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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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im Galopp. Und so sprengten wir denn den mit runden Steinen gepflasterten
Weg im scharfen Ritte hinan, daß die Funken stoben und das Pferd eines
unserer Diener elend auf Knie und Nase stürzte, während der Reiter über
den Kopf desselben ein paar Schritte weit bergauf flog.

Vor einem alterthümlichen einstöckigen Gebäude machten wir Halt. Das¬
selbe war aus Quadern gebaut, hatte im Erdgeschosse auf kurzen starken
Säulen ruhende Bogengänge und war offenbar nicht türkischen Ursprungs.
Es mochte wohl noch aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert
stammen, als die Slaven noch Herrn des Landes waren und deutscher oder
italienischer Kunstsinn auch auf ihre Bauten seinen Einfluß ausübte. Daß
es jetzt in türkischen Händen war, dafür zeugten die Rundbogenfenster des
ersten Stockwerks, die zur Hälfte mit roh behauenen Steinen zugemauert
waren.

Wir übergaben die Pferde den Dienern und schritten die sehr schmutzige
Wendeltreppe hinan. Bor der Thür entledigte sich Mahmud Firdus Beg
seiner gelben Reitstiefeln und schritt, ohne anzuklopfen, in das Zimmer. Mir
als einem fremden "Effendi" war gestattet, meine Fußbekleidung zu behalten.

Wir traten in ein großes Gemach mit zwei Thüren und einem breiten
Fenster. Auf der einen Seite desselben war ein hoher, schwerer, aus irgend
einem schönen Holze ohne jede Kunstfertigkeit gezimmerter Glaskasten, in
welchem Pistolen, Gewehre, Handspeere, dann mit Silber beschlagener Kopf¬
schmuck für Pferde hingen, und der die eine Wand des Zimmers vollständig
einnahm. Längs der andern drei Wände lief ein niedriger, sanft gegen die
Mauer aufsteigender Breterverschlag, ähnlich den sogenannten Pritschen in
unsern Wachstuben hin. Derselbe war mit Teppichen bekleidet, auf denen
eine große Menge von Polstern lagen. Es war der "Divan". Auch den
steinernen Fußboden des Zimmers bedeckte ein schöner Teppich. Sonst war
von Einrichtungsstücken in dem Saale keine Spur zu bemerken. Das war
das Amtszimmer des Mudirs oder Amtmanns von Livno.

Der Mudir selbst saß mit untergeschlagenen Beinen gerade der Thür
gegenüber auf dem Divan und hatte den Schlauch einer türkischen Wasser¬
pfeife (Nargileh) in der Hand, mit dessen Mundstück er nachlässig spielte.
Rothe Pumphosen, ein rothes, mit Silber gesticktes und besetztes Leibchen und
über demselben eine grüne, mit Silverknvpfen verzierte und mit Pelz aus¬
geschlagene Jacke bildeten seine Bekleidung. Auf dem Kopfe trug er ein Feß
ohne Turban. Die Füße waren nackt. Neben ihm saß ein anderer Türke,
es war ein " civilisirter". Er war mit schwarzen Pantalons und einem
schwarzen verschnürten Rocke bekleidet, wie ihn die Beamten in Konstantinopel
zu tragen pflegen. Auch hatte er lackirte schwarze Schuhe an und rauchte
keinen Tschibbuk, sondern eine Papiercigarette -- in welchen Dingen die tur-


im Galopp. Und so sprengten wir denn den mit runden Steinen gepflasterten
Weg im scharfen Ritte hinan, daß die Funken stoben und das Pferd eines
unserer Diener elend auf Knie und Nase stürzte, während der Reiter über
den Kopf desselben ein paar Schritte weit bergauf flog.

Vor einem alterthümlichen einstöckigen Gebäude machten wir Halt. Das¬
selbe war aus Quadern gebaut, hatte im Erdgeschosse auf kurzen starken
Säulen ruhende Bogengänge und war offenbar nicht türkischen Ursprungs.
Es mochte wohl noch aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert
stammen, als die Slaven noch Herrn des Landes waren und deutscher oder
italienischer Kunstsinn auch auf ihre Bauten seinen Einfluß ausübte. Daß
es jetzt in türkischen Händen war, dafür zeugten die Rundbogenfenster des
ersten Stockwerks, die zur Hälfte mit roh behauenen Steinen zugemauert
waren.

Wir übergaben die Pferde den Dienern und schritten die sehr schmutzige
Wendeltreppe hinan. Bor der Thür entledigte sich Mahmud Firdus Beg
seiner gelben Reitstiefeln und schritt, ohne anzuklopfen, in das Zimmer. Mir
als einem fremden „Effendi" war gestattet, meine Fußbekleidung zu behalten.

Wir traten in ein großes Gemach mit zwei Thüren und einem breiten
Fenster. Auf der einen Seite desselben war ein hoher, schwerer, aus irgend
einem schönen Holze ohne jede Kunstfertigkeit gezimmerter Glaskasten, in
welchem Pistolen, Gewehre, Handspeere, dann mit Silber beschlagener Kopf¬
schmuck für Pferde hingen, und der die eine Wand des Zimmers vollständig
einnahm. Längs der andern drei Wände lief ein niedriger, sanft gegen die
Mauer aufsteigender Breterverschlag, ähnlich den sogenannten Pritschen in
unsern Wachstuben hin. Derselbe war mit Teppichen bekleidet, auf denen
eine große Menge von Polstern lagen. Es war der „Divan". Auch den
steinernen Fußboden des Zimmers bedeckte ein schöner Teppich. Sonst war
von Einrichtungsstücken in dem Saale keine Spur zu bemerken. Das war
das Amtszimmer des Mudirs oder Amtmanns von Livno.

Der Mudir selbst saß mit untergeschlagenen Beinen gerade der Thür
gegenüber auf dem Divan und hatte den Schlauch einer türkischen Wasser¬
pfeife (Nargileh) in der Hand, mit dessen Mundstück er nachlässig spielte.
Rothe Pumphosen, ein rothes, mit Silber gesticktes und besetztes Leibchen und
über demselben eine grüne, mit Silverknvpfen verzierte und mit Pelz aus¬
geschlagene Jacke bildeten seine Bekleidung. Auf dem Kopfe trug er ein Feß
ohne Turban. Die Füße waren nackt. Neben ihm saß ein anderer Türke,
es war ein „ civilisirter". Er war mit schwarzen Pantalons und einem
schwarzen verschnürten Rocke bekleidet, wie ihn die Beamten in Konstantinopel
zu tragen pflegen. Auch hatte er lackirte schwarze Schuhe an und rauchte
keinen Tschibbuk, sondern eine Papiercigarette — in welchen Dingen die tur-


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[0226] im Galopp. Und so sprengten wir denn den mit runden Steinen gepflasterten Weg im scharfen Ritte hinan, daß die Funken stoben und das Pferd eines unserer Diener elend auf Knie und Nase stürzte, während der Reiter über den Kopf desselben ein paar Schritte weit bergauf flog. Vor einem alterthümlichen einstöckigen Gebäude machten wir Halt. Das¬ selbe war aus Quadern gebaut, hatte im Erdgeschosse auf kurzen starken Säulen ruhende Bogengänge und war offenbar nicht türkischen Ursprungs. Es mochte wohl noch aus dem vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert stammen, als die Slaven noch Herrn des Landes waren und deutscher oder italienischer Kunstsinn auch auf ihre Bauten seinen Einfluß ausübte. Daß es jetzt in türkischen Händen war, dafür zeugten die Rundbogenfenster des ersten Stockwerks, die zur Hälfte mit roh behauenen Steinen zugemauert waren. Wir übergaben die Pferde den Dienern und schritten die sehr schmutzige Wendeltreppe hinan. Bor der Thür entledigte sich Mahmud Firdus Beg seiner gelben Reitstiefeln und schritt, ohne anzuklopfen, in das Zimmer. Mir als einem fremden „Effendi" war gestattet, meine Fußbekleidung zu behalten. Wir traten in ein großes Gemach mit zwei Thüren und einem breiten Fenster. Auf der einen Seite desselben war ein hoher, schwerer, aus irgend einem schönen Holze ohne jede Kunstfertigkeit gezimmerter Glaskasten, in welchem Pistolen, Gewehre, Handspeere, dann mit Silber beschlagener Kopf¬ schmuck für Pferde hingen, und der die eine Wand des Zimmers vollständig einnahm. Längs der andern drei Wände lief ein niedriger, sanft gegen die Mauer aufsteigender Breterverschlag, ähnlich den sogenannten Pritschen in unsern Wachstuben hin. Derselbe war mit Teppichen bekleidet, auf denen eine große Menge von Polstern lagen. Es war der „Divan". Auch den steinernen Fußboden des Zimmers bedeckte ein schöner Teppich. Sonst war von Einrichtungsstücken in dem Saale keine Spur zu bemerken. Das war das Amtszimmer des Mudirs oder Amtmanns von Livno. Der Mudir selbst saß mit untergeschlagenen Beinen gerade der Thür gegenüber auf dem Divan und hatte den Schlauch einer türkischen Wasser¬ pfeife (Nargileh) in der Hand, mit dessen Mundstück er nachlässig spielte. Rothe Pumphosen, ein rothes, mit Silber gesticktes und besetztes Leibchen und über demselben eine grüne, mit Silverknvpfen verzierte und mit Pelz aus¬ geschlagene Jacke bildeten seine Bekleidung. Auf dem Kopfe trug er ein Feß ohne Turban. Die Füße waren nackt. Neben ihm saß ein anderer Türke, es war ein „ civilisirter". Er war mit schwarzen Pantalons und einem schwarzen verschnürten Rocke bekleidet, wie ihn die Beamten in Konstantinopel zu tragen pflegen. Auch hatte er lackirte schwarze Schuhe an und rauchte keinen Tschibbuk, sondern eine Papiercigarette — in welchen Dingen die tur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/226>, abgerufen am 22.07.2024.