft bleibt wenig durch die durch den
Krieg immer fortdauernden drangvollen Zeiten." Wobei denn Bruder
Johannes Bemerkung Platz finde: "Die italienische Oper setzt diesen Sommer
100000 si. zu. Die Noth ist groß unter dem Volke und die Preise sind zu
hoch." Wir werden den Folgen solcher Zustände in Beethoven's Existenz
noch merklich begegnen.

Aber auch gegen oil mmorum Asntiuin wie K. Czerny, der mit Streicher
in diesem Frühling kam, wobei letzterer den 20 jährigen Franz Lachner mit
den Worten einführt: "Ein junger talentvoller Compositeur", -- hören wir
Worte des schönsten Wohlwollens, und dies obwohl man mit der jetzigen
Richtung dieses Lehrers des "kleinen Lizst" nicht einverstanden war und von
Schindler unter anderm sich ausschreiben ließ: "Daß er Anlage zum Ueber¬
treiben hat, bemerkten Sie schon vor 3--4 Jahren."

Aber ob es gleich ein andermal von derselben Hand heißt: "Leider, daß
der Kleine in den Händen des Czerny ist", so muß doch wenigstens zuge-°
geben werden: "Czerny verdient wirklich alle Achtung, daß er unter allen
Clavierspielern der einzige ist, der noch classische Musik liebt und besonders
Ihre Werke mit Fleiß und Liebe -- studirt und wirklich laut gesteht, daß
was er auch für die Composition leistet, nur dem Studiren Ihrer Werke
verdankt." Und so schreibt denn auch der Meister selbst, als es sich um den
Clavierauszug von Op. 124 handelt, jetzt (8. Oct. 1824) seinem werthen
Czerny "unendlichen Dank für seine ihm bezeigte Liebe" und schließt in seiner
herzlichen Weise: "Von dem Wunsche Ihnen dienen zu können habe ich Sie
schon längst unterrichtet. Wo also ein solcher Fall eintritt, übergehen Sie
mich ja nicht, da ich allezeit bereit bin Ihnen meine Liebe, Dankbarkeit und
Achtung zu bezeigen."


wirklichen Leben bringt fortan bei ihm auch dieses letzte Resultat menschlichen
Tugendbestrebens offen ans Licht, und dabei strahlt es von ihm selbst trotz
aller Leiden in reinster Heiterkeit der Seele aus. Und wenn uns allerdings
den vollen Grund dieser Stimmung und seine ganze Schönheit erst
das künstlerische Schaffen dieser Epoche selbst aufdeckt, gegen die alles Ge¬
sehene in den Hintergrund tritt, so erfahren wir doch selbst an dem äußer¬
lich so freundlosen Dasein dieses Künstlers in leiser Andeutung, welche innere
Entschädigungen ihm eben eine solche Anschauung der Welt und die Be¬
währung wahren Menschenthums bereitet.

Wir geben einige weitere Züge aus seiner Existenz in dieser Zeit. Von
Nägeli hörten wir schon oben. Derselbe empfängt im Nov. 1824 noch¬
mals Nachricht über die Subscription. Obwohl „überhäuft und bei der
späten Jahreszeit sich nicht genug schützend wieder kränklich" hat er doch
überall angespornt. Allein er muß hinzufügen: „Man ist wirklich arm hier
in Oesterreich und für Kunst, Wissenschaft bleibt wenig durch die durch den
Krieg immer fortdauernden drangvollen Zeiten." Wobei denn Bruder
Johannes Bemerkung Platz finde: „Die italienische Oper setzt diesen Sommer
100000 si. zu. Die Noth ist groß unter dem Volke und die Preise sind zu
hoch." Wir werden den Folgen solcher Zustände in Beethoven's Existenz
noch merklich begegnen.

Aber auch gegen oil mmorum Asntiuin wie K. Czerny, der mit Streicher
in diesem Frühling kam, wobei letzterer den 20 jährigen Franz Lachner mit
den Worten einführt: „Ein junger talentvoller Compositeur", — hören wir
Worte des schönsten Wohlwollens, und dies obwohl man mit der jetzigen
Richtung dieses Lehrers des „kleinen Lizst" nicht einverstanden war und von
Schindler unter anderm sich ausschreiben ließ: „Daß er Anlage zum Ueber¬
treiben hat, bemerkten Sie schon vor 3—4 Jahren."

Aber ob es gleich ein andermal von derselben Hand heißt: „Leider, daß
der Kleine in den Händen des Czerny ist", so muß doch wenigstens zuge-°
geben werden: „Czerny verdient wirklich alle Achtung, daß er unter allen
Clavierspielern der einzige ist, der noch classische Musik liebt und besonders
Ihre Werke mit Fleiß und Liebe — studirt und wirklich laut gesteht, daß
was er auch für die Composition leistet, nur dem Studiren Ihrer Werke
verdankt." Und so schreibt denn auch der Meister selbst, als es sich um den
Clavierauszug von Op. 124 handelt, jetzt (8. Oct. 1824) seinem werthen
Czerny „unendlichen Dank für seine ihm bezeigte Liebe" und schließt in seiner
herzlichen Weise: „Von dem Wunsche Ihnen dienen zu können habe ich Sie
schon längst unterrichtet. Wo also ein solcher Fall eintritt, übergehen Sie
mich ja nicht, da ich allezeit bereit bin Ihnen meine Liebe, Dankbarkeit und
Achtung zu bezeigen."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134602"/>
          <p xml:id="ID_765" prev="#ID_764"> wirklichen Leben bringt fortan bei ihm auch dieses letzte Resultat menschlichen<lb/>
Tugendbestrebens offen ans Licht, und dabei strahlt es von ihm selbst trotz<lb/>
aller Leiden in reinster Heiterkeit der Seele aus. Und wenn uns allerdings<lb/>
den vollen Grund dieser Stimmung und seine ganze Schönheit erst<lb/>
das künstlerische Schaffen dieser Epoche selbst aufdeckt, gegen die alles Ge¬<lb/>
sehene in den Hintergrund tritt, so erfahren wir doch selbst an dem äußer¬<lb/>
lich so freundlosen Dasein dieses Künstlers in leiser Andeutung, welche innere<lb/>
Entschädigungen ihm eben eine solche Anschauung der Welt und die Be¬<lb/>
währung wahren Menschenthums bereitet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_766"> Wir geben einige weitere Züge aus seiner Existenz in dieser Zeit. Von<lb/>
Nägeli hörten wir schon oben. Derselbe empfängt im Nov. 1824 noch¬<lb/>
mals Nachricht über die Subscription. Obwohl &#x201E;überhäuft und bei der<lb/>
späten Jahreszeit sich nicht genug schützend wieder kränklich" hat er doch<lb/>
überall angespornt. Allein er muß hinzufügen: &#x201E;Man ist wirklich arm hier<lb/>
in Oesterreich und für Kunst, Wissenschaft bleibt wenig durch die durch den<lb/>
Krieg immer fortdauernden drangvollen Zeiten." Wobei denn Bruder<lb/>
Johannes Bemerkung Platz finde: &#x201E;Die italienische Oper setzt diesen Sommer<lb/>
100000 si. zu. Die Noth ist groß unter dem Volke und die Preise sind zu<lb/>
hoch." Wir werden den Folgen solcher Zustände in Beethoven's Existenz<lb/>
noch merklich begegnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_767"> Aber auch gegen oil mmorum Asntiuin wie K. Czerny, der mit Streicher<lb/>
in diesem Frühling kam, wobei letzterer den 20 jährigen Franz Lachner mit<lb/>
den Worten einführt: &#x201E;Ein junger talentvoller Compositeur", &#x2014; hören wir<lb/>
Worte des schönsten Wohlwollens, und dies obwohl man mit der jetzigen<lb/>
Richtung dieses Lehrers des &#x201E;kleinen Lizst" nicht einverstanden war und von<lb/>
Schindler unter anderm sich ausschreiben ließ: &#x201E;Daß er Anlage zum Ueber¬<lb/>
treiben hat, bemerkten Sie schon vor 3&#x2014;4 Jahren."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_768"> Aber ob es gleich ein andermal von derselben Hand heißt: &#x201E;Leider, daß<lb/>
der Kleine in den Händen des Czerny ist", so muß doch wenigstens zuge-°<lb/>
geben werden: &#x201E;Czerny verdient wirklich alle Achtung, daß er unter allen<lb/>
Clavierspielern der einzige ist, der noch classische Musik liebt und besonders<lb/>
Ihre Werke mit Fleiß und Liebe &#x2014; studirt und wirklich laut gesteht, daß<lb/>
was er auch für die Composition leistet, nur dem Studiren Ihrer Werke<lb/>
verdankt." Und so schreibt denn auch der Meister selbst, als es sich um den<lb/>
Clavierauszug von Op. 124 handelt, jetzt (8. Oct. 1824) seinem werthen<lb/>
Czerny &#x201E;unendlichen Dank für seine ihm bezeigte Liebe" und schließt in seiner<lb/>
herzlichen Weise: &#x201E;Von dem Wunsche Ihnen dienen zu können habe ich Sie<lb/>
schon längst unterrichtet. Wo also ein solcher Fall eintritt, übergehen Sie<lb/>
mich ja nicht, da ich allezeit bereit bin Ihnen meine Liebe, Dankbarkeit und<lb/>
Achtung zu bezeigen."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0256] wirklichen Leben bringt fortan bei ihm auch dieses letzte Resultat menschlichen Tugendbestrebens offen ans Licht, und dabei strahlt es von ihm selbst trotz aller Leiden in reinster Heiterkeit der Seele aus. Und wenn uns allerdings den vollen Grund dieser Stimmung und seine ganze Schönheit erst das künstlerische Schaffen dieser Epoche selbst aufdeckt, gegen die alles Ge¬ sehene in den Hintergrund tritt, so erfahren wir doch selbst an dem äußer¬ lich so freundlosen Dasein dieses Künstlers in leiser Andeutung, welche innere Entschädigungen ihm eben eine solche Anschauung der Welt und die Be¬ währung wahren Menschenthums bereitet. Wir geben einige weitere Züge aus seiner Existenz in dieser Zeit. Von Nägeli hörten wir schon oben. Derselbe empfängt im Nov. 1824 noch¬ mals Nachricht über die Subscription. Obwohl „überhäuft und bei der späten Jahreszeit sich nicht genug schützend wieder kränklich" hat er doch überall angespornt. Allein er muß hinzufügen: „Man ist wirklich arm hier in Oesterreich und für Kunst, Wissenschaft bleibt wenig durch die durch den Krieg immer fortdauernden drangvollen Zeiten." Wobei denn Bruder Johannes Bemerkung Platz finde: „Die italienische Oper setzt diesen Sommer 100000 si. zu. Die Noth ist groß unter dem Volke und die Preise sind zu hoch." Wir werden den Folgen solcher Zustände in Beethoven's Existenz noch merklich begegnen. Aber auch gegen oil mmorum Asntiuin wie K. Czerny, der mit Streicher in diesem Frühling kam, wobei letzterer den 20 jährigen Franz Lachner mit den Worten einführt: „Ein junger talentvoller Compositeur", — hören wir Worte des schönsten Wohlwollens, und dies obwohl man mit der jetzigen Richtung dieses Lehrers des „kleinen Lizst" nicht einverstanden war und von Schindler unter anderm sich ausschreiben ließ: „Daß er Anlage zum Ueber¬ treiben hat, bemerkten Sie schon vor 3—4 Jahren." Aber ob es gleich ein andermal von derselben Hand heißt: „Leider, daß der Kleine in den Händen des Czerny ist", so muß doch wenigstens zuge-° geben werden: „Czerny verdient wirklich alle Achtung, daß er unter allen Clavierspielern der einzige ist, der noch classische Musik liebt und besonders Ihre Werke mit Fleiß und Liebe — studirt und wirklich laut gesteht, daß was er auch für die Composition leistet, nur dem Studiren Ihrer Werke verdankt." Und so schreibt denn auch der Meister selbst, als es sich um den Clavierauszug von Op. 124 handelt, jetzt (8. Oct. 1824) seinem werthen Czerny „unendlichen Dank für seine ihm bezeigte Liebe" und schließt in seiner herzlichen Weise: „Von dem Wunsche Ihnen dienen zu können habe ich Sie schon längst unterrichtet. Wo also ein solcher Fall eintritt, übergehen Sie mich ja nicht, da ich allezeit bereit bin Ihnen meine Liebe, Dankbarkeit und Achtung zu bezeigen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/256
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/256>, abgerufen am 22.07.2024.