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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Da kamen die Arbeiterparteien hier und in Deutschland von ihrem "politischen
Fehler", wie der Autor sich selbst ausdrückt, zurück, und waren ihrer Ge¬
sinnung nach wieder "Deutsche Arbeiter". In der That war eine solche
Umkehr namentlich in Oesterreich geboten, und die Arbeiter hatten die Hände
vollauf zu thun, um einerseits dem Andrang der föderalistischen Elemente,
andererseits, den Maßregelungen von Seiten des Ministeriums Hohenwart zu
begegnen. Außerdem galt es, einen nicht minder gefährlichen und mächtigen
Gegner abzuwehren. Schon beim Beginne der Arbeiterbewegung war die
ultramontane Partei hier bemüht, die Massen an sich zu ziehen. Zwiste im
eigenen Lager verhinderten die Clericalen Oesterreichs, obgleich sie es mehrere-
male versuchten, auf rein politischem Gebiete eine geschlossene Partei, etwa
nach Muster des Centrums im Deutschen Reichstage, zu bilden, und so ver¬
suchte man wenigstens, die Arbeiter als Verstärkung heranzuziehen. Die
Thätigkeit auf diesem Gebiete war eine sehr lebhafte. Oberwinder erzählt
beispielswiese. wie der damalige Redakteur des hiesigen "Vaterland", der
Jesuitenpater Florencourt, persönlich und mit Hülfe einiger Getreuen, unter
denen auch eine "Freundin" des frommen Paters war, die Massen ent¬
sprechend zu präpariren und unter das ultramontane Banner zu vereinigen
sich bemühten. Obgleich die Clericalen dieses Streben nie aufgegeben und
bekanntlich auch im Momente noch eifrig auf seine Erreichung hin arbeiten,
war das Resultat damals und bis heute doch nur ein verhältnißmäßig sehr
geringes, höchstens daß sie sich rächten, indem sie bei einem großen Prozesse,
in welchen die Arbeiterführer verwickelt wurden, als Belastungszeugen gegen
dieselben auftraten. Genützt hat dieser "Dank der Ultramontanen" ihnen
allerdings sehr wenig, denn dieselben Arbeiter, die damals zum Theil der
jesuitischen Doppelzüngigkeit zum Opfer fielen, sind heute selbstverständlich die
energischste" Gegner aller ultramontanen Strebungen und vereiteln dieselben,
insoweit sie sich auf die Bethörung der Arbeiter beziehen, gründlich und leicht
durch die einfache Constatirung dessen, was die Ultramontanen den Arbeitern
angethan haben. Daß die Sympathie der deutschen Arbeiter und in gewissem
Sinne auch die Unterstützung derselben den hiesigen Arbeitern während dieser
Kämpfe in vollem Maße zu Theil geworden, braucht man kaum besonders
zu betonen.

Gleichwohl hat die sozialistische Bewegung hier bis zur Stunde nur sehr
relative Erfolge zu verzeichnen. Hindernd dabei war auch die kleinliche Else:.
süchtelei der Führer untereinander und ihre Befehdung, die manche "schmutzige
Wäsche" zu Tage förderte. Indeß sind diese internen Reibereien jetzt so ziem¬
lich beseitigt, und die Oeffentlichkeit, welche die gemäßigten Wünsche der von
Oberwinder geleiteten Partei kennt, hat ein freundliches Urtheil über dieselbe.
Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Schrift, welche zur Einigkeit mahnt und


Da kamen die Arbeiterparteien hier und in Deutschland von ihrem „politischen
Fehler", wie der Autor sich selbst ausdrückt, zurück, und waren ihrer Ge¬
sinnung nach wieder „Deutsche Arbeiter". In der That war eine solche
Umkehr namentlich in Oesterreich geboten, und die Arbeiter hatten die Hände
vollauf zu thun, um einerseits dem Andrang der föderalistischen Elemente,
andererseits, den Maßregelungen von Seiten des Ministeriums Hohenwart zu
begegnen. Außerdem galt es, einen nicht minder gefährlichen und mächtigen
Gegner abzuwehren. Schon beim Beginne der Arbeiterbewegung war die
ultramontane Partei hier bemüht, die Massen an sich zu ziehen. Zwiste im
eigenen Lager verhinderten die Clericalen Oesterreichs, obgleich sie es mehrere-
male versuchten, auf rein politischem Gebiete eine geschlossene Partei, etwa
nach Muster des Centrums im Deutschen Reichstage, zu bilden, und so ver¬
suchte man wenigstens, die Arbeiter als Verstärkung heranzuziehen. Die
Thätigkeit auf diesem Gebiete war eine sehr lebhafte. Oberwinder erzählt
beispielswiese. wie der damalige Redakteur des hiesigen „Vaterland", der
Jesuitenpater Florencourt, persönlich und mit Hülfe einiger Getreuen, unter
denen auch eine „Freundin" des frommen Paters war, die Massen ent¬
sprechend zu präpariren und unter das ultramontane Banner zu vereinigen
sich bemühten. Obgleich die Clericalen dieses Streben nie aufgegeben und
bekanntlich auch im Momente noch eifrig auf seine Erreichung hin arbeiten,
war das Resultat damals und bis heute doch nur ein verhältnißmäßig sehr
geringes, höchstens daß sie sich rächten, indem sie bei einem großen Prozesse,
in welchen die Arbeiterführer verwickelt wurden, als Belastungszeugen gegen
dieselben auftraten. Genützt hat dieser „Dank der Ultramontanen" ihnen
allerdings sehr wenig, denn dieselben Arbeiter, die damals zum Theil der
jesuitischen Doppelzüngigkeit zum Opfer fielen, sind heute selbstverständlich die
energischste« Gegner aller ultramontanen Strebungen und vereiteln dieselben,
insoweit sie sich auf die Bethörung der Arbeiter beziehen, gründlich und leicht
durch die einfache Constatirung dessen, was die Ultramontanen den Arbeitern
angethan haben. Daß die Sympathie der deutschen Arbeiter und in gewissem
Sinne auch die Unterstützung derselben den hiesigen Arbeitern während dieser
Kämpfe in vollem Maße zu Theil geworden, braucht man kaum besonders
zu betonen.

Gleichwohl hat die sozialistische Bewegung hier bis zur Stunde nur sehr
relative Erfolge zu verzeichnen. Hindernd dabei war auch die kleinliche Else:.
süchtelei der Führer untereinander und ihre Befehdung, die manche „schmutzige
Wäsche" zu Tage förderte. Indeß sind diese internen Reibereien jetzt so ziem¬
lich beseitigt, und die Oeffentlichkeit, welche die gemäßigten Wünsche der von
Oberwinder geleiteten Partei kennt, hat ein freundliches Urtheil über dieselbe.
Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Schrift, welche zur Einigkeit mahnt und


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[0243] Da kamen die Arbeiterparteien hier und in Deutschland von ihrem „politischen Fehler", wie der Autor sich selbst ausdrückt, zurück, und waren ihrer Ge¬ sinnung nach wieder „Deutsche Arbeiter". In der That war eine solche Umkehr namentlich in Oesterreich geboten, und die Arbeiter hatten die Hände vollauf zu thun, um einerseits dem Andrang der föderalistischen Elemente, andererseits, den Maßregelungen von Seiten des Ministeriums Hohenwart zu begegnen. Außerdem galt es, einen nicht minder gefährlichen und mächtigen Gegner abzuwehren. Schon beim Beginne der Arbeiterbewegung war die ultramontane Partei hier bemüht, die Massen an sich zu ziehen. Zwiste im eigenen Lager verhinderten die Clericalen Oesterreichs, obgleich sie es mehrere- male versuchten, auf rein politischem Gebiete eine geschlossene Partei, etwa nach Muster des Centrums im Deutschen Reichstage, zu bilden, und so ver¬ suchte man wenigstens, die Arbeiter als Verstärkung heranzuziehen. Die Thätigkeit auf diesem Gebiete war eine sehr lebhafte. Oberwinder erzählt beispielswiese. wie der damalige Redakteur des hiesigen „Vaterland", der Jesuitenpater Florencourt, persönlich und mit Hülfe einiger Getreuen, unter denen auch eine „Freundin" des frommen Paters war, die Massen ent¬ sprechend zu präpariren und unter das ultramontane Banner zu vereinigen sich bemühten. Obgleich die Clericalen dieses Streben nie aufgegeben und bekanntlich auch im Momente noch eifrig auf seine Erreichung hin arbeiten, war das Resultat damals und bis heute doch nur ein verhältnißmäßig sehr geringes, höchstens daß sie sich rächten, indem sie bei einem großen Prozesse, in welchen die Arbeiterführer verwickelt wurden, als Belastungszeugen gegen dieselben auftraten. Genützt hat dieser „Dank der Ultramontanen" ihnen allerdings sehr wenig, denn dieselben Arbeiter, die damals zum Theil der jesuitischen Doppelzüngigkeit zum Opfer fielen, sind heute selbstverständlich die energischste« Gegner aller ultramontanen Strebungen und vereiteln dieselben, insoweit sie sich auf die Bethörung der Arbeiter beziehen, gründlich und leicht durch die einfache Constatirung dessen, was die Ultramontanen den Arbeitern angethan haben. Daß die Sympathie der deutschen Arbeiter und in gewissem Sinne auch die Unterstützung derselben den hiesigen Arbeitern während dieser Kämpfe in vollem Maße zu Theil geworden, braucht man kaum besonders zu betonen. Gleichwohl hat die sozialistische Bewegung hier bis zur Stunde nur sehr relative Erfolge zu verzeichnen. Hindernd dabei war auch die kleinliche Else:. süchtelei der Führer untereinander und ihre Befehdung, die manche „schmutzige Wäsche" zu Tage förderte. Indeß sind diese internen Reibereien jetzt so ziem¬ lich beseitigt, und die Oeffentlichkeit, welche die gemäßigten Wünsche der von Oberwinder geleiteten Partei kennt, hat ein freundliches Urtheil über dieselbe. Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Schrift, welche zur Einigkeit mahnt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/243>, abgerufen am 24.08.2024.