Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwarzer Punkte. Falken, die, ruhig an einer und derselben Stelle schwebend,
ihres Raubes harrten.

Und wie wir so dahinsprengten durch die düstere Landschaft, mein Wirth
auf seinem Rappen mit dem von seinen Schultern flatternden rothen Mantel,
ich mit trüben Gedanken die trostlose Wirthschaft ringsum betrachtend und
hinter uns ein kleiner affenartig aussehender Mohr auf unmäßig hohem
Gaule, da war mir beinahe, als ob wir nicht von Fleisch und Bein wären,
sondern als gespenstische Reiter in den Wind hineinjagten über die unabseh¬
bare öde Ebne. --

Nach einiger Zeit klärte das Wetter sich auf. Die Wolken zertheilten
sich, und die Sonne schien auf das Gelände. Die Gipfel des hohen zu unsrer
Rechten sich hinziehenden Prologgebirges, das ich Tags zuvor, von Dalmatien
kommend, überschritten, waren in leichte Nebelschleier gehüllt, die. ab und zu
vom Winde gehoben und verschoben, sich dann wieder an anderer Stelle über
die Hänge des Berges fein und duftig herabsenkten. Zwischendurch schim¬
merte das kräftige Roth und Braun der im Herbstschmucke prangenden Wälder,
und durch das struppige Unterholz hindurch, über das rauhe Gestein herab
sprangen und stürzten kleine Wildbäche, die sich dann auf der breiten Thalsohle
sammelten und sie gleich Silbcrbändern durchzogen. Sie waren hier zum
Theil sehr tief, aber weder Brücke noch Steg führte darüber; wem sie im
Wege waren, der mußte sie eben durchschwimmen.

Zu unsrer Linken begleitete uns eine andere Kette von Bergen, eben¬
falls Ausläufer der dinarischen Alpen, die vom Gipfel bis zum Fuße
herab mit prachtvollem Walde bedeckt waren, und vor uns dehnte sich das
lange Thal hin, an dessen südlichem Ende Livno, das Ziel unsrer heutigen
Reise, lag.

Mahmud Firdus Beg sagte mir. daß der größere Theile jener Wälder,
die droben im Gebirge aus Eichen und Buchen, unten in der Ebne aber aus
Apfel-, Kastanien- und Zwetschenbäumen bestehen, sein Eigenthum sei. Auch
^r waldlose Grund und Boden, auf dem wir dcihinritten. gehöre zu seinem
Landbesitze. Aber Alles trage nicht viel ein. Er habe sich allerdings von
einem Kroaten im Walde mehrere Bretmühlen bauen lassen und füttere mit
dem Ertrage der Obstbäume große Heerden von Schweinen, doch bekäme
er weder für die Breter noch für die Schweine viel Geld; denn in Bos¬
nien kaufe sie selten jemand, und bis sie auf den Markt nach Sige oder
Spalato kämen, hätten die Kosten des Transports den Werth der Waare
verzehrt.

Am besten bezahlen sich noch die Schweine; denn diese kaufen zu¬
weilen auch unsre Giauren -- wenn sie Geld haben; fügte Mahmud Firdus
Beg hinzu, indem er bei dem Worte "Giauren" feierlich ausspuckte, aber nicht


schwarzer Punkte. Falken, die, ruhig an einer und derselben Stelle schwebend,
ihres Raubes harrten.

Und wie wir so dahinsprengten durch die düstere Landschaft, mein Wirth
auf seinem Rappen mit dem von seinen Schultern flatternden rothen Mantel,
ich mit trüben Gedanken die trostlose Wirthschaft ringsum betrachtend und
hinter uns ein kleiner affenartig aussehender Mohr auf unmäßig hohem
Gaule, da war mir beinahe, als ob wir nicht von Fleisch und Bein wären,
sondern als gespenstische Reiter in den Wind hineinjagten über die unabseh¬
bare öde Ebne. —

Nach einiger Zeit klärte das Wetter sich auf. Die Wolken zertheilten
sich, und die Sonne schien auf das Gelände. Die Gipfel des hohen zu unsrer
Rechten sich hinziehenden Prologgebirges, das ich Tags zuvor, von Dalmatien
kommend, überschritten, waren in leichte Nebelschleier gehüllt, die. ab und zu
vom Winde gehoben und verschoben, sich dann wieder an anderer Stelle über
die Hänge des Berges fein und duftig herabsenkten. Zwischendurch schim¬
merte das kräftige Roth und Braun der im Herbstschmucke prangenden Wälder,
und durch das struppige Unterholz hindurch, über das rauhe Gestein herab
sprangen und stürzten kleine Wildbäche, die sich dann auf der breiten Thalsohle
sammelten und sie gleich Silbcrbändern durchzogen. Sie waren hier zum
Theil sehr tief, aber weder Brücke noch Steg führte darüber; wem sie im
Wege waren, der mußte sie eben durchschwimmen.

Zu unsrer Linken begleitete uns eine andere Kette von Bergen, eben¬
falls Ausläufer der dinarischen Alpen, die vom Gipfel bis zum Fuße
herab mit prachtvollem Walde bedeckt waren, und vor uns dehnte sich das
lange Thal hin, an dessen südlichem Ende Livno, das Ziel unsrer heutigen
Reise, lag.

Mahmud Firdus Beg sagte mir. daß der größere Theile jener Wälder,
die droben im Gebirge aus Eichen und Buchen, unten in der Ebne aber aus
Apfel-, Kastanien- und Zwetschenbäumen bestehen, sein Eigenthum sei. Auch
^r waldlose Grund und Boden, auf dem wir dcihinritten. gehöre zu seinem
Landbesitze. Aber Alles trage nicht viel ein. Er habe sich allerdings von
einem Kroaten im Walde mehrere Bretmühlen bauen lassen und füttere mit
dem Ertrage der Obstbäume große Heerden von Schweinen, doch bekäme
er weder für die Breter noch für die Schweine viel Geld; denn in Bos¬
nien kaufe sie selten jemand, und bis sie auf den Markt nach Sige oder
Spalato kämen, hätten die Kosten des Transports den Werth der Waare
verzehrt.

Am besten bezahlen sich noch die Schweine; denn diese kaufen zu¬
weilen auch unsre Giauren — wenn sie Geld haben; fügte Mahmud Firdus
Beg hinzu, indem er bei dem Worte „Giauren" feierlich ausspuckte, aber nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134569"/>
          <p xml:id="ID_672" prev="#ID_671"> schwarzer Punkte. Falken, die, ruhig an einer und derselben Stelle schwebend,<lb/>
ihres Raubes harrten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_673"> Und wie wir so dahinsprengten durch die düstere Landschaft, mein Wirth<lb/>
auf seinem Rappen mit dem von seinen Schultern flatternden rothen Mantel,<lb/>
ich mit trüben Gedanken die trostlose Wirthschaft ringsum betrachtend und<lb/>
hinter uns ein kleiner affenartig aussehender Mohr auf unmäßig hohem<lb/>
Gaule, da war mir beinahe, als ob wir nicht von Fleisch und Bein wären,<lb/>
sondern als gespenstische Reiter in den Wind hineinjagten über die unabseh¬<lb/>
bare öde Ebne. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_674"> Nach einiger Zeit klärte das Wetter sich auf. Die Wolken zertheilten<lb/>
sich, und die Sonne schien auf das Gelände. Die Gipfel des hohen zu unsrer<lb/>
Rechten sich hinziehenden Prologgebirges, das ich Tags zuvor, von Dalmatien<lb/>
kommend, überschritten, waren in leichte Nebelschleier gehüllt, die. ab und zu<lb/>
vom Winde gehoben und verschoben, sich dann wieder an anderer Stelle über<lb/>
die Hänge des Berges fein und duftig herabsenkten. Zwischendurch schim¬<lb/>
merte das kräftige Roth und Braun der im Herbstschmucke prangenden Wälder,<lb/>
und durch das struppige Unterholz hindurch, über das rauhe Gestein herab<lb/>
sprangen und stürzten kleine Wildbäche, die sich dann auf der breiten Thalsohle<lb/>
sammelten und sie gleich Silbcrbändern durchzogen. Sie waren hier zum<lb/>
Theil sehr tief, aber weder Brücke noch Steg führte darüber; wem sie im<lb/>
Wege waren, der mußte sie eben durchschwimmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_675"> Zu unsrer Linken begleitete uns eine andere Kette von Bergen, eben¬<lb/>
falls Ausläufer der dinarischen Alpen, die vom Gipfel bis zum Fuße<lb/>
herab mit prachtvollem Walde bedeckt waren, und vor uns dehnte sich das<lb/>
lange Thal hin, an dessen südlichem Ende Livno, das Ziel unsrer heutigen<lb/>
Reise, lag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_676"> Mahmud Firdus Beg sagte mir. daß der größere Theile jener Wälder,<lb/>
die droben im Gebirge aus Eichen und Buchen, unten in der Ebne aber aus<lb/>
Apfel-, Kastanien- und Zwetschenbäumen bestehen, sein Eigenthum sei. Auch<lb/>
^r waldlose Grund und Boden, auf dem wir dcihinritten. gehöre zu seinem<lb/>
Landbesitze. Aber Alles trage nicht viel ein. Er habe sich allerdings von<lb/>
einem Kroaten im Walde mehrere Bretmühlen bauen lassen und füttere mit<lb/>
dem Ertrage der Obstbäume große Heerden von Schweinen, doch bekäme<lb/>
er weder für die Breter noch für die Schweine viel Geld; denn in Bos¬<lb/>
nien kaufe sie selten jemand, und bis sie auf den Markt nach Sige oder<lb/>
Spalato kämen, hätten die Kosten des Transports den Werth der Waare<lb/>
verzehrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_677" next="#ID_678"> Am besten bezahlen sich noch die Schweine; denn diese kaufen zu¬<lb/>
weilen auch unsre Giauren &#x2014; wenn sie Geld haben; fügte Mahmud Firdus<lb/>
Beg hinzu, indem er bei dem Worte &#x201E;Giauren" feierlich ausspuckte, aber nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0223] schwarzer Punkte. Falken, die, ruhig an einer und derselben Stelle schwebend, ihres Raubes harrten. Und wie wir so dahinsprengten durch die düstere Landschaft, mein Wirth auf seinem Rappen mit dem von seinen Schultern flatternden rothen Mantel, ich mit trüben Gedanken die trostlose Wirthschaft ringsum betrachtend und hinter uns ein kleiner affenartig aussehender Mohr auf unmäßig hohem Gaule, da war mir beinahe, als ob wir nicht von Fleisch und Bein wären, sondern als gespenstische Reiter in den Wind hineinjagten über die unabseh¬ bare öde Ebne. — Nach einiger Zeit klärte das Wetter sich auf. Die Wolken zertheilten sich, und die Sonne schien auf das Gelände. Die Gipfel des hohen zu unsrer Rechten sich hinziehenden Prologgebirges, das ich Tags zuvor, von Dalmatien kommend, überschritten, waren in leichte Nebelschleier gehüllt, die. ab und zu vom Winde gehoben und verschoben, sich dann wieder an anderer Stelle über die Hänge des Berges fein und duftig herabsenkten. Zwischendurch schim¬ merte das kräftige Roth und Braun der im Herbstschmucke prangenden Wälder, und durch das struppige Unterholz hindurch, über das rauhe Gestein herab sprangen und stürzten kleine Wildbäche, die sich dann auf der breiten Thalsohle sammelten und sie gleich Silbcrbändern durchzogen. Sie waren hier zum Theil sehr tief, aber weder Brücke noch Steg führte darüber; wem sie im Wege waren, der mußte sie eben durchschwimmen. Zu unsrer Linken begleitete uns eine andere Kette von Bergen, eben¬ falls Ausläufer der dinarischen Alpen, die vom Gipfel bis zum Fuße herab mit prachtvollem Walde bedeckt waren, und vor uns dehnte sich das lange Thal hin, an dessen südlichem Ende Livno, das Ziel unsrer heutigen Reise, lag. Mahmud Firdus Beg sagte mir. daß der größere Theile jener Wälder, die droben im Gebirge aus Eichen und Buchen, unten in der Ebne aber aus Apfel-, Kastanien- und Zwetschenbäumen bestehen, sein Eigenthum sei. Auch ^r waldlose Grund und Boden, auf dem wir dcihinritten. gehöre zu seinem Landbesitze. Aber Alles trage nicht viel ein. Er habe sich allerdings von einem Kroaten im Walde mehrere Bretmühlen bauen lassen und füttere mit dem Ertrage der Obstbäume große Heerden von Schweinen, doch bekäme er weder für die Breter noch für die Schweine viel Geld; denn in Bos¬ nien kaufe sie selten jemand, und bis sie auf den Markt nach Sige oder Spalato kämen, hätten die Kosten des Transports den Werth der Waare verzehrt. Am besten bezahlen sich noch die Schweine; denn diese kaufen zu¬ weilen auch unsre Giauren — wenn sie Geld haben; fügte Mahmud Firdus Beg hinzu, indem er bei dem Worte „Giauren" feierlich ausspuckte, aber nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/223
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/223>, abgerufen am 22.07.2024.